Manilla Road – Mysterium

Kritik von: Alexander Kipke
Album-Cover von Manilla Roads „Mysterium“ (2013).
„Eine Band, die auf jedem Album anders klingt ...“
Interpret: Manilla Road
Titel: Mysterium
Erschienen: 2013
Mit welcher Erwartungshaltung soll man an die Scheibe einer Band herangehen, die schon gefühlte hundert Jahre durch die Szene geistert, aber irgendwie trotzdem nie den ganz großen Durchbruch schaffte? Etwa nach dem Motto: Irgendwas muss die Musik ja taugen, sonst würden sie nicht so lange aktiv sein können? Oder gibt es hier einen Insider-Bonus, weil solche Bands abseits des Kommerzes eine stabile Fanbase haben und unabhängig von allen Moden und Trends zu überleben wissen?
Eine dieser Bands, die es einem wirklich nicht leicht macht, mit ihren Alben umzugehen, ist Manilla Road. Der eine oder andere unter euch, wird sich gewiss an Scheiben wie "Crystal Logic", "Invasion" oder "Metal" erinnern! Viele zählen diese Alben zu Meilensteinen des Epic Metals, doch trotzdem kennen heute fast nur echte Insider der Szene die Truppe um Gründungsmitglied und treibende kreative Kraft Mark "The Shark" Shelton. Woran mag das liegen? Hat das Genre eine zu kleine Anhängerschaft? Oder liegt es eher daran, dass Manilla Road auf so ziemlich jedem Album versuchen anders zu klingen? Dabei ist es natürlich nicht leicht, jedem zu gefallen, doch schauen wir mal, was der aktuelle Output "Mysterium" zu bieten hat!
Der erste Titel "The Grey God Passes" zeigt dem Hörer sofort, in welche Richtung es gehen wird: straight forward! Ohne Umschweife wird man sofort in diese für Manilla Road typisch düster-epische Atmosphäre gezogen. Die stark verzerrten Bratgitarren sind bei diesem Track nicht gerade in Virtuosität entbrannt, aber es ist trotzdem ein solider Opener, gewürzt mit dem einen oder anderen interessanten Solo für Mark Shelton. Nach einem abrupten Break wird sofort zum nächsten Track geleitet: "Stand Your Ground". Dies ist die wohl schnellste Nummer auf der Scheibe. Das treibende Schlagzeug pulsiert sich nur so durch die Nummer, während Mark und sein Kollege Robert Park sich die Finger wund solieren. Mark vermag es auch stimmlich Abwechslung zu schaffen - direkter Anspieltipp!
Track Nummer drei lässt einem fast das Herz stoppen! "The Battle Of Bonchester Bridge" - Was ist das? Kann das ein echtes Stück Achtziger Jahre sein, dass mir gerade um die Ohren krabbelt? Sofort fühlt man sich an Balladen von Bands, wie Kansas oder America erinnert. Diese Atmosphäre kriegt man in einer solchen Form heute viel zu selten geboten. Das schöne daran ist jedoch, dass es nicht einfach platt balladesk bleibt. Ziemlich genau in der Mitte des Songs setzen die kratzigen Bratgitarren ein und man fühlt sich, als ob der Himmel über einem zusammenbricht. Das letzte mal habe ich so etwas auf dem Wacken Open Air 2011 erlebt, als Judas Priest ihr "Judas Rising" vor über 80.000 Metalheads in die Welt gedonnert haben. Schon beim dritten Titel kommt der zweite Anspieltipp!
Was wird jetzt wohl nach zwei so starken Nummern auf uns zukommen? Naja, wie man wohl instinktiv erwartet eine unter dem Einfluss des gerade gehörten eher mittelmäßig wirkende Nummer. "Hermitage" ist nicht schlecht, eigentlich ganz solide, aber man skippt jetzt doch lieber für eine Ehrenrunde zurück zum vorhergehenden Titel ...
"Do What Thou Will" klingt dann aber wieder interessant! Der Song fängt sehr heavy und drumlastig an. Das Mainriff prägt sich schnell ein, doch spätestens ab der Mitte erwartet man einen Break oder eine Variation des Riffs. Nach langsamem ausfaden geht es wieder temporeich mit "Only The Brave" weiter. Treibende Gitarren rasen einem mit ihren melodischen Riffs um die Ohren. Wirklich stark ist, wie hier wieder die epische Seite von Manilla Road zum Tragen kommt.
Zwischenzeitlich macht sich ab jetzt über kürzere Strecken etwas Monotonität breit, denn das nun folgende "Hallowed Be Thy Grave" schlägt in die gleiche solide Kerbe, wie seine Vorgänger. Das mag vielleicht daran liegen, dass Sänger Mark Shelton mit fortschreitendem Alter keine wahnsinnigen Experimente betreiben will, aber andererseits ähneln sich manche Riffs einfach zu sehr. Ob das daran liegt, dass die Gitarren bis zum Exzess verzerrt wurden und dadurch viele Nuancen verkratzt unter gehen? Dass Shelton stimmlich noch gut dabei ist und nicht nur verkrampft die Seele aus dem Leib schreit, zeigt er ja beim Akustik-Titel "The Fountain" ganz gut. Er und seine Gitarre - ganz allein mit der Musik. Man wird schon etwas wehmütig und schwelgt in Erinnerungen an alte Zeiten.
Der nun folgende Titeltrack "Mysterium" zerrt das Werk auf eine ganz neue Ebene! Mysteriös klingende Synthies, Donnergrollen, die schäumende Gicht und Regen erzeugen umgehend ein bildgewaltiges Kopfkino. Nun wird man sich wieder der wahren Größe der Truppe bewusst, die schon vor über 35 Jahren das Genre mitbegründet hatte. Der über elf Minuten dauernde Track scheint eine wahre Retrospektive quer durch das Schaffen von Manilla Road darzustellen. Psychedelisch epische Gitarrenriffs, ein doomiger Bass, das stellenweise enorm treibende Schlagzeug und Marks einmalige Stimme überzeugen auf voller Strecke.
Fazit: Bei Manilla Road war es von je her nicht leicht, eine Entscheidung über die Songqualität eines bestimmten Albums zu treffen. Die Band verändert sich einfach viel zu häufig von Scheibe zu Scheibe, aber natürlich ohne die Grenzen des eigenen Genres zu sprengen. Einerseits ist Mysterium in diesem Falle eine solide Scheibe geworden. Mit dem aktuellen Release geht es wieder mehr in Richtung des Thrash/Speed Metals, wobei natürlich immer noch viele gute Melodien dabei sind. Wer sich jedoch zum Beispiel noch an Crystal Logic erinnert, der wird wohl etwas enttäuscht sein. Vor allem ist es aber die schmutzig klingende Produktion, die einen sofort entscheiden lässt, ob man sich das Album länger als zehn Sekunden anhören wird. Für ganz junge Ohren mag dieser nach Garage klingende Touch mit einer Priese Doom gewöhnungsbedürftig sein. Aber für die älteren unter uns, kommen gewiss viele Erinnerungen an Zeiten hoch, wo es noch keine CD's gab und man tellergroße, schwarze Scheiben unter einer kleinen Nadel platzieren musste, um seine Lieblingsmusik genießen zu können.
Was bleibt abschließend zu sagen? Ohne alles jetzt auf die True-Metal-Schiene zerren zu wollen, so muss auf jeden Fall gewürdigt werden, dass Manilla Road immer noch wie eine nicht zu vernichtende alte Dampflock zwischen dahinbretternden ICE's als stabile Konstante der Szene unterwegs ist. Sie verkörpern mit ihrer Musik Werte, die man in dieser Form wohl bald kaum noch zu hören bekommt. Es lohnt sich schon deshalb in die Scheibe reinzuhören. Diese eine der letzten episch dunklen Atmosphären wird wohl auch allzu bald von hellen Sonnenstrahlen durchbrochen werden.
 
Score:
77% Gut.

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