Interview: Herman Rarebell

vom 12. Juli 2011 via Telefon
Metal Trails hatte die Ehre, mit Herman Rarebell – einer Drummerlegende, die den Hard Rock und Heavy Metal über Jahrzehnte mit Songs wie „Rock You Like A Hurricane“, „Blackout“ oder „Dynamite“ beeinflusst hat – ein ausgiebiges Interview zu führen.
Insgesamt an zwei Tagen nahm sich Herman die Zeit, mit uns zu sprechen. Dabei hat er uns unter anderem über seine eigenen Anfänge im Showbiz, den Durchbruch der Scorpions sowie den vorläufigen Abstieg der Band - ausgelöst vom Welthit „Wind of Change“ - in den Neunzigern und seine ganz persönliche Sicht der Bandgeschichte berichtet. Des Weiteren sprach er mit uns über sein aktuelles Projekt mit Michael Schenker (mit dem wir am 9. Juni ebenfalls ein Interview geführt haben) - Strangers in the Night -, das Release seines neuen Buches und die Zukunft seiner Band „Herman Ze German & Friends“.
Auch seine anderen Projekte, wie „Arts Meets Music“ oder die monegassische Plattenfirma „Monaco Records“, an deren Entstehung er beteiligt war, werden in diesem Interview angesprochen.
Viel Spaß beim Lesen!

Übersicht:

Herman Ze German & Friends
Von alten Zeiten …
„I’ve been lookin’ for freedom!“
Über die Scorpions
Für die Zukunft: Neue Projekte und neues Buch!

Das Interview:

Alex: Hallo Leute! Heute spreche ich mit Herman Rarebell. Hi Herman, wie geht’s dir so? Was machst du gerade?
Herman: Es geht mir sehr gut! Ja, wenn du mich fragst, was ich so mache: Ich bin zur Zeit in Brighton in England und da am Proben mit Michael Schenker und Pete Way von UFO.

1. Herman Ze German & Friends

Alex: Du hattest vor kurzem einen Auftritt in deiner Heimat mit Herman Ze German & Band. Wie war der Gig? Wie läuft‘s gerade mit der Band?
Herman: Also, für mich war der Gig fantastisch! Es war schließlich ein Heimspiel, wie man so schön sagt. Mal wieder zurück zu kommen in die alte Heimat hat meiner Seele und meinem Herzen sehr gut getan, und den Leuten hat´s unglaublich gut gefallen. Die Band ist also toll angekommen. Wir hatten eine Mischung aus alten Scorpions-Stücken gespielt, die man von mir halt eben kennt – wie „Another Piece Of Meat“, „Blackout“ und „Rock You Like A Hurricane“ –, und natürlich neue Stücke von meiner neuen Platte „Take It As It Comes“. Und diese Mischung ist bei den Leuten sehr gut angekommen, sodass wir zwei, drei Zugaben gespielt haben und uns freuen, da demnächst wieder aufzuschlagen!
Alex: Früher bist du mit den Scorpions förmlich überall aufgetreten, wo eine Steckdose war. Wie sieht es heute aus? Spielst du nur noch ausgewählte Gigs, die dich reizen, oder ist dieser Wille überall zu rocken noch präsent?
Herman: Ne, ich hatte die ganze Zeit über überhaupt kein Bedürfnis groß wieder um die Welt zu reisen. Wie du weißt habe ich das ausgiebig mit den Scorpions getan.
Aber irgendwann juckt’s dann doch wieder und so kam die Band „Herman Ze German & Friends“ – oder auch „Herman Ze German & Band“ – zusammen. Da wir jetzt ein bisschen Blut geleckt haben, habe ich meinem Agenten auch schon gesagt: „Fang an, eine Tournee zu buchen!“ Er sagt auch, es kommen demnächst die BeNeLux-Staaten auf mich zu – also Holland, Belgien und Luxemburg. Danach möchte er dann gerne Frankreich, Deutschland und Spanien machen, und es gibt auch noch Pläne, in den Osten zu gehen. Also nach Russland, Tschechien, Slowakei und Polen. Ich denke mir also, dass ich in der nächsten Zeit viel spielen werde. Man wird sich bestimmt des Öfteren sehen!
Ich würde mich natürlich freuen, wenn der eine oder andere zum Konzert kommt!
Alex: Was ist das eigentlich für ein Publikum, das die Konzerte besucht? Die alten Stammfans oder die Neuen, die wirklich Herman Ze German hören wollen?
Herman: Das war jetzt ein ganz gemischtes Publikum. Man muss jetzt aber auch sagen: Das war ein Altstadtfest, also zum Beispiel ohne Eintritt. Da waren dann halt mal eben 10.000 Leute auf diesem Platz. Aber ich muss wirklich sagen, es war ein ganz gemischtes Publikum. Deshalb fand ich es gerade so interessant, wie gut wir da angekommen sind.
Also, von ganz jung bis ganz alt war alles dabei. Ich denke mir aber, dass das normale Publikum wahrscheinlich so in dieser Altersgruppe zwischen 35 und 55 sein wird. Einige davon werden ihre Kinder mitbringen … oder auch ganz junge Rockfans, die einfach mal auschecken wollen, was so ein alter Hase wie ich jetzt so treibt!

2. Von alten Zeiten …

Alex: Auf dem Album „Taken By Force“ warst du das erste Mal auf einer Scorpions-Platte zu hören. Wie waren deine ersten Erfahrungen mit der Band? Wie fit warst du damals schon in der professionellen Musik? An welchen Projekten warst du bis dato beteiligt?
Herman: Ja, ich hatte also das Glück sehr viele Jahre in London mit sehr vielen verschiedenen Musikern Studiomusik zu machen. Ich war aber in keiner Band, die jeden Tag gespielt hat … aber in der einen oder anderen Band in England, die dann zum Bespiele an den Wochenenden gespielt haben. So Freitag, Samstag Sonntag. Schulen, Universitäten und so etwas. Aber damals in der Größenordnung wie mit den Scorpions, das nicht. Ich muss aber auch sagen: Als ich bei den Scorpions eingestiegen bin, das war auch keine riesige Größenordnung nun da, ne? Das war halt eben so, dass man dann das Glück hatte, als in Japan der Durchbruch kam. Da bin ich das erste Mal auf eine richtig große Bühne gekommen.
Alex: Was hast du damals gefühlt, als du das erste Mal auf diesen großen Bühnen unterwegs warst?
Herman: Man fühlt sich einfach klasse! Es war ein supergeiles Gefühl! Darauf arbeitet man ja immer hin, als junger Musiker. Als wir dort gelandet sind hatten wir kreischende Fans am Flugplatz. Es war so ein Bisschen wie in den Beatles-Filmen, als sie damals gelandet sind. Und dann kommt man zurück in die Nüchternheit nach Deutschland. Das glaubt danach auch keiner: „Hey, in Japan sind wir Superstars! Da kommen wir klasse an“, und so …
Also, es war ein super, super geiles Gefühl da auf die Bühne zu gehen und einfach los zu rocken. Vor allem vor so vielen Leuten! Das waren in Japan doch zwischen zwei, drei oder viertausend Leuten.
Alex: Wie wurde damals die ganze Hard Rock-Kultur in Japan überhaupt populär?
Herman: Nun, man muss natürlich sehen, dass schon vor uns Bands wie Deep Purple Japan mit ihrer „Live In Japan“-Platte regelrecht berühmt gemacht hatten. Danach gab es in dort ein gute Hard Rock- oder Heavy Rock-Kultur. Diese Musik wird da gerne gehört und ich glaube, wir haben in diese Nische gut reingepasst. Deswegen hat es da plötzlich gekracht und es kam ein Angebot vom Tour-Promoter. UDO hieß die Agentur dort: „Kommt nach Japan, tourt und wir können euch garantieren, dass alles ausverkauft ist!“ So war es dann auch und so lief dann unsere erste Tour ´78 auch wirklich sehr gut. Von da hat sich das dann bis nach Amerika rumgesprochen: „Hey! Da gibt’s eine deutsche Band, die spielen richtig gut und sind gut drauf!“
Alex: Euer Auftritt in Tokio 1978 war legendär! Kann man irgendwann mit der lang ersehnten Veröffentlichung der live gefilmten Tokio-Tapes als DVD rechnen?
Herman: Es gibt von Dieter Dierks einen Film, den er damals gemacht hat, als es ’78 alles mitgeschnitten wurde bei dieser Tour. Der Film liegt auch noch bei Dieter Dirks und braucht die Zustimmung der restlichen Mitglieder, also der kompletten Scorpions-Band. Das ist bis heute nicht geschehen und ich schätze, solange wird er weiterhin dort liegen bleiben. Anundfürsich schade, denn ich kann dir sagen: Es ist ein supergeiler Film, wo man die Band auf der Bühne sieht, wie sie ihre Songs performen, aber auch das ganze Geschehen in Japan hinter der Bühne. Ein klasse Film! Das ist sehr schade, dass er leider unter Verschluss ist.
Alex: Es gibt einige wichtige Stationen in der Geschichte der Scorpions, wie z. B. die erste Tour auf dem amerikanischen Kontinent, oder der Auftritt im Liverpooler Cavern Club im Jahre 1975. Wann habt ihr euch selbst als richtige „Weltband“ gesehen bzw. gefühlt?
Herman: Also, ich würde mal sagen, das hat dann wirklich stattgefunden … am Ende des Juni, als wir das erste Konzert in den Vereinigten Staaten in Cleveland, Ohio gemacht hatten! Wir sind bei diesem Cleveland Ohio Festival um viertel nach zehn auf die Bühne gegangen, wo damals schon Aeorosmith gespielt haben, und Journey. Oder auch Ted Nugent und Thin Lizzy. Wir spielten da mit der Elite überhaupt! Ich denke mal, da hat man sich schon so gefühlt: „Ja! Wir sind eine Weltband! Wir sind nicht nur in Japan groß, oder in Deutschland, sondern wir sind jetzt hier in Amerika präsent!“ Für mich war das auf jeden Fall der maßgebende Tag.
Alex: Besonders einprägsam war ja auch euer Auftritt beim Rock In Rio 85! Hast du da irgendwelche Erinnerungen an dieses ganz spezielle Ereignis in der Rock-Geschichte?
Herman: Ja klar! Wenn du auf meine Webpage unter hermanrarebell.com gehst und unter „Videos“ schaust, dann hast du da drei Einträge. Darunter ein Schlagzeugsolo vom 20. Januar 1985 vom Rock In Rio. Das würde ich allen empfehlen, mal anzugucken, weil dort 400.000 Menschen sind, die begeistert mitmachen. Das ist nicht so oft, dass man das hat.
Alex: Und welche Emotionen hattest du bei diesem Auftritt?
Herman: Meine Emotionen dort - das wirst du dann auch sehen –, das war meiner Meinung nach eines meiner besten Drum-Soli meiner gesamten Karriere. Ich bin froh, dass es dort in Bild und Ton festgehalten wurde; also auch die Leute. Es ist unglaublich, wie da 400.000 Leute mitgehen. Die Emotionen in Rio überhaupt! Dazu muss ich sagen: Die Menschen dort sind sehr emotional und die zwei Wochen, die wir dort verbracht haben, werde ich wohl nie vergessen.
Alex: Und wie war der Kontakt zu den anderen Bands, die bei dem Event auch dabei waren?
Herman: Bei uns im Hotel war Roger Taylor, der Schlagzeuger von Queen, mit dem ich immer gute Kontakte über die ganzen Jahre hatte. Und Ozzy Osbourne war dort auch, den ich des Öfteren am Swimming Pool getroffen habe … und auch abends an der Bar, ne? Und dann gab es die anderen Musiker von AC/DC und auch von Queen. Die haben in einem anderen Hotel gewohnt, weil die ihre Familien dabei hatten. Das war ein so genanntes Familienhotel und wir hatten im Copacabana Beach gewohnt. Ich glaube – jetzt fällt‘s mir wieder ein –, wir [Herman Rarebell, Klaus Meine, Rudolf Schenker, Francis Buchholz und Matthias Jabs; Anmerkung der Redaktion] waren damals alle zusammen in einem Hotel! Nur Queen hat sich geteilt und auch Musiker von ACDC haben in einem anderen Hotel gewohnt.

3. „I’ve been lookin’ for freedom!“

Alex: Dann springen wir mal ein Stück weiter: Zum Anfang der neunziger Jahre! Wie waren die ersten Auftritte 1988 in der Sowjetunion, und wie kam es überhaupt zu dieser Tour im damaligen Ostblock?
Herman: Wir waren ja die erste Band nach Uriah Heep, die dort gespielt hat. Und wir haben auch immer gesagt, dass wir da spielen wollen! Nun war es damals so, dass dort alles noch nicht so organisiert war, wie es heute ist. Man musste sich mit dem Staat in Verbindung setzen, und nach langer Zeit haben wir dann die Genehmigung bekommen, fünf Konzerte in Leningrad – so hieß St. Petersburg damals – und fünf Konzerte in Moskau zu spielen. Die in Moskau wurden abgesagt. Ich denke mir mal, wir waren damals zu nah am 1. Mai dran. Die Konzerte fanden ja in den letzten zwei Aprilwochen 1988 statt, so dass ich mir denke, die Regierung wollte nicht, dass wir um den ersten Maifeiertag in Moskau spielen. Sehr wahrscheinlich hatte man da einen Aufstand befürchtet, weil die Leute zu diesem Zeitpunkt auch schon langsam wach geworden sind. Man spürte regelrecht den „Wind Of Change“ in the air! Man konnte spüren, dass demnächst etwas passieren würde. Und wir haben dann die Ehre gehabt, zehn Tage lang hintereinander in St. Petersburg – also Leningrad – zu spielen. Jeden Abend 20.000 Leute! Die kamen aus ganz Russland, um sich das anzugucken. Und ein Jahr später haben wir auf dem sogenannten „Moscow Music Peace Festival“ zusammen mit Jon Bon Jovi, Mötley Crüe und Ozzy Osbourne gespielt. Da war es dann schon wieder eine ganz andere Sache, denn zu dem Zeitpunkt war es dann wirklich so weit, dass dort 135.00 Leute im Stadion waren und man regelrecht spüren konnte, dass es nur noch Tage sind, bis sich dort alles erledigt hat mit dem Kommunismus.
Wir wurden dann auch eingeladen, als damals dort das erste Hard Rock Café eröffnet wurde. Das war im Gorki Park. Es gab also die ersten Hamburger! Und als wir dort im Gorki Park waren, denke ich mir, ist Klaus Meine die Idee für den Song „The Wind Of Change“ gekommen. Man konnte den in der Luft spüren! Und als wir zurück gefahren sind nach Deutschland, da hat er dieses Stück komponiert. Er hat es mir vorgespielt – weil ich viele Texte für die Band gemacht habe –, hat mir dann dieses berühmte Pfeifen vorgewhistled und mich noch gefragt: „Hast du da eine Idee für ‘nen Text?“ Und da sag ich: „Ne, da brauchst du keinen Text! Lass das mal, wie es ist! Meiner Meinung nach ist das hier ein Superhit!“ Aber zu diesem Zeitpunkt war ich wohl der einzige, der da dran geglaubt hatte.
Alex: Mit diesem Song habt ihr ja auch eine breite Masse erreicht, die gar nichts mit dem Hard Rock und Heavy Metal zu tun hat. Habt ihr mit dem Song eure „härtere“ Fan-Fraktion verstört?
Herman: Ja, genau! Die Hausfrauen … ja, total! Ich denke mir mal – so schlimm das jetzt klingen mag –, Wind Of Change war eine maßgebende Veränderung in der Karriere der Band. Wir hatten zwar jetzt alle Hausfrauen auf unserer Seite, aber leider nur für ein Mal. Die kamen zu den Konzerten, ich erinnere mich gut, und haben sich zwei Stunden lang die Ohren zu gehalten. Die hatten natürlich erwartet, dass wir zwei Stunden lang solche Songs wie Wind of Change spielen.
Und ich erinnere mich: Am Anfang dieser „Crazy World Tour“, da haben wir in der Mitte von unserem Set Wind Of Change und gleich danach Still Loving You gespielt. Danach sind die Leute aufgestanden – also die Hausfrauen – und sind nach Hause gegangen, weil sie einfach ihren Song bekommen hatten und sich diesen Krach nicht zwei Stunden lang anhören wollten. Dann habe ich zu Rudolf noch gesagt: „Weißt du, was wir jetzt machen? Wir spielen Wind Of Change als allerletzten Song, dann müssen sie alle da bleiben!“
Das haben wir auch so gemacht. Aber man hat doch gemerkt, dass mit diesem Song die Hard Rock-Abteilung weggeblieben ist. Dafür bekamen wir neue Fans, hauptsächlich Frauen. Die sind aber nach dieser Tour wieder verschwunden, weil die den Hard Rock nicht ertragen haben. Naja, und die anderen sind ja auch weg geblieben, sodass die Band ab ´93 einen richtigen Durchhänger hatte, Tickets und Schallplatten zu verkaufen.
Die Meinung war durch Wind Of Change gespalten! Viele haben dann gesagt: „Die machen jetzt Schlager! Was ist denn das für ein Song?“, und so weiter … Wie gesagt, Wind of Change war der erfolgreichste Song, wenn du jetzt von einem „Hit“ sprichst. Der Track war immerhin in 20 Ländern Nummer 1 und hat immerhin Crazy World über 8 Millionen Mal verkauft, also als Langspielplatte. Von der Perspektive her war es also der erfolgreichste Song der Scorpions. Aber wenn ich jetzt zurück blicke, mir alles genau angucke und die Zahlen zusammen rechne, dann ist der erfolgreichste Song der Scorpions „Rock You Like A Hurricane“.
Alex: … den du geschrieben hast.
Herman: Leider nur den Text, die Musik hat Rudolf Schenker geschrieben. Aber ich denke mir mal, ich tu mich da jetzt nicht groß beschweren. Das waren die drei erfolgreichsten Songs – drei Hits –, die die Scorpions damals nach oben geschossen haben: Rock You Like A Hurricane, Still Loving You und Wind Of Change. Wenn man jetzt von Chartpositionen, dann waren das die drei Songs, die in den Hitparaden waren. Aber wie du weißt: Die Fans, die damals Black Out gekauft haben, die haben sich nicht nach Singles orientiert. Die fanden die Langspielplatte gut! Oder Animal Magnetism! Und diese Leute waren unsere Fans. Das waren die, die wir hatten, bis wir Wind Of Change rausgebracht hatten.
Alex: Wer kam überhaupt auf die Idee, den Song auch auf Russisch und Spanisch zu veröffentlichen?
Herman: Das war einfach die Nachfrage der spanischen Fans. Und er wurde auch auf Russisch veröffentlicht, weil die Nachfrage so enorm groß war, dass die Länder einfach gesagt haben: „Könnt ihr das nicht in unserer Sprache machen?“ Da haben wir gesagt: „Na klar machen wir das!“

4. Über die Scorpions …

Alex: Nachdem Crazy World so ein großer Erfolg war und die großen Massen mobilisierte, wolltet ihr da mit Face The Heat wieder die Hard Rock- und Heavy Metal-Fans erreichen?
Herman: Ja, absolut! Ich weiß noch gut: Als wir mit der Produktion anfingen, da hat uns Bruce Fairbairn – unser damaliger Produzent – als wir ins Studio kamen ganz klar gefragt: „Wollt ihr jetzt die Richtung Wind Of Change einschlagen, da das doch sehr erfolgreich war, oder wollt ihr wieder richtig abrocken?“ Da haben wir natürlich gesagt: „Wir wollen abrocken und den Fans wieder was zeigen!“ Was natürlich … wenn du jetzt mal überlegst: Als die Platte „Face The Heat“ rauskam, da war die erste Single Alien Nation. Und die Radiostationen, die riefen uns wirklich an und haben zu uns gesagt: „Wollt ihr uns verarschen? Das können wir doch nicht spielen! Das geht nicht, unser Programm hier ist eingestellt auf kommerzielle Musik und da kommt ihr mit so einem harten Stück!
So ging der Song regelrecht unter, weil die Radiostationen abgelehnt haben, es zu spielen. Es war ihnen zu heavy.
Und so wurdet halt eben auch die Platte, also die Face The Heat, lange nicht so viel verkauft wie Crazy World. Sie lag aber immerhin trotzdem noch bei weltweit 1,8 Millionen Scheiben. Aber das war auf Grund des Kredites, den wir durch Wind Of Change und Crazy World hatten.
Alex: Was waren deine Beweggründe, die Band 1996 zu verlassen?
Herman: Da gibt’s Mehrere. Zunächst einmal gibt es die Platte Pure Instinct, die ich bis zum heutigen Tag total scheiße finde. Und ich habe auch der Band gesagt, ich werde auf dieser Platte nicht trommeln. Das hat nichts mehr zu tun mit Scorpions, das ist eine Abkehr vom Hard Rock und vom Heavy Rock. Das hat nichts mehr zu tun mit Platten wie Love At First Sting oder Blackout. Das ist für mich einfach eine Platte, bei der ich nicht dahinter stehen kann. Das war so der erste Grund.
Dann wirst du sehen, dass ich auf dieser Platte auch nichts geschrieben habe, aber auf der vorhergehenden auch schon nichts. Ich habe mich aus dieser Band regelrecht rausgedrückt gefühlt und man hatte mir untersagt, als Texter und als Komponist kreativ tätig zu sein. Es wurden plötzlich keine meiner Stücke mehr genommen, sodass ich mir gesagt habe, dass, wenn die mich nicht mehr brauchen, ich dann halt was anderes mache. Dann kam zum selbigen Zeitpunkt ein Angebot vom Prinz Albert von Monaco, der mir gesagt hat: „Was hältst du davon, wenn wir hier eine Plattenfirma in Monaco machen! Und so was … das wäre doch was Gutes!“ [hieraus entstand „Monaco Records“; Anmerkung der Redaktion] Da habe ich mir dann gesagt: „Komm! Du warst jetzt zwanzig Jahre dabei und die wollen sowieso nicht, dass du groß komponierst oder textest.“ Da war es ganz „ich gehe jetzt meinen eigenen Weg“. So ist das ganze entstanden.
Alex: Jetzt wo die Scheibe Sting In The Tail raus gekommen ist, die an die Wurzeln des Hard Rock zurückgeht, bereust du es da, aus der Band draußen zu sein? Würdest du rein hypothetisch mal überlegen, wieder dabei zu sein?
Herman: Was bringt es mir, wenn ich überlege wieder dabei zu sein? Die Band hat sich schließlich entschlossen, aufzuhören. Ich war einfach zehn Jahre früher drauf gekommen, das ist alles. Die hätten damals alle aufhören sollen. Mit Pure Instinct fing das an. Das war ’ne Kackplatte. Und danach wurde es noch schlimmer mit Eye II Eye. Danach haben sie sich wieder ein bisschen gefangen mit Unbreakable und jetzt ist es wieder gut. Ich hatte aber auch lange Unterhaltungen mit Rudolf und Matthias, in denen ich immer wieder gesagt habe: „Ihr müsst wieder dort mit dem Hard Rock weitermachen, wo wir aufgehört haben! Ihr könnt die Fans nicht weiter enttäuschen! Ihr müsst einfach den Scorpions-Fans das geben, was sie erwarten – nämlich Scorpions-Musik!“
Und das haben sie Gott sei Dank gemacht! Und ich bin auch sehr froh über diese Platte, mir gefällt die auch gut. Das ist wieder back to the roots, wie du selbst sagtest.
Und du siehst: Die Fans sind dankbar dafür und wissen das zu würdigen! Leute kaufen die Platte und die Tour ist ausverkauft. Der beste Beweis dafür, dass man den Leuten nichts vormachen muss. Guck dir AC/DC an! Die hätten sich niemals getraut, den Fans eine Platte wie Pure Instinct oder Eye II Eye abzuliefern.
Alex: Es ist doch irgendwie ein bisschen paradox, dass gerade jetzt – wo sie aufhören wollen – der Sound gerade richtig stimmt.
Herman: Naja, vielleicht wollen sie dann nicht mehr aufhören? Vielleicht erzählen sie ja den Leuten nächstes Jahr, dass sie auf Grund der großen Nachfrage weiter machen. Ich kenne viele Künstler, die gesagt haben „wir machen jetzt unsere Abschiedstournee!“ – von Phil Collins über Tina Turner –, die alle noch am Spielen sind.
Alex: Dann fühlen sich die Fans vielleicht doch wieder ein bisschen betrogen …
Herman: Naja, da kannst du aber mal mit den Fans von Phil Collins und von Tina Turner auch mal sprechen, was die dazu zu sagen haben. Letzten Endes denke ich mir mal, dass diese Abschiedstournee noch ein paar Jahre dauern wird. Es würde mich stark überraschen, wenn es jetzt 2011 die letzten Konzerte gewesen wären. Ich mache auch jede Wette, dass es nächstes Jahr munter weiter geht. Ich kann dir jetzt schon sagen, dass nächstes Jahr Konzerte anstehen.
Alex: Ja, 2012 sollen ja noch welche anstehen …
Herman: Danach werden auch noch welche kommen! Du wirst es sehen. Ich denke mal, ein gutes Angebot schlägt keiner aus, oder? Oder sagst du, wenn du 2013 ein Angebot bekommst, in Russland für eine Millionen Euro zu spielen: „Ne, mache ich nicht mehr“?
Ich denke mir mal, Abschiedstourneen haben einen großen Vorteil: Sie sorgen dafür, dass du viele Tickets verkaufst. Das ist ja gar nicht von den Scorpions erfunden worden, sondern wurde vorher schon zehnmal vorgemacht. Ich weiß nur eins: Ich sehe immer wieder Konzerte in ferner Zukunft. Von 2012 weiß ich, dass Konzerte anstehen. Und ich weiß sogar, dass ein oder zwei Konzerte für 2013 anstehen.
Also, das klingt für mich nicht nach Abschied! Aber das sind eh alles Spekulationen. Und ich bin auch nicht jeden Tag in Kontakt mit allen und wenn sie aufhören, dann ist es denke ich mal ein guter Schritt, denn schließlich war die Band über 45 Jahre unterwegs. Und ich denke, jeder hat es verdient, sich irgendwann mal zur Ruhe zu setzen.
Ich denke jedenfalls nicht ans aufhören, ich werde solange spielen, bis ich umfalle! So einfach ist es …

5. Für die Zukunft: Neue Projekte und neues Buch!

Alex: Das ist auch eine Einstellung! Welche anderen Projekte hast du nach dem Verlassen der Band verfolgt?
Herman: Also, was ich seit meinem Ausstieg gemacht habe: Ich hatte dann 5 Jahre lang eine Plattenfirma mit Prinz Albert gemacht, die hieß Monaco Records.
Danach habe ich im Jahre 2004 eine Sache gemacht, die nannte sich Art Meets Music. Ich habe dabei mit zwei Malern gearbeitet und ein Maler war Ronnie Wood von den Rolling Stones und der andere war ein gewisser Roland Mugli aus der Schweiz. Wir haben die Bilder von Ronnie und Roland live ausgestellt und mit meiner Band dazu gespielt. Im Hintergrund konnte man diese Bilder von diesen Malern sehen auf einer großen Leinwand sehen, 6 x 4 Meter. Und wir haben mit der Band und sechs Tänzerinnen gespielt. Das war also mehr so eine unterhaltsame Show fürs Auge, ne? Die Maler haben sehr gut verkauft, aber die Show war sehr teuer in der Produktion, sodass wir es nur zwei mal in München aufgeführt haben.
Danach habe ich mit Pete York und mit Chralie Antolini gearbeitet, diese Band nannte sich Drum-Legends. Sie war also sehr schlagzeugorientiert; die Drums standen zum Beispiel vorne und die Band stand hinten. Das ging fast anderthalb Jahre lang, bis mir Pete York dann erklärt hatte, dass er ein Angebot von Helge Schneider hatte, um dort mitzumachen. Antolini sagte mir, dass er ein Angebot hatte, wieder bei Max Greber mit zu spielen. So hat sich diese Band dann aufgelöst und ich habe mich dann 2007 entschlossen, Herman Ze German & Friends zu gründen.
Ich habe dann eine Platte gemacht, die da heißt: „Take It As It Comes“. Ausschnitte der Platte und ein Stück Video kannst du auf meiner Website sehen.
Alex: Du hattest auch einen Outlet-Store für Designerkleidung betrieben?
Herman: Ne, das hat meine Frau gemacht! Ich habe es nur bezahlt … [lacht] Meine Frau hat das ganze Geschäft geschmissen. Ich habe es damals finanziert, aber es lief nicht mehr sehr gut, weil halt die meisten Frauen alles über Internet bestellen, sprich: eBay, oder sie gehen direkt zu diesen Designerfirmen. Deshalb hat meine Frau diesen Laden nach drei Jahren geschlossen. Letztes Jahr im September.
Alex: Aktuell hast du ja ein Projekt mit Michael Schenker und Pete Way am Laufen. Kannst du uns dazu etwas erzählen? Was erwartest du dir davon?
Herman: Also, es ist zur Zeit so: Ich habe auf der neuen Michael Schenker Platte, also die der Michael Schenker Group, bei sieben Stücken Schlagzeug gespielt. Zwei Stücke hat Carmine Appacie gespielt, ein Stück Simon Phillips und Eines Chris Sldae von Manfred Man und AC/DC. Diese Platte kommt soweit ich weiß im September raus. Es ist eine sehr schöne Platte, mir gefällt sie sehr gut! Ich werde jetzt in England mit MSG auf Tournée gehen und dort sieben Konzerte spielen. Am 22. Juli, heute in drei Wochen, fängt Tour in einem Club in Bilston an, das ist bei Birmingham. Der Club heißt Robin Two. Danach spielen wir am Samstag auf einem Festival in Wales und Sonntag ist das große High Voltage Festival in London, wo wir auch spielen werden.
Danach stehen noch vier Konzerte mit der Band Black Country Communion als Special Guest an, nämlich in Leeds, Manchaster, Glasgow und in New Castle. Danach ist diese Tournée in England zu Ende.
Alex: Kann man danach noch eine Zusammenarbeit erwarten?
Herman: Man kann danach bestimmt noch eine Zusammenarbeit erwarten! Ich weiß aber nicht, in welcher Formation Michael mit MSG auftritt. Ob jetzt mit mir am Schlagzeug, oder mit Chris Slade, Carmine Appacie oder Simon Phillips. Dazu kann ich nichts sagen, das kann nur Michael entscheiden. Ich weiß auch nicht, ob dann in der Formation Pete Way, Bill Murray oder Chris Glenn am Bass ist.
Alex: Was können die Fans sonst noch für die Zukunft erwarten?
Herman: Also, mein Buch wird ab Oktober auf dem Markt sein. Man kann es dann in englischer Sprache über Amazon bestellen. Also, Amazon.com – es wird in Amerika herauskommen! Ich werde ab ungefähr Ende Oktober dort sein, um das Buch zu promoten!
Alex: Was macht das Buch besonders?
Herman: Das Buch hat 300 Seiten und erzählt die Geschichte der Scorpions. Die 20 Jahre, die ich dabei war. Also alle Details! Wie die Band aufgestiegen ist … und persönliche Sachen sind da auch drin. Es ist ein sehr, sehr interessantes Buch für einen Scorpions-Fan, also für jeden, der die Hintergründe der Scorpions kennen will.
Alex: Hast du noch ein paar letzte Schlussworte an die Fans da draußen?
Herman: Ich freue mich, dass ich weiter spiele! Und ich hoffe, dass ihr alle zu meiner neuen Band Herman Ze German & Friends kommt und euch anguckt, was ich da mache. Wir spielen nicht nur Songs von der neuen Scheibe, sondern es gibt auch reichlich Scorpions-Stücke in meinem Programm, die von ihnen teilweise noch nie live gespielt wurden. Wie zum Beispiel Passion Rules The Game, You Give Me All I Need oder auch Don´t Make No Promises You Can´t Keep, um Einige zu nennen. Natürlich gibt es in meinem Programm auch Songs aus meiner Feder, wie Another Piece of Meat oder Blackout. Es wird natürlich auch Rock You Like A Hurricane geben, das ist ganz klar, ne?
Alex: Also Herman! Ich danke dir, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast! Alles Gute und bis dann.
Moderation: Alexander Kipke

Kommentare von Besuchern

21. Dezember 2011, 19:43
Albrecht Wirth sagt:
Herzliche Grüße an Herman aus Lebach. Wir waren zusammen in Lebach in der Schule.Herman, mein Spitzname war Ben.Andere Kameraden waren Sepp Hawener, Karl Gräber (+), Charly Schirra und andere. Alles Gute! Albrecht Wirth (Ben)

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