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Interview: Delain

mit Charlotte Wessels vom 4. August 2012 beim Wacken Open Air, in Wacken
Gerade in der härteren Musik-Szene ist es immer wieder schön, alte Freunde zu treffen. So stand als kulminantes Finale unseres Wacken-2012-Marathons mit insgesamt 20 Interviews ein Treffen mit der niederländischen Symphonic Metal Band „Delain“ an – mal wieder, denn unser letztes Gespräch mit Sängerin Charly lag zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 3 Monate zurück. Daher entschlossen wir uns, dieses Interview in der rustikalen und erstaunlicherweise relativ trocken gebliebenen Artist Area des Wacken Open Air 2012 als eine Art „Fortsetzung“ zum letzten Gespräch zu führen. Denn seien wir ehrlich – wer will sich nach einem Viertel Jahr schon wieder über das jüngste Album und die neuste Tour unterhalten? Wir jedenfalls nicht, und so sprachen wir mit dem sympathischen Rotschopf über vielerlei etwas andere – und vielleicht gerade deshalb umso interessantere – Themen.
Wie erlebte die Band ihre Show auf dem größten Metal-Festival der Welt? Wie geht man als Sängerin damit um, eine Menge beleben zu müssen, die vor der Bühne in den Wackener Sturmfluten kollektiv absäuft und in knietiefem Morast verschlickt? Und was ist eigentlich angenehmer: Die heimische Atmosphäre in kleinen Club-Konzerten mit eingeschworenen Fans, oder die schier atemberaubenden Menschenmassen auf einem Festival, das als Publicity-Boost dienen mag, dafür aber auch vollgestopft ist mit Musikfans, welche die Band vielleicht noch nie im Leben gehört haben und mit dem ersten Hören begeistert werden müssen?
Weiter ging’s mit dem Video-Dreh zur Single „We Are The Others“, grob zusammenfassbar als: Weißes Kleid und viel, viel, sehr viel(!) Papier. Wir durften nicht nur einen allerersten Blick auf das Video in seiner vorläufigen Form werfen, sondern Charly erzählte auch einiges zum Video-Dreh selbst. Wie schafft man es, ein derart komplexes Thema wie den Fall Sophie Lancaster in ein Musikvideo zu gießen? Wo liegen die besonderen Schwierigkeiten und Fallstricke dabei, ein dem Fall angemessenes Setting zu finden und dieses Niveau über die volle Länge des Tracks aufrecht zu erhalten? Wie fühlt man sich als Band, wenn man das Lied zum ersten Mal den Angehörigen des ermordeten Mädchens Face-to-Face präsentiert und tausend Gedanken in einem kreisen, ob sie es nun mögen werden oder nicht? Und fällt es einem Musiker eigentlich schwer, in einem Video plötzlich auch schauspielern zu müssen? … muss man das überhaupt? Ach ja, was hat „We Are The Others“ eigentlich mit Crowdsourcing zu tun?
In wiefern ist es überhaupt möglich, derartig schwerwiegende Meta-Messages über die Musik zu transportieren? Erreicht man die Menschen mit einer solchen Botschaft überhaupt noch, oder sind sie in breiter Masse bereits viel zu sehr von den Medien verstumpft? Viele Menschen scheinen sehr emotional auf Themen wie den Fall Lancaster zu reagieren und sich schnell damit identifizieren zu können, obwohl sie selbst andere Menschen mitunter in einer vielleicht sehr ähnlichen Art behandeln. Wie weit steht es in unserer Gesellschaft also noch mit Dingen wie Empathie oder auch einfach nur Ehrlichkeit den Anderen gegenüber? Wie kommt es, dass viele Menschen von individuellen Schicksalen hochbetroffen sind, während sie bei großflächigen Todesfällen kaum eine Regung zeigen? Wo sieht Charly die Gründe für diese obskuren Verhaltensmuster und in wiefern kann man sie mit der eigenen Musik adressieren? Welche Rolle spielt die Musik überhaupt im heutigen ethnosozialen Geflecht? Und in wieweit wirken New Age-Phänomene wie etwa Social Communities à la Facebook der zunehmenden Übersättigung entgegen sowie dem immer stärker ausgeprägten Überdruss der Menschen zueinander? Lautet die Devise „Immer mehr von immer weniger“ vor einem gigantischen Spinnennetz aus oberflächlichen – gar falschen – Kontakten, oder dominieren doch eher die positiven Aspekte wie etwa vereinfachte Kommunikation?
Zu guter Letzt unternahmen wir noch einen kleinen Abstecher in die Politik: So lebt man als Musiker in erster Linie von dem Geld, welches Menschen ausgeben, um sich ihre Freizeit zu verschönern; etwa indem sie Alben kaufen oder auf Konzerte gehen. Wie fühlt man sich als Musiker in Zeiten der Euro-Krise und im Angesicht der allgegenwärtigen hellenistischen Endzeit-Szenarien, die eine Zukunft verheißen, in der die Menschen womöglich gar nicht mehr genug Geld haben könnten, um es für Musik und dergleichen auszugeben? Enstehen da womöglich auch ganz persönliche Zukunftsängste innerhalb einer Band? Und wie steht Charly selbst zum Thema EU und der Frage, ob der Euro nun kollabieren wird oder nicht? Wie wirkt sich die Finanzkrise auf die Musikszene aus?
Dies und mehr erfahrt ihr im Interview. Viel Spaß beim Schauen!
Moderation: Arne Luaith; Fotografie: Arne Luaith; Kamera: Alexander Kipke
Wer in das aktuelle Album „We Are The Others“ von 2012
reinhören möchte, kann dies hier tun:
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