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Shinedown – Amaryllis

Kritik von: Arne Luaith
Album-Cover von Shinedowns „Amaryllis“ (2012).
„Melodic Hard Rock bester Güte, aber leider sehr kurz. “
Interpret: Shinedown
Titel: Amaryllis
Erschienen: 2012
Shinedown waren immer eine recht gewöhnliche Band irgendwo auf der Schwelle zwischen Post-Grunge und Alternative Rock. Solide Musik, nette Melodien, brauchbare Lyrics … aber irgendwo dann doch eine Ecke weit 08/15. Bis im Jahre 2008 das Album „The Sound Of Madness“ erschien – für mich ein ziemlicher Überraschungstitel, der die Band von einer ganz neuen Seite zeigte. Die recht belanglosen Texte waren ausgefeilten, teils sozialkritischen und teils außerordentlich emotionalen Lyrics ohne Kitsch gewichen, die Musik verband auf einzigartige Weise hochmelodische Hooklines mit harten Gitarren und einem Hauch von Southern Rock-Feeling. Melodischer Hardrock der allerbesten Sorte, um es kurz zu machen. Oft hört man, das dritte Album einer Band sei oftmals ihr bestes und stelle einen Wendepunkt in der persönlichen Musikerlaufbahn da. Für Shinedown traf das definitiv zu …
Dann wurde es zumindest auf unserer Seite des Atlantiks relativ Still um die Mannen um Vocalist Brent Smith. Bis nun 2012 nach knapp 4 Jahren das vierte Studioalbum „Amaryllis“ folgt. Mit hohen Erwartungen darf man an diesen botanesk benannten Longplayer herangehen, und wird nicht enttäuscht … oder doch?
Zunächst fällt auf, dass Shinedown den „Hard Rock-Aspekt“ ihrer Musik stärker in den Vordergrund rücken als noch zu TSOM-Zeiten. Die Musik kommt deutlich heavier daher, die meisten Stücke gehen im Uptempo-Bereich druckvoll nach vorn und lassen kaum Pausen zum Verschnaufen. Seien es die Single-Auskopplung „Bully“, das energische „Enemies“, das druckvoll orchestrierte „I’m Not Alright“ oder das gitarrenscheppernde „Miracle“; um nur einige zu nennen. Krach wird auf Amaryllis an allen Ecken und Enden gemacht. Lediglich „Amaryllis“ selbst und „I’ll Following You“ steuern noch in eine Richtung, die man als „power-balladesk“ bezeichnen könnte. Der durch sein sehr softes Arrangement deutlich aus der Masse herausstechende Low Tempo-Closing Track „Through The Ghost“ hätte dann sogar echtes Lagerfeuer-Potential als Unplugged-Nummer. Ansonsten scheppert Amaryllis aus allen Boxen, ohne jedoch überinstrumentiert oder einseitig abgemischt zu sein. Dennoch – die Vielseitigkeit eines TSOF vermisst gefühlt etwas, obwohl die Band eigentlich doch experimentierfreudiger an die Sache herangeht. Härter und Schneller heißt halt nicht immer automatisch auch „Besser“. Ich hätte mir durchaus ein oder zwei weitere Downtempo-Nummern gewünscht. Gerade diese waren auf TSOF die wahren Perlen, in welchen Shinedown sowohl lyrisch als auch stimmlich zu unerreichter Hochform aufliefen. Ein „What A Shame“ sucht man auf dem neuen Album vergeblich. Absoluter Höhepunkt von Amaryllis dürfte sowohl in lyrischer als auch melodischer Sicht der Sturmbrecher „For My Sake“ sein. Selten habe ich eine derart authentische Abhandlung einer Beziehungssackgasse gehört, wie sie wohl jeder von uns in seinem Leben schon viel zu oft erlebt hat. Gerade der generisch gehaltene Text dürfte dafür sorgen, dass jeder die Musik mit seinen ganz eigenen Erinnerungen füllt. Episch!
Die Produktion kommt druckvoll mit satten Höhen und Tiefen daher. Hier kann sich der Audiast wahrlich nicht beschweren. Auf technischer Ebene bieten Shinedown beste Handwerkskunst auf allerhöchstem Niveau. Weniger gelungen ist hingegen die Spielzeit der Platte, die mit knapp 43 Minuten am unteren Ende der Messlatte kratzt. Gerade nach der sehr langen Pause von 4 Jahren seit The Sound Of Madness hätte hier definitiv etwas mehr drin sein müssen. Nun weist die Platte keine echten Filler auf, weshalb die kurze Dauer des Vergnügens ein zu verschmerzendes Manko darstellt. Etwas mehr wäre trotzdem schön gewesen. Selbst The Sound Of Madness bot fast 10 Minuten mehr Material. Die Lyrics kommen gewohnt souverän daher und sprechen emotionale Themen wie Abschied und Trennungsschmerz (For My Sake), Oberflächlichkeit (Nowhere Kids), unappetitliche Feindschaften (Enemies, Bully) und natürlich das allseits beliebte Thema mit großen L am Anfang an. Leider schaffen die Jungs es nicht immer, ihr textlich hohes Niveau durch die ganze Platte zu halten und rutschen gerade beim Thema Liebe hier und da in unerträglichen Kitsch („I'll follow you down through the eye of the storm. Don't worry I'll keep you warm.”) Insgesamt ist das aber Meckern auf hohem Niveau, und die paar Ausfälle seien der Band gerne verziehen.
Summa summarum legen Shinedown mit Amaryllis eine verdammt gute Platte vor, die sich zwar vom altbekannten Post-Grunge etwas in Richtung härterer Gefilde entfernt hat und dadurch ein wenig monotoner wirkt als noch der Vorgänger. Dennoch sprüht das Album nur so vor Kreativität, Eigenheit, Spielfreude und textlicher Raffinesse, auch wenn hier und da kleine Ecken und Kanten hervorstehen. Gutwillig könnte man dies aber auch positiv auffassen und es zum sehr eigenen Shinedown-Stil zählen. Denn seien wir ehrlich, plattproduzierte Alben großer Künstler gab es ohnehin schon viel zu viele in letzter Zeit. Musikalisch schaffen es die Jungs, sich zu kopieren, ohne sich zu kopieren. Kaum etwas ist wie es war, man merkt der Band ihre Entwicklung sehr deutlich an. Und doch ist das Album zu jeder Zeit und bei jedem Track 100% Shinedown. Die Texte bewegen sich zum übermäßigen Teil auf sehr hohem Niveau, Breitwandgedudel oder hohles Liebesgesäusel findet man hier zum Glück nicht. Das einzige, was doch negativ aufstößt, ist die kurze Spieldauer – auch wenn das heutzutage ja schon fast Gang und Gebe ist und manch andere Band sogar noch weniger Output liefert.
So bleibt ein Melodic Hard Rock-Album bester Güte, ohne echte Lückenfüller, ohne Ausfälle, mit guten Texten, tollen Hooklines, astrein produziert und mit wenig Abnutzungserscheinung beim wiederholten Hören, dafür leider sehr kurz. Zwar können Shinedown ihr „Wunderwerk“ von 2008 nicht in den Schatten stellen, postieren jedoch einen sehr hochwertigen Platzhirsch nur wenige Meter dahinter. Was will man mehr?
Anspieltips: For My Sake, Unity, Through The Ghost
 
Score:
82% Hervorragend!

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