„To live is to suffer... But to listen is to enjoy! “
Interpret: Dawn of Destiny Titel: F.E.A.R. Erschienen: 2014
Am 07.03.2014 erscheint Dawn of Destinys fünftes Studioalbum: F.E.A.R. (Forgotten.Enslaved.Admired.Released.). Da bereits die vier Vorgänger zu meinen absoluten Favoriten zählen, waren meine Erwartungen, was das neue Album betrifft, besonders hoch.
Nach dem ersten Hören war ich dann total geflasht. Mein Eindruck war durchwegs positiv, ich habe es als absolut mitreißend und berührend empfunden. Das hat zahlreiche Gründe.
Bei „F.E.A.R.“ ist Dawn of Destiny der Geniestreich gelungen, etwas Neues zu schaffen und darüber trotzdem nicht das Alte zu vergessen – sie haben trotz Innovation einen extremen Wiedererkennungswert. Bei ihrem fünften Album wurde das jetzt deutlicher denn je, weil es sich trotz Gemeinsamkeiten noch einmal in gesonderter Form von seinen vier Vorgängern abhebt, was bereits am Cover ersichtlich ist.
Das liegt zum einen an dem völlig neuen Konzept, der Geschichte um Eve und Ben. Denn „F.E.A.R.“ ist ein Konzeptalbum, aufgeteilt in die vier Akte „Forgotten“, „Enslaved“, „Admired“ und „Released“. Das Album zeichnet die Geschichte zweier Kinder im Waisenhaus nach: Eve, die seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt und von ihren Eltern deshalb verlassen wurde, und ihren zunächst heimlichen Beschützer Ben, der die Gefühle und Gedanken desjenigen erfährt, den er berührt. Eve, die gerade glücklich geworden, vergewaltigt wird, Ben, der ihren Schmerz und die Gedanken des Täters spürt, dafür grausame Rache übt. Es geht um deren wunderbares Finden als auch ihr unausweichliches Verlieren, denn bereits der Prolog des Albums lässt kaum Zweifel daran, wie die Geschichte enden wird.
Jens Faber, der jeden Song und jeden Text geschrieben hat, hat sich über dieses Grundgerüst glaubhaft der unterschiedlichsten Themen gewidmet. Da wären Lieder über das Verlassenwerden (Forgotten), über Kindesmissbrauch und Rache (Enslaved), über Zweifel und tiefe Liebe (Admired), sowie Verzweiflung und Trauer (Released).
Obwohl jeder Text für sich genommen auf gewohnt hohem Niveau ist, verleiht die Geschichte dem ganzen einen Rahmen und tieferen Sinn. Das Album ist dadurch sowohl lyrisch als auch episch anspruchsvoll. Die Texte aus Sicht der Charaktere sorgen dabei für eine erhöhte Identifikation und rufen Empathie hervor. Von diesem Konzept weicht Faber kein einziges Mal ab, was dem Album definitiv zu Gute kommt. Er redet nicht über jemanden, die Charaktere sprechen selbst, was die ganze Handlung noch dramatischer macht, als sie ohnehin schon ist.
Doch auch jemand, der sich nicht für Lyrics interessiert, wird von „F.E.A.R.“ begeistert sein. Das wird von verschiedenen Merkmalen von Dawn of Destinys Musik bedingt. Zum einen weist das Album eine sehr hohe Dynamik auf. Ruhige und härtere Stellen wechseln sich ab. Selbiges gilt für Tempo-Wechsel. Zudem haben sie in vielen Fällen Lieder nach hinten hin gesteigert und musikalisch auf ein songinternes „Finale“ hingearbeitet. Die Melodien sind einnehmend und vielseitig, der Aufbau teilweise progressiv, sehr häufig wird mehrstimmig gesungen. An Eingängigkeit haben gerade die zumeist gemeinschaftlichen Refrains nochmal entschieden zugenommen. So eine Faber-Melodie ist einfach ganz groß, weil sie teilweise gar nicht so komplex klingt (auf die Refrains bezogen), aber trotzdem unheimlich mitreißt.
Dabei spielt der Gesang gleichfalls eine große Rolle. Jeanette Scherff, die ich nach anfänglicher Skepsis bereits auf „Praying to the World“ als Gewinn empfunden hatte, hat sich jetzt voll und ganz als solcher bestätigt. Sie ist wirklich eine sehr gute Sängerin, die ihre Stärken auf dem Album sehr gut ausspielen kann! Das gilt sowohl für die tiefen Parts, in denen die Wärme ihrer Stimme gut zur Geltung kommt (ein Beispiel wäre die gefühlvolle und unheimlich traurige Ballade „To Live Is To Suffer“), als auch für die höheren, bei denen ihre Stimme fast unerwartet klar klingt (z.B. "Rising Angel"). Dabei verliert sie weder in die eine noch in die andere Richtung etwas von ihrer Ausdruckskraft. Eve kann sie dadurch perfekt verkörpern. Sie transportiert über ihre Stimme die verschiedenen Emotionen wie Freude („Finally“, „Prayers“, beides mit Track 10 besonders interessant für Fans von „Miracles“),
Hoffnung („Waiting For A Sign“), Trauer („My Memories“) und Schmerz (würdig, sensibel und sehr glaubwürdig umgesetztes „Innocence Killed“) gekonnt.
Das gilt selbstverständlich auch für Faber selbst, den „Mann mit den hundert Stimmen und tausend Melodien“. Wenn man eine so variationsreiche Stimme wie er hat, dann sollte man sie auch ruhig einsetzen. Die Entwicklung von ihm als Backing Vocalist hin zum Co-Sänger finde ich daher optimal für Dawn of Destiny. So ist es ein voller Gewinn, dass er zum ersten Mal in der Geschichte der Band einen Song alleine gesungen hat, den gleichfalls längsten Song ihrer Karriere: One Last Time. Das eine Lied, das vielleicht erst mit der Zeit gewinnt, dem man diese aber auf jeden Fall geben sollte, denn sowohl gesangstechnisch als auch musikalisch entfaltet es dann seine volle Wirkung. Aber auch auf dem Rest des Albums übernimmt Faber durch seine Rolle als Ben vermehrt Gesangsparts außerhalb der vergangenen Grunting-Exzesse – und er macht das gut! Er und Jeanette passen einfach richtig gut zusammen (siehe das temporeich-emotionale „Then I Found You“ und vieles mehr).
Aber nicht nur mit Jeanette harmonisiert er optimal. Häufig ist es bei dem Einsatz von Gastsängern so, dass die ganze PR nur auf diesen aufbaut und dass das Album tatsächlich von diesen lebt. Bei Dawn of Destiny ist das definitiv nicht der Fall! Sowohl Jon Oliva (Savatage/hier: „No Hope For The Healing“) als auch Mats Levén (Therion, Candlemass, Yngwie Malmsteen, Treat, Krux,…/hier in der Rolle des Vaters beim kraftvollen Einstieg „And With Silence Comes The Fear“) sind ein eindeutiger Gewinn für das Album, aber sie dominieren es nicht, fügen sich vielmehr perfekt ins Gesamtbild ein. In diesem Zusammenhang ist es auch bemerkenswert, dass Faber gerade im Song „No Hope For The Healing“ (außergewöhnlicher Rachesong) nicht neben Jon Oliva (der seine Rolle perfekt mit Emotionen wie Hass und Trauer ausfüllt) untergeht, es ist einfach eine grandiose Zusammenarbeit.
Dies mag vielleicht weniger verwundern, wenn man die Bandgeschichte betrachtet: Jens Faber (Bass), Veith Offenbächer (Gitarre) und Dirk Raczkiewicz (Keyboard) sind als Gründungsmitglieder ein eingespieltes Team, was man ihrer Musik und dem gekonnten Spiel ihrer Instrumente durchwegs anhört.
Würde ich bei Dawn of Destiny nun eine Songanalyse durchführen, so könnte ich die einzelnen Tracks nur mit „sehr gut“ bewerten. „F.E.A.R.“ geht aber noch darüber hinaus. Denn ein Album ist mehr als die Summe seiner Bewertungen. Was Dawn of Destinys fünftes Album ausmacht, ist eine Mischung aus Ausdruckskraft und Gefühl, Härte und Sanftheit. Sowas lässt sich nicht in Worte fassen oder analysieren, es geht um das Empfinden beim Hören. „F.E.A.R.“ ist für mich persönlich ein Album, das musikalisch, gesanglich und textlich glänzt wie seine Vorgänger, aber darüber hinaus ein Konzept aufweist, das die Band deutlicher denn je von der Masse abhebt.
„Forgotten. Enslaved. Admired. Released.“ - Hoffentlich ein weiterer Schritt in eine Richtung, in der die Band immer mehr Menschen mit ihrer Musik erreicht. Angst vor einer Enttäuschung braucht hier niemand zu haben.
Tracklist:Act I: Forgotten
1. And With Silence Comes The Fear
2. Waiting For A Sign
3. My Memories Act II: Enslaved
4. Innocence Killed
5. End This Nighmare
6. No Hope For The Healing Act III: Admired
7. Rising Angel
8. Finally
9. Prayers
10. Then I Found You Act IV: Released
11. One Last Time
12. Dying In Your Arms
13. To Live Is To Suffer
Anspieltipps: And With Silence Comes The Fear, Innocence Killed, No Hope For The Healing, Rising Angel, Then I Found You, To Live Is To Suffer,…
Score:
91% Höchste Kunst!
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