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Helloween – Straight Out Of Hell

Kritik von: Alexander Kipke
Album-Cover von Helloweens „Straight Out Of Hell“ (2013).
„Es wird munter experimentiert ...“
Interpret: Helloween
Titel: Straight Out Of Hell
Erschienen: 2013
Auf der letzten Scheibe 7 Sinners, da wollten die Jungs von Helloween es nochmal ordentlich krachen lassen, was dazu führte, dass dem erfreuten Hörer melodischer Power Metal in seiner reinsten Perfektion um die Ohren gehauen wurde. So erwartet man das ja auch von einer Genrelegende, oder? Und nun, gute zwei Jahre später steht der Nachfolger der sieben Sünden in den Startlöchern und was dabei einem die Gehörgänge runterläuft muss erst mal verarbeitet werden. Tatsächlich sind Helloween dafür bekannt gerne mal stilistisch zu experimentieren, dass sich die Balken biegen, aber auf Straight Out Of Hell haben sich die aus Hamburg stammenden Kürbisjungs selbst übertroffen.
Zu Nabatea, dem ersten Song der Platte, entstand ein Musikvideo, welches bereits im Vorfeld der CD-Veröffentlichung an den Mann gebracht wurde. Der Song selbst ist ein leicht orientalisch angehauchter Track, bei dem vor allem Bratgitarre und der typische Falsett-Kreisch-Gesang die tragende Rolle spielen. Ein klassisch druckvoller Helloween-Song, der mit seinen progressiv angehauchten Klängen einen guten Start ins bevorstehende Hörerlebnis bietet. Prompt folgt mit World of War auch die nächste rasend schnelle Nummer, die glatt von The Dark Ride oder Gambling with the Devil stammen könnte. Tatsächlich erinnert der die komplexe Thematik des Krieges behandelnde hochgepitchte Song auch konkret an einen früheren Helloween-Track. Bloß an welchen?! Also alles in allem stilistisch wieder die typischen Elemente, die einen guten, aber nicht überragenden Power Metal Song ausmachen. Sobald man auch nur im Ansatz auf die Idee kommt, das Teil irgendwo schon mal gehört zu haben, ist der Zauber verflogen ... thematisch aber trotzdem wichtig.
Aber jetzt wird's spannend! Nummer drei von Straight Out Of Hell ist der mit Effekten gemästete Song Live Now!. Ab hier wenden sich die Jungs von der Klischee-Mucke ab und quetschen ein eher poppigen Song in ein helloweeneskes Korsett. Zwar kein I Want Out, aber doch eine positiv geladene grandiose Metalhymne mit deutlicher Botschaft mit Ohrwurmfaktor! Far from the Stars klingt richtig angriffslustig. Er lässt mit seiner Kontinuität kaum einen Moment zum Verschnaufen, was eine immense innere Spannung beim Hörer aufbaut. Zwischendurch noch ein paar Thrash-Riffs mit leichtem Synthie-Gequäke im Hintergrund und dann ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Gleich noch 'ne Runde.
Und nun folgt eines der Highlights der Scheibe: Burning Sun! Hier stimmt einfach alles. Abwechslungsreiche Vocals, ein treibendes Schlagzeug, vor sich hin solierende Klampfen und ein starker Bass. Vor allem vom Mittelteil bis zum Schluss, fühlt man sich wie beim ersten Judas Priest-Konzert, wo der Himmel über einem zusammenzubrechen scheint. Allein schon durch die präzise dosierten Synthie-Klänge läuft es einem eiskalt den Rücken runter. Sobald dann noch Andi Deris Sirenengeheul dazu kommt, weiß man, dass dieser Song noch viele weitere Male die Gehörgänge durchsprinten wird. Progressive Zutaten, treffen auf bewährte Power Metal Rezeptur. Wirklich hörenswert! Dem Hörer wird hier jedoch keine Pause geboten, eher im Gegenteil. Mit Waiting For The Thunder kommt direkt gefolgt das nächste Highlight des Kürbis-Outputs. Der Klaviereinstieg mit den kurz darauf losbretternden Gitarren bildet einen im Kontrast zur Thematik positiv erstrahlenden Klangteppich. Wieder bemerkenswert ist Deris Experimentierfreudigkeit bei den Vocals, bei gleichzeitiger Reduzierung des am Anfang des Albums noch recht dominanten Falsetts. Schon seit je her spaltete der Mann die Helloween-Fanmassen, denn immer, wenn er sich an die alten Hansen- und Kiske-Klassiker, wie Future World oder I'm Alive machte, dann ging das live doch ziemlich in die Hose. Die Songs sind einfach nicht für seine Stimem geschrieben worden. Was er aber gesanglich liefern kann, wenn er mal ein wenig vom Hansen-Stil wegrückt, beeindruckt einen doch immer wieder aus Neue. Auf jeden Fall ist Waiting For The Thunder locker der Nächste If I Could Fly, bloß eine ganze Spur dynamischer. Mal sehen, wie die Truppe das Teil live umsetzen wird ...
Nach sechs rasanten Höllenrittnummern kommt jetzt die obligatorische Powerballade. Dabei muss erwähnt werden, dass Helloween im Gegensatz zu anderen Schnulzrockern gewiss nicht zu denen gehören, die andauernd irgendwelche Sülztracks raushauen. Ob in diesem Fall Hold me in your Arms nicht doch etwas zu kitschig geraten ist, sei doch jedem Hörer selbst überlassen, dass er aber atmosphärisch mit einem packenden Refrain daher kommt, das kann man dem Titel gewiss nicht abstreiten. Auch ist das Zusammenspiel von akustischer und verzerrter Gitarre gut gelungen. Feuerzeuge bereithalten! Weiter geht es mit Wanna be God. Dieser Track ist eine Hommage an Freddie Mercury und Queen, was jedem, der We Will Rock You kennt sofort klar werden dürfte. Vom Aufbau her also Altbackenes und durch die Drumumsetzung etwas "bongohaft". Schwer zu sagen, ob das gut ist, denn irgendwie hat der Song was von einem Superbowl-Lückenfüller. Gewissermaßen ist das für mich persönlich wohl der Tiefpunkt der Scheibe, da ich mit dem Song nicht viel anfangen kann. Er klingt nicht schlecht, aber doch irgendwie auf seine Art seltsam und hinterlässt ein schräges Gefühl in der Magengrube.
Das legt sich aber ganz schnell beim titelgebenden Straight Out Of Hell, wo wieder melodisch und tempogeladen typisch powermetallisch durchgestartet wird. Beim Refrain kommen dann wieder einige Synthies mit diesem das ganze Album durchschneidenden teils progressiven und teils poppigen Einlagen. Auch hier passen diese Elemente ganz gut zusammen. Gesanglich geht es Deris diesmal etwas weniger dynamisch als wie zuvor an, was nach den vorher gehörten Krachern fast schon etwas monoton wirken könnte, aber das ist nur der erste Eindruck. Vor allem der Schluss hat enormes Orhwurmpotential. Happy Metal in seiner reinsten Perfektion. Mit Asshole geht es dann wieder weg von den flockig fluffigen Klängen hin zum thrashigeren Bereich. Die Gitarren krächzen im Duell mit dem Bass vor sich hin, das Bild wird manchmal von elektronisch anmutenden Spielereien durchbrochen und alles in allem ist das eine solide Nummer. Vom Tempo her etwas ruhiger, aber definitiv nicht schlecht.
So langsam nähern wir uns schon dem Ende des Hörerlebnisses: Drei Songs stehen noch auf der Liste, wobei das folgende Years sich perfekt in das bisherige Schema einpasst. Nichts wirklich Besonderes und bei weitem nicht so experimentierfreudig, wie die vorherigen Titel. Man kann ihn sich mal anhören, aber es bleibt nicht viel hängen. Kein Ohrwurm, für den Rezensenten eher etwas von Hausaufgaben-Feeling, dass man sich da pro forma durch hören muss, wo man doch lieber nochmal Waiting For The Thunder kloppen würde. Make Fire Cath The Fly haut dann wieder in die gewünschte Kerbe! Gut vergleichbar mit WFTT, aber eine ganze Spur schneller und druckvoller gespielt. Sehr dynamisch gestalterter Song, der fast schon auf eine gewisse psychedelische Art über einen wie die Dunkelheit der Nacht hereinbricht und mit Haut und Haaren verschlingt. Definitiv einer der stärksten Songs der Scheibe. Church Breaks Down bietet dann einen etwas thrashigeren Abschluss für Straight Out Of Hell. Viele Tempowechsel, ein nettes Orgelintro und heulende Gitarren machen daraus einen würdigen Abschluss, der hoffen lässt, dass dieses nunmehr 14. Album nicht das letzte der Hamburger Kürbisjungs sein wird.
Wenn man an diese Scheibe ohne eine bestimmte Erwartungshaltung herangeht und sich den vielen stilistischen Spielereien öffnen kann, dann bietet Straight Out Of Hell eine wahre Schatztruhe an brillanten Songs. Vor allem geschieht dies weitestgehend ohne zu einem Selbstzitat zu verkommen. Hier und da erkennt man Anlehnungen an frühere Erfolgssongs, aber die Unterschiede in Umsetzung und Dynamik sind zu groß, als dass man das als eine Neuauflage oder als Selbstzitat bezeichnen könnte. In einer Zeit, wo die großen Musiker behaupten, dass jeder gute Riff schon gespielt wurde, ist es nicht leicht mit etwas Neuem aufzuwarten. Vor allem, wenn man als genrebegründende Band auch an ganz andere Erwartungen von den Fans gebunden ist.
Der einzige Makel, der mir persönlich jetzt als erstes durch den Kopf schießt, ist dass Sänger Andi Deris gewiss so seine Schwierigkeiten haben könnte, einige der Songs live zu performen. Beim Wacken Open Air 2011 wurde ja leider recht deutlich, dass er stimmlich die alten Hansen- und Kiske-Nummern von Jahr zu Jahr schlechter zu performen scheint. Es mag sein, dass es eine Durchhängerphase war und ich verstehe auch nicht, warum die Band nicht einen endgültigen Cut mit dieser Ärea macht, um nicht als eine Truppe neben Unsionic, Gamma Ray und manchmal auch Stormwarrior mit Kai Hansen das gleiche Zeug zu performen, doch mit eigenem Songmaterial ist Deris einfach besser bedient. Er wirkt um einiges souveräner, als mit den ollen Schinken der letzten Generation. Aber bei dieser Scheibe scheinen gleichzeitig auch viele technische Spielereien für diesen superben Klang herangezogen worden zu sein. Was wo genau, wird bis auf Band und Producer wohl kaum einer wissen, aber bevor die Hellish Rock Tour II die Jungs quer um die Welt geführt hat, wird man sich kaum ein Bild davon machen können, ob die Songs live genauso viel taugen, wie auf der Scheibe. Zwar wurden bei ausgewählten Shows bereits einige der Songs gespielt, aber brauchbare Aufnahmen gibt es davon scheinbar bisher noch nicht. Es bleibt also abzuwarten, was die Jungs uns da on Stage bieten werden.
Wer sich etwas mehr für den Entstehungsbackground der Scheibe interessiert, der kann sich hier unser Interview mit Bassist Markus Grosskopf ansehen, bei dem er im Hard Rock Cafe in Hamburg über Straight Out Of Hell und die allgemeine Entstehung eines Albums berichtet. Von uns gibt es jetzt erst mal auf jeden Fall satte 85 % für dieses monumentale Machwerk.
 
Score:
85% Hervorragend!

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