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Nachbericht: Russkaja/AARA – Energia Tour 2013 in Linz - 6.4.2013

Autor: Michael Voit
Pünktlich zum Erscheinen ihrer neuen CD „Energia!“ begeben sich die Wiener Balkan-Rocker Russkaja auf Tour im deutschsprachigen Raum. Start ist im Linzer Posthof, der schon vor Beginn des Konzertes, wie aus allen Nähten platzt. Die Truppe um den Ex-Stahlhammer-Sänger Georgij Alexandrowitsch Makazaria hat sich in den letzten Jahren eine stetig wachsende Fanbasis erspielt, bis ihnen 2011 die Ehre zu Teil wurde, zum ersten Mal auf dem legendären Wacken-Festival zu spielen. Genau wie 2012 und auch heuer wieder, mischt das Kollektiv das Metal-Treffen der Giganten mit ihrem Mix aus Ska, Rock und Polka ordentlich auf. Natürlich sind auch ihre wöchentlichen Gast-Auftritte bei Stermann und Grissemann in „Willkommen Österreich“ nicht ganz schuldlos daran. Die beiden Brachial-Komiker reservierten für die Truppe auf diese Weise einen ganz besonderen Platz in unseren Köpfen.
Nachdem nun AARA, die Band um Didgeridoo-Koriphäe Ali Andress, ihr äußerst ungewöhnliches Set - dargeboten lediglich mit Stimme, Tuba, Cajon, Melodica, Schlagzeug und eben Didgeridoo in allen Abwandlungen - beendet hat, bleibt ein erheiternder Nachgeschmack. Die bunte Auswahl an Kleininstrumentarien, wie z.B. Spielzeugtrompeten oder gar einem Koffer, der als rhythmische Hilfsmittel etwas zweckentfremdet wurde, dienen dem schrägen, aber extrem groovenden Hum-TaTa-Folk-Pop, als Nährboden. Gewürzt mit Mundart-Texten, teils altbekannten Melodien und Roboter-Moves, eröffnen die Vier einen Abend, wie ihn der Linzer Posthof schon lange nicht mehr gesehen hat. Ich glaube selbst Andress hatte nicht mit so vielen Zusehern gerechnet, denn zu Beginn wirkt er tatsächlich ein wenig überrascht, ob der Massen zu seinen Füssen. Nach 40 Minuten hämmernder Volksmusik-Beatz wurde auch der letzte Zweifel an ihrer Größe beseitigt und die Bühne kann für die Polka-Anarchisten Russkaja geräumt werden. Mittlerweile ist kaum noch in bzw. aus dem Saal zu kommen; Klaustrophobieker haben's heute Abend nicht wirklich leicht. Um so glücklicher bin ich, als ich nach den ersten Nummern, die vorderste Reihe verlassen kann, um in der für's Publikum gesperrten Galerie Zuflucht zu finden.
Eröffnet wird mit dem neuen Stück "Tanzi Tanzi" und der Name ist auch Programm, denn wer schon mal in den Genuss einen Konzertes der Truppe gekommen ist, weiß, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird, wenn Georgij und Co ihre Balkan-Rhythmen ins Publikum schleudern. Die Band wurde ein wenig erneuert, so fällt z.B. auf, dass Zebo Adam nicht mehr dabei ist - vermutlich um sich wieder der Hallucination Company zu widmen - und auch die Ausnahme-Violinistin Antonia-Alexa Georgiew, wurde durch die nicht minder begabte Ulrike Müllner ersetzt. Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt, dennoch haben Geigerinnen definitiv etwas Erotisches an sich, und so decken Russkaja auch diesen Bereich perfekt ab. Dadurch bekommen die teilweisen Brachial-Polka-Einlagen zusätzlich einen sexy Touch, was die Herren im Publikum sichtlich freut.
Einer schafft es sogar auf die Bühne, um Müllner für einen kurzen Moment zu umarmen. Musikalisch macht das siebenköpfige Kollektiv keine Gefangenen: Immer in Bewegung und immer mit Nachdruck wird abgefeiert, wie es nur die Russen können. Das Publikum nimmt's dankend an und verwandelt sich in eine brodelnde Masse, die beim Song "Psycho Traktor" sogar ins Rotieren gerät. Alles kreist, nach den Instruktionen des Sängers, gegen den Uhrzeigersinn. Der gesamte Posthof gleicht einem energetischen Strom. Ein beeindruckendes Bild bietet sich mir von oben. Ein zweiter Fotograf, der sich auch auf die Galerie gerettet hat, deutet mir im Vorbeigehen an, dass er heilfroh ist, nicht unten im Publikum zu stehen. Vor allem dann, als Georgij gegen Ende noch unerbittlich zur kollektiven Wampen-Freilegung animiert. Ein amüsantes Schauspiel, das einer Bierzelt-Stimmung nicht unähnlich ist. Natürlich findet auch heute wieder die ein oder andere Coverversion ins Set, was ja mittlerweile schon zur Tradition geworden ist. Und selbst der "Harlem Shake" wurde aufgegriffen, und für einen netten Ulk - als russisches Pendant - kurz angespielt.
Zwei Stunden lang brettert die im Jahr 2005 gegründete Musik-Kolchose von einer Hochgeschwindigkeits-Polka zur nächsten. Wobei der unermüdliche Einsatz der Gebrüder Gutternigg an Trompete bzw. Potete einen wesentlichen Anteil an dem treibenden Groove hat. Überhaupt ist jeder einzelne Musiker ein Meister an seinem Gerät, denn sonst wäre es unmöglich, sich so konsequent durch alle Stücke zu spielen und nebenbei auch noch zu tanzen. Nach besagten zwei Stunden ist dann allerdings die Luft raus und die Truppe beendet ihr energiegeladenes Set mit dem Titel "Wolna I Ja". Gerade rechtzeitig, um nicht in Tristesse umzuschlagen und die Leute zu überanstrengen. So bleibt Lust auf mehr und der nächste Auftritt der Kombo kann kommen. Etwas müde und gut durchgeschwitzt kehre ich zurück ins nächtliche Österreich, das erstaunlich nüchtern den Abend beendet.
Fazit: Wer den unbändigen Drang hat sich zu bewegen, aber nicht weiß wie, dem empfehle ich tunlichst ein Russkaja-Konzert zu besuchen. Hier werden Massen bewegt, Instrumente vergewaltigt und Körper entblößt. Also Summa Summarum unterscheidet sich die Polka-Orgie nicht viel von einem Rock-Konzert, was vermutlich einen wesentlichen Anteil am Erfolg von Russkaja darstellt. Man könnte ihnen eventuell ein wenig Experimentier-Armut vorwerfen, aber das wird sich hoffentlich im Laufe ihrer Karriere noch ändern, denn sonst wird das Kollektiv sicherlich auch ein Ablaufdatum haben, wie jeder Hype. Trotzdem: Muss man sie unbedingt mal gesehen haben. Drum nichts wie hin zu einem der nächsten Gigs auf ihrer laufenden Tour durch Österreich, Deutschland und die Schweiz.
Autor: Michael Voit

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