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Interview: Chaos Beyond

mit Nino Juric vom 17. Mai 2013 via Mail
Unter dem Titel „The Drawing Board“ schmeißt die österreichische Metalcore-Band Chaos Beyond am 14.6. ihr nunmehr zweites Album auf den Markt. Und, was ist so Besonderes an der Scheibe dran? Im Augenblick wird man als Konsument doch fast schon im Stundenrhythmus von neuen Releases aus diesem Genre erschlagen. Und noch dazu scheint durch die vielen Reviews hindurch, dass der Metalcore als Genre nur noch zu einem Selbstzitat besserer Zeiten verkommen sei. Es fehle an der nötigen Innovation, an neuen stilistischen Elementen und irgendwie hat man doch einfach alles schon mal irgendwo in gleicher oder ähnlicher Form gehört ...
Sind das alles nur Vorurteile und blinde Panikmache? Oder versteckt sich ein wahrer Kern hinter solch niederschmetternden Aussagen? Kann man die mangelnde Entwicklung nicht sowieso jedem Subgenre der Szene vorwerfen? Wie kann man heutzutage bei all den zigtausend Bands überhaupt auffallen, oder seine Musik an eine bestimmte Zielgruppe bringen? Ist die erfolgreiche Generation YouTube/Facebook nur ein optimistisches Medienprodukt, oder helfen diese Plattformen den jungen Musikern tatsächlich auf dem Weg nach oben? Gerade durch das Internet und die neuen technischen Möglichkeiten, kann sich jeder Anfänger wie der neue Michael Schenker präsentieren ...
Wie dem auch sei, Nino Juric - Bassist der Truppe - klärt uns einerseits darüber auf, was ihre neuste Scheibe zu einem besonderen Erlebnis macht, aber auch darüber, was es mit den ständigen Vorwürfen zum Thema Metalcore auf sich hat.
Viel Spaß beim Lesen!

Das Interview:

Alex: Hi Nino! Wie geht’s, wie steht's?
Nino Juric: Danke, ganz gut. Und selbst?
Alex: Danke, alles im Lack! Am 10.05. habt ihr euer neues Album „The Drawing Board“ und auch ein neues Musikvideo in Wien präsentiert. Wie waren die Reaktionen von Presse und Fans?
Nino Juric: Wir haben am 10.05. den Gästen im U4 erst mal nur einen kleinen Vorgeschmack auf unser kommendes Album gegeben. Die eigentliche Präsentation des Albums findet dann am 28.06. in der Szene Wien statt, zwei Wochen nach dem Release. Die Reaktionen waren überwiegend positiv. Hartgesottene Fans haben uns sofort nach dem Konzert angesprochen und gesagt, dass sie das Album kaum erwarten könnten.
Alex: Wie viel schauspielerisches Talent braucht man als Musiker, wenn man in einem Musikvideo auftritt?
Nino Juric: Das ist eine gute Frage. Wir haben uns bislang noch nicht in die schauspielerische Ecke begeben, da wir sowohl bei „My Sacrifice“ als auch bei „Crawling in the Dark“ ausschließlich mit unseren Instrumenten unterwegs waren. Bei „#oneclickaway“ brauchten wir kein schauspielerisches Talent für unsere Nebenrollen, weil wir nur Schwachsinn gemacht haben und das für uns das Natürlichste ist.
Alex: Auf wessen Idee basiert in diesem Fall die visuelle Umsetzung?
Nino Juric: Wir haben unseren verrückten Fantasien freien Lauf gelassen und haben so ziemlich das gesamte Konzept erstellt. Die tatsächliche visuelle Umsetzung wurde dann vom Ludwig von mhz.tv durchgeführt, der unbeschreiblich gute Arbeit geleistet hat.
Alex: Was kannst du uns im Allgemeinen über die neue Scheibe erzählen? Was macht sie zu einem besonderen Hörerlebnis?
Nino Juric: Mehrere Aspekte machen sie zu einem besonderen Hörerlebnis. Betrachtet man die Musik alleine, bemerkt man, dass sie äußerst vielseitig ist. Uns lag es sehr am Herzen eine CD zu machen, die nicht aus Songs besteht, welche alle nach dem gleichen Schema gemacht wurden. Es sind Songs auf dem Album, die man verschiedenen Genres im Metal zuordnen könnte. Daher auch der Name „The Drawing Board“, das Zeichenbrett.
Wir empfehlen aber allen Hörern und Hörerinnen beim Hören des Albums das Booklet zur Hand zu nehmen, da jeder Song eine Zeichnung bekommen hat, welche die Aussage der Lyrics visuell darstellt.
Alex: Wie lief der Produktionsprozess ab?
Nino Juric: Der Produktionsprozess war sehr anstrengend und aufwändig, da wir die CD in Eigenregie produziert und in mehreren Studios mit mehreren Technikern zusammengearbeitet haben. Im Großen und Ganzen lässt sich aber sagen, dass der Prozess sehr erfolgreich war und wir mit dem Ergebnis in dieser Form sehr zufrieden sind.
Alex: Seid ihr eher eine Band, die sich beim Songwriting eine feste Deadline setzt, oder nehmt ihr euch lieber die nötige Zeit und feilt so lange herum bis wirklich alles passt?
Nino Juric: Definitiv das Zweite. Es wird sehr lang gefeilt bis wirklich jeder Teil eines Songs passt und sich eine gemeinsame Zufriedenheit ergibt. Gibt es bei bestimmten Songs Zweifel, wird dieser Song bei Seite gelegt und eventuell später mit neuen Ideen verfeinert und wieder aufgefasst.
Alex: Besteht durch die vielen technischen Hilfsmittel, die man heute im Studio benutzen kann nicht die Gefahr, dass ein Song „kaputt produziert“ wird? Wann weiß man, dass alles perfekt passt?
Nino Juric: Das weiß man gar nicht, so war es zumindest bei uns. Wir tendieren dazu immer wieder neue „Fehler“ zu finden und an Dingen zu feilen, die für andere wahrscheinlich nur Feinheiten wären. Es kam mehr als ein Mal vor, dass wir einen Schlussstrich ziehen mussten, da wir sonst nie fertig geworden wären.
Alex: Wo sind die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen dem neuen Album und eurem Debüt „Confessions of a Twisted Mind“?
Nino Juric: Übertrieben gesagt, gibt es keine. „Confessions of a Twisted Mind“ war im Prinzip eine Biografie von Chaos Beyond von damals und es gibt Songs auf dem Album, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vier oder mehr Jahre alt waren. Die neue CD wurde mit einem Ziel geschrieben und die Songs sind neu, frisch und reifer. Natürlich gibt es bestimmte Elemente, die typisch für Chaos Beyond sind, aber grundsätzlich sind die beiden CDs sehr unterschiedlich.
Alex: Viele Musiker sagen, dass das dritte Album das wichtigste in der Karriere einer Band ist. Da wird sozusagen der 5. Gang eingelegt und dann heißt es „Jetzt, oder nie ...“. Wie empfindest du das?
Nino Juric: Das sehe ich nicht unbedingt so. Wenn ich an die Diskografien meiner Lieblingsbands denke, haben viele ihre „Meisterwerke“ erst nach der dritten CD herausgebracht, manche haben sogar ganz im Gegenteil nach der ersten CD nicht mehr nachliefern können. Verglichen zu den ersten beiden CDs ist man bei CD Nummer Drei sicher reif und erfahren. Mal sehen, wie das bei uns so sein wird.
Alex: Gibt es eine bestimmte Message, die ihr mit eurer Musik im Allgemeinen rüberbringen wollt? Oder ist es eher so, dass ihr mit jedem Song eine neue Message habt?
Nino Juric: Im Sinne des Albumtitels behandelt auch jeder Song ein eigenes Thema und hat somit auch eine eigene Message.
Alex: Aus welche Leuten besteht euer Publikum? Vor allem ganz junge Fans oder findet auch der eine oder andere ältere Hörer zu euch?
Nino Juric: Da wir meiner Meinung nach nicht wirklich zum derzeitigen Trend passen, würde ich eher sagen, dass eher ältere Hörer zu uns finden. Damit meinen wir aber Leute in ihren Zwanzigern, also Leute in unserem Alter.
Alex: Wie kann man heutzutage als junge Band auffallen und sich eine konstante Fangemeinde aufbauen?
Nino Juric: Heutzutage ist, allgemein gesagt, immer etwas außergewöhnliches notwendig um aufzufallen. Es muss nichts Weltbewegendes sein, manchmal reicht es auch aus, wenn man eine bestimmte Bewegung auf der Bühne kann und das schon zu seinem Markenzeichen macht. Dennoch muss aber gesagt werden, dass an erster Stelle immer noch die Musik steht. Für eine junge Band ist es am wichtigsten musikalisch gut zu sein, oft zu proben und die Songs auch auf der Bühne gut spielen zu können. Das ist die Grundlage. Alles andere, wie Choreografien oder Image folgen danach.
Alex: Dem Metalcore als Genre wird ja häufig eine gewisse Ideenlosigkeit und die Angewohnheit sich immer wieder selbst zu zitieren vorgeworfen. Wie reagierst du persönlich auf solche Vorwürfe?
Nino Juric: Die Vorwürfe sind auch gerechtfertigt, aber das gilt für jedes Genre. Jeder Musiker und jede Band, die sich streng innerhalb der Grenzen ihres Genres bewegen, werden zwingendermaßen mal jeden Trick ausprobiert haben, bis sie sich nicht über die Grenzen ihres Genres hinweg trauen. Jedes Genre hat gute Seiten, aber außergewöhnlich gute Musik entsteht, wenn sich Ideen aus verschiedenen Bereichen verbinden.
Alex: Wie wichtig ist überhaupt die Meinung von Presse und Fans? Richtet ihr euch danach, wenn ihr sinnvolle Verbesserungsvorschläge bekommt?
Nino Juric: Meinungen sind natürlich wichtig, denn konstruktive Kritik ist das, was jeden von uns besser macht. Beispielsweise hat uns die Kritik an unserem ersten Album dazu beflügelt aus dem gewohnten Schema der Shouts im Verse und Clean Vocals im Refrain auszubrechen. Natürlich gibt es oft auch Kritik, die wir wahrnehmen, aber nicht berücksichtigen, weil sie nicht sonderlich hilfreich ist.
Alex: Als 2008 gegründete Band, gehört ihr zu der von YouTube und Facebook geprägten Generation. Haben euch diese Portale irgendwie auf dem Weg nach oben geholfen? Wenn ja, wie?
Nino Juric: YouTube und Facebook haben uns definitiv auf dem Weg nach oben geholfen, weil beide sehr leicht zugänglich sind und das Teilen und Weitersagen sehr leicht ist. Insbesondere YouTube hat uns geholfen, da unser erstes Video sehr viele Aufrufe ergattern konnte uns somit einen kleinen Namen erarbeitet hat. Klassische Mittel wie Plattenfirmen, Booking und Promotion Agenturen sind jedoch immer noch der effektivste Weg.
Alex: Im letzten Jahr machte die GEMA viele negative Schlagzeilen beim Kampf gegen die illegalen Musikuploads vor allem auf YouTube. Wie steht ihr zu dieser Thematik? Sollte Musik auf solche Portalen für jeden verfügbar sein?
Nino Juric: Finanziell ist es immer schwer für einen Musiker. Portale wie YouTube oder Spotify machen es nicht leichter, da es sich aus finanzieller Sicht fast gar nicht lohnt Musik auf diesen Portalen verfügbar zu machen. Man könnte aber argumentieren, dass es in gewisser Hinsicht zur Promotion dient. Da überwiegt jedoch der Schaden leider.
Alex: Auf der anderen Seite verlangen zum Beispiel die Piraten das andere Extremum: kostenlose Musik für alle.
Nino Juric: Das ist eine utopische Vorstellung. Musik ist eine Leistung, ein Produkt, das wie jedes andere in dieser Welt mit viel Aufwand und Kosten erzeugt wird. Warum sollte Musik kostenlos sein und andere Produkte oder Medien wie Bücher und Lebensmittel nicht? Insbesondere bei Musik sind die Kosten für die Produktion dermaßen hoch, dass schon eine Diskussion darüber beinahe lächerlich ist.
Alex: Bis zu welchem Punkt, könnte man sagen, dass für eine gerade durchstartende Band die mitgefilmten Konzerte oder hochgeladene Musikvideos eher gratis Promo sind, als Schädigung?
Nino Juric: Mitgefilmte Konzerte schaden keiner Band. Kein einziger Mitschnitt eines Konzertes repräsentiert die Qualität und den Aufwand einer professionell produzierten CD. Sie sind gute Werbung für die Band und geben einen guten Vorgeschmack auf ein Konzert, dass man dann selbst besuchen sollte.
Alex: Was steht sonst noch für eure Zukunft an?
Nino Juric: Shows, Shows, Shows! Nach dem Release des Albums ist eine zweiwöchige Osteuropa Tour im September geplant. Wir spielen Shows in Polen, Russland, Weißrussland und der Ukraine. Ein zweites Musikvideo wird definitiv auch schon bald geplant werden.
Alex: Hast du noch ein letztes Schlusswort an die Fans?
Nino Juric: Natürlich. Vielen vielen Dank an alle, die uns bis jetzt unterstützt haben und auch an alle, die uns bald unterstützen werden. Wir hoffen, dass wir bald wieder bei einem unserer Konzerte gemeinsam feiern und etwas trinken können!
Moderation: Alexander Kipke

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