Peter Criss – Ungeschminkt: Die offizielle Autobiografie

Kritik von: Arne Luaith
Album-Cover von Peter Criss’ „Ungeschminkt: Die offizielle Autobiografie“ (2013).
„Katzenjammer vom Katzenmann, oder: Ein Blick hinter traurige Kulissen.“
Interpret: Peter Criss
Titel: Ungeschminkt: Die offizielle Autobiografie
Erschienen: 2013
Autobiographien von Künstlern sind ja immer so eine Sache. Erstmal, weil nicht unbedingt jeder Künstler wirklich etwas zu erzählen hat. Dazu kommt, dass nicht jeder Virtuose am Instrument gleichermaßen eloquent mit Buchstaben umzugehen weiß. Zu guter Letzt ist das Feld Bandgeschichten durchzogen von Streitereien, Rauswürfen, Reunions, Drogen und was nicht noch. Wer käme da nicht in die Versuchung, das Buch zur eigenen Vita als Rachefeldzug gegen ungeliebte Bandkollegen zu missbrauchen und sich selbst in einem doch etwas helleren Licht darzustellen, was vielleicht objektiv angemessen wäre.
Anno 2013 erschien mit „Ungeschminkt“ nun die „offizielle Autobiographie“ des „Cat Man“: Peter Criss, seines Zeichens Gründungsmitglied und primärer Drummer der Hardrock-Legende Kiss, resümiert sein Leben beginnend in einer heruntergekommenen Bude irgendwo einige Jahre hinter „abgehalftert“ und mindestens fünf Breitengrade östlich von „aussichtslos“. Mit einer Knarre im Mund und dem festen Vorsatz, das eigene Trauerspiel von Leben endgültig zu beenden. So beginnt ein ehemaliges Mitglied einer der wohl bekanntesten Rockbands aller Zeiten das Fazit zur eigenen Vita.
Nun ist es bei Autobiographien ohnehin schwierig, sie wirklich zu beurteilen. Worauf kommt es dem Leser an? Akkurate Schilderung der Ereignisse ohne Lücken? Ausgewogene Gewichtung der einzelnen Jahre? Blicke „hinter die Kulisen“? Faire Behandlung der übrigen erwähnten Personen? Fans der Band mögen sicherlich im Detail analysieren, in wiefern das vorliegende Machwerk der Realität entspricht oder nicht. Ich, als bekennender Kiss-Noob, kann und will derartige Faktoren nicht in die Bewertung einfließen lassen und urteile schlichtweg über den Inhalt, die Art des Vorgetragenen und ob das Lesen nun Vergnügen oder doch eher vergeigte Zeit ist.
Zunächst fällt die qualitativ äußerst hochwertige Bindung und der Druck auf angenehm dicken, weißen Papier auf. Das Buch liegt gut und relativ schwer in der Hand. Demgegenüber präsentiert sich der Zeichensatz leider als sehr schlicht; um nicht zu sagen „abwesend“. Eine wirkliche Formatierung gibt es nicht, mit Ausnahme der wie im Englischen üblich ersten eingerückten Zeile. Der Text poltert wie eine Lawine vor sich hin, durch die mangelnde Formatierung ohne Punkt und ohne Komma wirkend. Ein wenig mehr Struktur hätte dem Lesefluss sicherlich keinen Abbruch getan. Zumindest bei den sehr schön gestalteten Farbseiten im Mittelteil des Einbandes zeigt sich dann aber doch die Liebe zum Detail. Angenehm ist auch die Schriftgröße, welche etwas größer als allgemein üblich gewählt wurde. Vermutlich ist dies auch dem Buchformat geschuldet, das irgendwo als Hybrid zwischen A4 und A5 daher kommt.
Soviel zur Technik. Doch was drin, im Einband? Peter Criss berichtet bildlich-lebhaft aus einem Leben. Dabei geht er recht detailliert auf seine Umgebung ein, wo es Not tut. Er schildert seine Gefühlswelten und Gedankengänge und lässt auch andere Personen zu Wort kommen. Insgesamt durchzieht das Buch jedoch einen recht wehleidigen Charakter. Beginnend bei der Anfangs-Szenerie, in welcher er ich als von Fans und Medien eiskalt fallengelassenes Häufchen Elend illustriert das wider die Weltenscharen an oberflächlichen und profitgeilen Nutznießern um sein Überleben kämpft inszeniert sich Criss durchaus gerne als Opfer und „der Gute“. Insbesondere im Konflikt mit seinen Kiss-Kollegen wird es öfters deutlich, dass sich der Cat-Man ungerecht behandelt und mit seiner Meinung sehr im Recht wägt. Katzenjammer vom Feinster! Nun ist das sicherlich ein Manko der meisten Biographien. Mich hat dieser Grundtenor nicht sonderlich gestört.
Ansonsten liest sich das Buch flüssig und entpuppt sich als sehr angenehme und anregende Lektüre. Sofern man immer eine gewisse Distanz zum Autor wahrt und bei allen Darstellungen kritisch bleibt, bietet „Ungeschminkt“ einen lebhaften, eingängigen Einblick in die Geschichte hinter Kiss und viele beteiligte Personen. Als entspannende Bettlektüre ebenso geeignet wie für interessierte Bandhistoriker kann hier zumindest aus handwerklicher Sicht eine Kaufempfehlung ausgesprochen werden!
 
Score:
74% Gut.

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