So manch einer traute seinen Ohren nicht, als die Nachricht von einer Wiedervereinigung, sowie einem neuerlichen Output der kalifornischen Rüpel-Rocker Ugly Kid Joe die Musikwelt überraschte. Die Truppe um Sänger Whitfield Crane und Gitarrist Klaus Eichstadt, die mit "Everything About You", "Neighbor" und dem Harry Chapin-Cover "Cats In The Cradle" - vom dazugehörigen 1992er-Album "America's Least Wanted" - ein Stück Musik-geschichte schrieben. Das erkannte wohl auch Rob Halford, der sich bereit erklärte, auf "Goddamn Devil" die diabolischen Background Vocals zu übernehmen. Und auch der Nachfolger "Menace To Sobriety" hielt die ein oder andere Perle parat, wie das augenzwinkernde "Milkman's Son" oder "Jesus Rode a Harley". Erst mit ihrem letzten Output "Motel California" von 1996 verzettelte sich die Truppe komplett und sie verschwanden in der Versenkung. Whitfield Crane tourte daraufhin ein Jahr lang mit Life Of Agony, sang zusammen mit Ice-T die Backing Vocals auf Motörhead's "Born To Raise Hell" und gründete mit einigen Godsmack-Mitgliedern Another Animal, die 2007 ein Album veröffentlichten. Kurzzeitig war er sogar als Ersatz für Sammy Hagar bei Van Halen im Gespräch; den Posten bekam aber letztendlich Gary Cherone von Extreme und das dazugehörige Album "Van Halen III" floppte wie kein Zweites. 2011 fanden Eichstadt und Crane wieder einen gemeinsamen Content und machten sich an die Arbeiten für das nun vorliegende Werk "Stairway To Hell".
Eröffnet wird mit "Devils Paradise" und schon jetzt zeigt sich, Ugly Kid Joe haben nichts von ihrer Energie und Faszination verloren: In bester Black Sabbath-Manier poltert der Song wie eine Dampfwalze aus den Boxen. Und auch Whit's Gesang erinnert streckenweise stark an Ozzy's Organ. So muss sich ein Comeback anhören: Schon beim Opener dürfen keine Zweifel aufkommen. "You Make Me Sick" setzt dann das fort, was "Neighbor" vor zwanzig Jahren so imposant begann. Erst "No One Survives" will nicht so recht zünden: Die Halbballade verirrt sich ein wenig in den Möglichkeiten und erinnert erstmals wieder an das verworrene "Motel California". Die aktuelle Auskoppelung - das freche "I'm Alright" - holt dann den Hörer wieder zurück in die guten alten Neunziger zu Ugly Kid Joe's Blütezeit. "Love Ain't True" hantelt sich leider an der Grenze von großartig und nervig entlang, denn die Kollaboration mit "Fishbone" wirkt etwas altbacken, vor allem die halb gerapten Passagen, die an den Rap-Rock-Soundtrack von "Judgement Night" erinnern und eine echt Geduldsprobe darstellen. Hingegen die Bläsereinsätze und das superbe Solo lassen den Titel andererseits unverzichtbar werden. Aber auch Balladeskes darf nicht fehlen, schon gar nicht seit dem sich "Cats In The Cradle" als solch ein Megahit herauskristallisierte und so beendet das gemütlich dahin schunkelnde "Another Beer" den regulären Teil der EP "Stairway To Hell" mit einem echten Highlight.
Kritik von: Michael Voit
Der wohl gravierendste Unterschied zu Ugly Kid Joe aus den Neunzigern sind die teilweise ernster gewordenen Texte, in denen es nicht mehr nur darum geht, jemanden einfach nur zu hassen, Streitigkeiten mit den Nachbarn, Söhne von Milchmännern oder Bekundungen wie verdammt cool man wirklich ist. Dennoch halten sie immer noch den ein oder andere Seitenhieb bereit, wie in "You Make Me Sick" und "Another Beer". Das Maskottchen "Joe" ist natürlich wieder mit von der Partie und wurde nur ein wenig dem gegenwärtigen Zeitgeist angepasst. Die Deluxe Edition wird zusätzlich mit drei Akustik Bonus-Tracks und einer DVD vom Konzert beim Download-Festival 2012 veredelt. Ihr größter und auch zeitlosester Hit "Cat's In The Cradle" hat nichts von seiner Anziehungskraft verloren und so hat das Stück nach wie vor Gänsehaut-Faktor. Die Beinahe-Unplugged-Version "Would You Like To Be There" von "Motel California" klingt besser als das Original. Nur die Akustik-Version von "No One Survives" des vorliegenden Albums fällt ein wenig hinter die beiden Vorgänger zurück. Dennoch sollte dem Sammlerstück definitiv der Vorzug gegeben werden, alleine schon wegen des kompletten Konzertmitschnittes von 2012, der die Band in ihrem Element zeigt und ein super Vorgeschmack auf die anstehende Europa-Tournee mit Skid Row bietet.
Fazit: Eine der seltenen Reunions die wirklich einwandfrei, und ohne das sonst so übliche Fremdschämen, funktioniert. Ugly Kid Joe können es immer noch, auch wenn sie der Welt den Mittelfinger nicht mehr direkt unter die Nase halten. Dabei klingen sie, als wären sie nie weg gewesen. Die Band ist sich definitiv treu geblieben, auch wenn es ihnen nach wie vor ein wenig an Originalität in der Musik mangelt. Dennoch ist ihr lässig hin gerotzter Ansatz äußerst ansteckend und die Songs tun das Übrige. Die Anspielung im Album-Titel sollten wohl auch jedem Rock-Fan geläufig sein: "Highway To Hell" meets "Stairway To Heaven", was vermutlich auf ihren neuerlichen Anstieg in den Rockolymp zurück zu führen ist, und somit ein äußert schlüssiges und vor allem passendes Wortspiel enthält. Nebenbei ist es für die jüngere Generation eine gute Gelegenheit, um zu hören, was sie in den Neunzigern verpasst haben.
Anspieltipps: Devil's Paradise, You make Me Sick, Another Beer
Score:
83% Hervorragend!
Kommentare von Besuchern
Das Verfassen neuer Kommentare ist derzeit deaktiviert.
Nicht genug?
Diese Magazininhalte könnten dich ebenfalls interessieren!
Kommentare von Besuchern