Hach, Delain … was mache ich nur mit euch? Nachdem die niederländischen Symphonic-Newcomer um Charlotte Wessels und Martijn Westerholt mit ihren Alben Lucidity (2006) und April Rain (2009) relativ schnell internationalen Erfolg verbuchen konnten, folgte mit „We Are The Others“ ein deutlich poppigerer Nachfolger, mit welchem viele alte Stärken über Bord geworfen wurde. Nichtsdestotrotz blieb eine solide LP irgendwo zwischen Female Fronted Symphonic Rock und guter Popmusik übrig, die mit großen Melodien und Charly’s charismatisch-markanter Gesangsstimme fernab Klischée-Sopranos zu begeistern wusste. Anno 2013 schieben die Jungs und das Mädel mit „Interlude“ eine sehr spezielle Scheibe als „Dankeschön“ für die Fans auf den Markt. Das mit 2 neuen Liedern, einem Remix, einer Balladenversion des Tracks „We Are The Others“, 3 Cover-Songs und 6 Live-Aufnahmen bekannter Lieder versehene Werk erhebt für sich den Anspruch, neben einem Sammelsurium an Leckerlis für eifrige Fans der perfekte Einstieg in die Welt der Delain-Musik zu sein. Ob das auch gelingt?
Diese Review fällt mir nicht ganz leicht. Nachdem wir vom Magazin bereits mehrfach mit der Band zusammengearbeitet haben, verschiedene Fotoeinsätze deutschlandweit gefahren sind und auch Backstage auf dem Wacken 2012 einige Zeit zusammen verbracht haben, hat sich schon gewissermaßen so etwas wie eine „Freundschaft“ entwickelt. Man kennt sich halt – da fällt es umso schwerer, eine objektive Bewertung vorzunehmen. Doch so sehr ich mir gewünscht hätte, „Interlude“ in den Himmel loben zu können … ich werde doch einfach nicht warm mit der Platte!
Um mein Problem mit der Platte vorweg zu nehmen: Interlude ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Die zwei neuen Songs „Breathe On Me“ und „Collars And Suits“ sind nett gemacht und gut ausproduziert, wie man es von der Band inzwischen gewohnt ist. Großartig im Ohr bleiben sie nicht. Und sofern sie im nächsten „echten“ Album nicht neuveröffentlicht werden, dürften sie auch in der weiteren Zukunft eher eine Randerscheinung im Repertoire der Band bleiben. Als Live-Bomben kann ich mir die beiden Tracks auch nicht so wirklich vorstellen. Sie gehen zwar mit ordentlich Power nach vorn, ihnen fehlen aber die hochgradig einprägsamen Melodiebögen, welche Hits wie „April Rain“ ausgemacht haben. Gewissermaßen wie Tracks auf einer B-Seite oder einer Single. Nett anzuhören, aber das war es dann auch. Der Single-Mix von „Are You Done With Me“ ist recht deckungsgleich mit der Album-Version. Ein Bisschen Veränderung hier und da, ein wenig an den Schiebereglern im Master gedreht … eher ein Experiment denn ein wirklich interessanter Track. Die Cover-Versionen von „Such A Shame“, „Cordell“ und „Smalltown Boy“ fallen grob gesprochen in dieselbe Kategorie: Für Fans ein netter Bonus und sicherlich nicht schlecht gemacht. Sind sie in irgendeiner Form spektakulär, überraschend, besonders? Leider nein. Charly brilliert wie immer mit ihrem inzwischen auch live sehr soliden Gesang. Ansonsten sind und bleiben es – naja, einfache Coversongs halt. Per se nicht schlecht, reichen sie einfach nicht aus, das „Album“ zu tragen. Als Bonus wären sie nett. Hier sind sie aber recht unspektakulärer Hauptbestandteil des Silberlings. Oder vielmehr: Sollen es sein. Die Balladenversion von „We Are The Others“ klingt auf den ersten Durchlauf erfrischend anders. Verträumt, epochal, deutlich im Tempo reduziert (logisch) und mit orchestralen Streichern unterlegt traut sie sich, einen großen Schritt vom Ur-Song fort zu gehen. Leider bleiben die Veränderungen bei genauerem Hinhören auf recht oberflächlicher Ebene. Sicherlich, einen Remix mit 180°-Wendung, Techno-Elementen oder vollgepropft mit nicht mehr wirklich ins Band-Image passenden Grunts hätte auch niemand gewollt. Ein wenig mehr Mut hätte es dann aber schon sein dürfen. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass der Track nach einer Ur-Fassung, zwei(!) Radio-Versionen und nun dieser vierten Neuinterpretation schlichtweg ausgelutscht ist. Irgendwann darf selbst die arme Sophie Lancaster einmal ruhen. Und warum ist bei ganzen 4 alternativen Versionen des Songs niemand auf die Idee gekommen, zumindest in einer Einzigen mal endlich diesen unsäglichen Kinderchor herauszuschneiden, der im finalen Chorus Charlies Stimme völlig überlagert? Sorry, aber spätestens seit Unheilig ruiniert mir derartiges Schmalzgebäck jeden guten Track. Ich kann es einfach nicht mehr hören …
Zuletzt finden sich sechs Live-Tracks auf der Platte: Mother Machine, Get The Devil Out Of Me, Milk And Honey, Invidia, Electricity und Not Enough. Hier sei der Band zunächst ein großes Lob ausgesprochen, dass sie der Versuchung wiederstehen konnten, abermals die bekanntesten und bereits mehrfach wiedergekäuten Tracks auszuwählen. Stattdessen bedienen sie ihre Fans mit Live-Versionen von Songs, die es in dieser Form so noch nicht auf offiziellem Medium zu hören gab. Sehr lobenswert! Die Abmischung der Tracks ist hingegen Geschmackssache. Der „Live“-Aspekt ist sehr stark in den Hintergrund gerückt. Die Crowds sind kaum wahrnehmbar, die Gesamtarrangements erinnern eher an Studio-Versionen. Das macht auch der hin und wieder dezent eingefadete Applaus nicht wett. Vom „Feeling“ on stage bringen die Songs nicht viel zum Hörer in die Boxen. Das muss keinesfalls schlecht sein! Ob es aber den Sinn einer Live-Version erfüllt?
Fazit:
Interlude … und in der Tat nicht mehr als ein „Lebenszeichen“ der Holländer. Gut produziert, nett in der Auswahl, unspektakulär und wenig nachhaltig im Verzehr. Eine Platte, die nicht wirklich weiß, was sie sein will. Eine reine Bonus-Kompilation für Alt-Fans? Dafür findet sich zuviel Neues auf der Scheibe. Eine Best-Of zum Gewinnen neuer Fans? Dafür sind die Tracks zu speziell und insbesondere die Cover zu wenig „Delain“. Niemand präsentiert schließlich anderer Leuts Lieder, um Werbung für sich selbt zu machen. Und auch als Live-Scheibe funktioniert Interlude nur bedingt. Zwar ist das Songmaterial gut, es wirkt in seiner Abmischung und vor allem in Verbindung mit den anderen Tracks auf der Scheibe aber irgendwie konzeptlos; und es ist zu wenig! Da die Band offensichtlich über sehr hochqualitatives Live-Materal verfügt, frage ich mich, warum man sich nicht entschlossen hat, einfach eine vollständige Live-Compilation auf den Markt zu schmeißen? Das wäre nach inzwischen 3 Alben definitiv mal an der Zeit und hätte mit den hiesigen Tracks vom Interlude als Bonus sicherlich ein echtes Hammer-Album ergeben!
So bleibt ein halbgares Irgendwas. Gut gedachtes, relativ wahllos zusammengewürfeltes Songmaterial ohne klare Linie, Profil und „Wow“-Effekte. Handwerklich sauber angegangen, aber irgendwie ohne Nachklang und Charakter. Nein, so Leid es mir tut: Mit „Interlude“ haben Delain diesmal leider nicht den großen Wurf gelandet. Als Special für einige Alt-Fans mag die Platte vielleicht noch funktionieren. Insgesamt wirkt sie aber viel zu unstrukturiert und weiß einfach nicht, was sie sein will. Tipp: Definitiv vorher reinhören und ein eigenes Urteil fällen! Nichtmal als Fan ein echtes Must-Have. Aber schlecht eben auch nicht … ein schwieriger Fall. Indes warte ich gespannt auf das 4. Studioalbum der Band.
Score:
69% Annehmbar …
Kommentare von Besuchern
22. Mai 2013, 14:36 Fanny D. sagt:
Regarding the limited edition digipack, I'd like to warn people about the FSK 0 sticker. It’s glued on the front of the cardboard and when trying slowly and gently to pull it off, the cardboard tore. I tried to pull from another side and a small piece also tore. I ended up placing my flatiron close to the cardboard and was able to pull it off but the “D” from Delain is loose.
I would suggest people try the flatiron tip from the start, like when trying to pull off a stamp, getting the steam close to the cardboard, not with the flatiron touching it of course.
I contacted Napalm about this. They are not willing to do anything about it. The sticker has to be there because of the DVD (to say anybody can buy it, how useless!). But still, those stickers aren’t made for cardboards (others are or it could be printed directly on the back) and that’s the responsibility of the company to me… Delain didn’t react (yet?).
Plus, it seems on the live songs on the DVD the sound wasn't the one recorded in that performance. You can hear Charlotte hold a note sometimes yet she's stopped singing on the video (or it's an editing issue).
Otherwise, love the album and DVD!
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Fanny D. sagt: