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Nachbericht: Seether und Heaven's Basement in der Arena Wien 2012

Autor: Michael Voit

Heaven's Basement/Seether - Arena Wien, 8.12.2012


Heaven's Basement und Seether geben sich in der Arena Wien zum Tour-Finale die Ehre. Pflichttermin für jeden Rock-Fan, der etwas auf sich hält. Auch wenn die Kombination der beiden Bands doch ein wenig willkürlich erscheint, wird sich zeigen, ob die Symbiose aus Dirty Rock 'n' Roll und Post Grunge funktioniert. Die Location ist eine der interessanteren in Wien. Sie befindet sich auf dem Gelände eines alten Schlachthofes und versprüht so einen ganz besonderen Scharm für Rock-, Punk- und Metal-Konzerte aller Art, wie auch für Clubbings und Open Air-Veranstaltungen. Außerdem wird die Arena komplett autonom und basisdemokratisch betrieben. Durch eine Art Tor gelangt man ins Innere des Geländes, in dem sich zum ersten Mal die wahre Größe des Gebäudes zeigt. Wie von einer Art Mauer werden kleinere und größere Hallen, alles Konzert - oder Clubbingsäle, umgeben. Dazwischen stehen vereinzelt Verkaufsstände für Getränke und Snacks. Alles mit bunten Lichtern beleuchtet. Hat was von einem Jahrmarkt. Man kann jedem einen Besuch hier nur empfehlen; hat ganz was eigenes. Und überall Graffiti, bis ins Innere der Hallen. Erst mal drinnen, geht eigentlich auch schon die Post ab ...
Den Beginn machen an diesem Abend die Briten von Heaven's Basement, die ihr in wenigen Wochen erscheinendes Debüt "Filthy Empire" präsentieren. Es ist das mittlerweile zweite Österreich-Konzert der relativ neu formierten Truppe in nur wenigen Wochen. Im Oktober waren sie schon im Zuge der Halestorm-Tour in Wien und lieferten einen atemberaubenden Gig ab. Die Musiker, die aus der grandiosen Formation Roadstar hervorgingen, beheimaten heute aber nur mehr ein Gründungsmitglied, nämlich Drummer Chris Rivers. Die beiden Roadstar-Alben seien jedem Southern-Hard-Rock-Fan ans Herz gelegt. Zu Hause in Großbritannien sind sie längst kein Geheimtipp mehr. Die Liste der Acts die sich Heaven's Basement schon zu Support-Zwecken ins Boot holten, liest sich wie ein Who-is-Who der Rock-Szene: Papa Roach, Buckcherry, Bon Jovi, Theory of a Deadman, Shinedown, Blind Melon, Hardcore Superstar, Tesla, Madina Lake, D:A:D, Thunder, Black Stone Cherry, Halestorm und eben Seether.
Zu John Lennon's Hommage an Timothy Leary's The Dead Experience, "Tomorrow Never Knows" betreten die vier Musiker, gehüllt in Nebelschwaden, die Bühne. Sänger Aaron Buchanan versucht sich an einer Begrüßung in gebrochenem Deutsch: "Guten Abend, Salzburg!". Na das war wohl nichts. Trotzdem ein lustiger Auftakt. Eröffnet wird mit Unbreakable, dem Titeltrack der fulminanten EP gleichen Namens und zugleich erstes Lebenszeichen der aktuellen Formation. Ein Killer von einem Song und meiner Meinung nach der derzeitige Schaffenshöhepunkt von Heaven's Basement. Davor erschien noch eine selbstbetitelte EP, allerdings mit Richie Heavenz, dem Sänger von Roadstar, der die Band 2010 endgültig verließ. Neben einigen alten Songs, liegt das Hauptaugenmerk an diesem Abend aber auf dem kommenden Album, das mit "Fire, Fire", "I'm Electric" und "Nothing left to Lose", um nur einige zu nennen, drei wahre Glanzlichter enthalten wird. Ersteres kann man sich übrigens auf ihrer Homepage für "lau" herunterladen.
Zurück zur Show: Gitarrist Sid Glover ist das optische Epizentrum der Band. Er bearbeitet bei den Folgenummern "Can't let go" und "Fire, Fire" wie wild seine Gitarre(n), die Haare fliegen und zuguterletzt, reißt er seine schwarze Les Paul herum, um sie zuerst mit den Zähnen und dann im Nacken weiter zu spielen. Das alles ist schon sehr cool und keine Minute langweilig. Nur Drummer Chris Rivers scheint sichtlich unterfordert zu sein, denn während des ganzen Sets fliegen seine Drumsticks immer wieder meterhoch in die Luft. Sänger Aaron Buchanon führt die Band fabelhaft durchs Programm und hält dabei noch das Publikum mit akrobatischen Einlagen auf Drums und Lautsprechern bei Laune! Er ist ein Mann großer Gesten. Dementsprechend reißt er, zur Untermauerung der Lyrics, die Arme immerwieder mahnend in die Höhe.
Der Sound in der Arena ist leider nicht immer der Beste und so kommt es, dass auch an diesem Abend der Klang ein wenig matschig ist, was es vor allem für die unbekannteren Stücken sehr schwer zu bestehen macht. Musikalisch gibt's bei den vier Musikern rein gar nichts auszusetzen: Buchanan trifft gekonnt jeden Ton, Glovers akrobatisches Gitarrenspiel lässt im Publikum so manche Kinnlade nach unten klappen, während Bassist Rob Ellershaw und Drummer Chris Rivers das rhythmische Grundgerüst zusammenhalten. "Fire, Fire", die neue Single "Nothing left to Lose", "Reign on my Parade", alles spielen sie mit einer Präzision und zugleich einer Freude, als wäre es ihr erster Gig. Und auch dem mittlerweile immer mehr werdenden Publikum scheint's zu gefallen: Die Menge tobt, springt und schreit, und langsam stellt sich die Frage, ob nicht doch schon der Hauptact des Abends spielt? Nein tut er nicht, denn nach 30 Minuten entlädt sich die Band nochmal komplett im Finale von "Executioner's Day" – dann ist der Spaß leider auch schon vorbei. Ein wirklich gelungenes Konzert, auch wenn die Herren enorme Poser sind. Ist aber auch egal, denn es macht Spaß ihnen zuzusehen, wie sie mit erhobenen Fäusten sich selbst am meisten feiern. So soll ein Rock-Konzert sein – laut, schnell und auch das Entertainment darf nicht zu kurz kommen. Von den Jungs wird man definitiv noch öfter hören. Was kann da jetzt noch kommen?
Der Tenor den Seether dann anschlagen, ist ein ganz ein Anderer. Die Südafrikaner sind in immer wieder wechselnden Formationen seit 2002 aktiv (gegründet wurde die Band 1999 als Saron Gas, Anm. d. R.). Einziges Permanent-Mitglied ist Sänger und Gitarrist Shaun Morgan. Hier geht es, wenn auch vorerst nur optisch, ein wenig ruhiger zur Sache. Ihr Sound ist wabernd, wuchtig und schwer. Mit "Gasolin" und "Needles" finden einige alte Songs in die Setlist und das Trio holt sich damit gekonnt das Publikum auf ihre Seite. Mittlerweile ist es so voll, dass der Versuch, ein Foto aus nächster Nähe zu ergattern, schon im Ansatz erstickt wird. Seether sind also nach wie vor eine Größe. Morgan - im gewohnten Jesus-Look - wütet sich voller Inbrunst, untermalt von Wah-Gitarren-Wänden, durch die Songs. Bassist Dale Stewart – neuerdings mit Irokese – springt wie ein wild gewordener Kobold auf der Bühne auf und ab. Der aktuelle Longplayer mit dem etwas sperrigen Titel "Holding Onto Strings Better Left to Fray" wird mit dem störrischen "For Cue" und dem wirklich großartigen "Here and Now" genauso berücksichtigt, wie der Höhepunkt des Albums "The Country Song", der ebenfalls seinen Weg ins Reportoire findet.
Die Akustik-Klampfe darf natürlich auch nicht fehlen. Und so wird das Publikum etwa in der Konzert-Mitte, mit "Broken" vom 2002er-Album "Disclaimer" belohnt, das von Morgan, gehüllt in blaues Licht, alleine auf der Bühne zelebriert wird. Im Original wurde Seether dabei von der Evanescence-Sängerin Amy Lee unter die Arme gegriffen und prompt landete man einen Hit. Eine kurze Liaison war die Folge, aber das nur am Rande. Das obligatorische Drum-Solo haben sie natürlich auch im Gepäck, das sein Finale findet, als Schlagzeuger John Humphrey die Sticks beiseite legt und die Trommel in Urwald-Manier mit den bloßen Händen bearbeitet. Interessant und durchaus unorthodox. Morgan und Stewart kehren stoisch auf die Bühne zurück und ziehen die nächste Soundwall in die Höhe. Langsam wird diese ständige Wut trotzdem lästig und ein Blick vor die Halle zeigt, dass hier der Sound eigentlich besser ist, als drinnen. Wenn auch nicht ganz so laut.
Während Seether sich den Unmut aus der Seele raunzen, irrt Heaven's Basement-Sänger Aaron Buchanan im Foyer umher und ist, während er sichtlichen Spaß am österreichischen Bier hat, durchaus bereit, ein paar Fragen zu beantworten. So erzählt er, dass die Veröffentlichung des neuen Albums von Jänner nochmal auf 4. Februar zurückverschoben wurde. Warum weiß allerdings niemand so genau: "Labels, you know!" Aber er verspricht, dass sich die Wartezeit lohnt. Seitdem das Tracklisting veröffentlich wurde, fällt auf, dass es mit "The Long Goodbye" und "Executioner's Day" zwei alte Titel aufs Debut geschafft haben, die, wie er nach einem weiteren Schluck aus der Dose versichert, beide nochmals neu eingespielt wurden. Er hofft, die Hörer hätten genausoviel Spaß daran, wie an den Originalen. Wir werden sehen ... Auf die letzte Frage, ob es nicht eine Idee wäre, sich seiner Wurzeln zu besinnen und einen alten Roadstar-Song ins Programm zu nehmen, weicht er gekonnt mit den Worten "That was long before my time" aus. Für ein Foto und einen Händeschüttler reicht die Zeit gerade noch, dann verschwindet er wieder im Backstagebereich.
Wieder zurück in der Halle, im gefühlten Jahr 1992: Seether haben einen unverkennbaren Sound, leider nicht ihren eigenen, eher aufgrund Morgans Stimme, die zum Verwechseln nach Kurt Cobain klingt, durchzogen von immer wiederkehrenden Bush-Momenten. Dann ist es auch nicht weiter erstaunlich, als sie gegen Ende "Heart Shaped Box" covern und man mit geschlossenen Augen meinen könnte, man wohne einem Nirvana-Konzert bei. Den Massen scheint's zu gefallen: Sie singen, tanzen (soweit möglich) und, ein Zeichen unserer Zeit, ein Meer aus Handys und Smartphones versucht einen Teil dieses Abends mit nach Hause zu nehmen.
Abschließend kann man sagen, ein Seether-Konzert ist wie eine Zeitreise in eine längst überholte Epoche, die viele Größen und Einflüsse hervorgebracht hat. Einerseits schön, dass man so etwas noch erleben kann, andererseits bleibt unweigerlich ein fahler Nachgeschmack. Vor allem für die Jüngeren im Publikum eine wunderbare Sache, Nirvana-Luft zu schnuppern. Leider schaffen sie es nicht den Wahnsinn eines solchen einzufangen. Das war es ja eigentlich, was Cobain & Co ausmachte. Was bleibt ist eine gezähmte Version von Nirvana. Grundsätzlich wird alles solide gespielt, aber zwei oder drei Höhepunkte sind einfach zu wenig. Mit dem letzten Ton vom "Remedy" hat dann auch die Wut ein Ende und die Band entlässt das Publikum in die eiskalte Nacht. Die daraus resultierende Frage "Welche Relevanz hat Grunge im Jahr 2012 noch?", bleibt leider unbeantwortet.
Fazit: Heaven's Basement hatten alles was ein Rock 'n' Roll-Konzert braucht: Schweiß, Posen und eingängige Hooks. "Nothing left to lose" klingt Stunden später immer noch im Ohr, obwohl Seether ihren schweren Soundteppich darüberlegten, wenn auch die Zeit mit 30 Minuten etwas knapp bemessen war.
Mein Fazit: Ein polarisierender und ernüchternder Abend! Was im Vergleich zum Support auffällt, Seether fehlt es ein wenig an Performance, wie sich eingangs schon erahnen ließ. Eine nicht ganz perfekte Kombination aus Bands. So bleibt ein Heaven's Basement-Gig mit einem Seether-Beigeschmack. Sie lieferten zwar einen soliden Show ab, aber das war es dann auch schon. Ein relativ uninspiriert runtergespieltes Set reicht halt nicht. Insbesondere dann, wenn es das finale Konzert der Tour ist. Alles in allem ein Abend mit viel Glamour, Rock 'n' Roll, einem Blick zurück, ein paar Durchhängern und sehr viel Wut.
Autor: Michael Voit
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