Was macht Musik künstlerisch wertvoll? Ist es die ganz besondere Einzigartigkeit eines Songs oder eher seine breitenwirksame Popularität? Es kann doch nicht sein, dass eine Komposition nur dann einen gewissen Wert hat, wenn damit ganz nebenbei auch gleich ein neues Genre begründet wird ... oder etwa doch? Wenn ein anderer Musiker mit seiner Komposition zwar nicht das Rad neu erfindet, aber dafür Millionen von Menschen bewegt, ist das dann ein auch für zukünftige Generationen künstlerisch bedeutendes Werk?
Bis zu einem gewissen Punkt dürfte die Antwort auf diese Frage auf jeden Fall im Ermessen des Hörers liegen, aber aus welcher Perspektive schaut ein Künstler auf diesen Sachverhalt? Die Antwort darauf liefert uns Charlotte Klauser, Sängerin der deutschen Alternative Rockband The Black Sheep.
Außerdem berichtet uns Charly in diesem Mail-Interview von der Fertigstellung des zweiten Albums, den Möglichkeiten heute noch zwischen all den wie Pilze aus dem Boden sprießenden Bands aufzufallen und von der Aufgabe, welche Musik in unserer heutigen Gesellschaft erfüllt.
Viel Spaß beim Lesen!
Das Interview:
Alex: Hi Charly! Ich danke, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst! Wie geht’s?
Charly: Danke, ziemlich gut.
Alex: Was steht gerade bei „The Black Sheep“ an?
Charly: Wir sind mit den Aufnahmen für unser zweites Album fertig und planen gerade alles wichtige für die Veröffentlichung. Parallel ist ein Song vom neuen Album der Titelsong des deutschen Kinofilms [a]„Kleine Morde“[/s] geworden, der Ende September in die Kinos kommt. Der Song zeigt eine andere Facette von uns, die sonst nicht auf dem kommenden Album zu hören ist. Das ist gerade ziemlich spannend. Und solange spielen wir einige Shows und Festivals und genießen die Ruhe vor dem Sturm.
Alex: Was ist für euch als Band interessanter, Live-Auftritte und ausgiebige Tournéen oder die Arbeit im Studio?
Charly: Ich persönlich genieße besonders die Abwechslung dazwischen. Im Studio ist man ziemlich stark auf sich fixiert und muss eine gewisse Ruhe und Konzentration mitbringen. Dafür kann man sich bei Konzerten richtig auslassen und explodieren. Wir lieben beides, wobei ich uns definitiv eher als Live-Band sehe. Daher kommen wir und es ist auch letztendlich das, worum es geht ;-)
Alex: Wie geht ihr im allgemeinen beim Songwriting vor? Versucht ihr nach bestimmten Strukturen und Mustern zu arbeiten, oder spiegeln die Songs im Grunde euch als Menschen zum Zeitpunkt des Entstehens wieder?
Charly: Das ist ziemlich unterschiedlich. Wir haben nun ziemlich lange an diesem Album gearbeitet. Die Entwicklungsphase hat sogar auch mehrere Besetzungswechsel innerhalb der Band überdauert. Auch dadurch gab es vielleicht viel Stoff und Input aus verschiedenen Richtungen. Aber natürlich spiegeln die Songs unsere Gedanken und Gefühle wieder, die wir so erlebt haben oder die uns beschäftigen. Heute zum Beispiel würde ich wieder andere Songs schreiben, mit anderen Themen.
Alex: Viele Bands haben das Problem, dass sie entweder richtig gute Live-Acts sind und dafür im Studio total abstinken oder umgekehrt. Wie findet man die Balance zwischen guter Studio - und Live-Band?
Charly: Hmm ... eine gute Band ist eine gute Band ;-)
Nein, es ist wichtig, dass man miteinander gut harmoniert, dass man auch rein musikalisch kommunizieren kann, man einen guten, abgestimmten Sound und einfach wahnsinnig viel Spaß zusammen hat. Das hört man im Studio und das spürt man vor allem auch auf der Bühne. Somit ist das Training für beide Aspekte sehr ähnlich. Man muss es einfach schaffen seine gefühlte Energie nach außen zu bringen und das funktioniert im Idealfall auf Platte „fast“ genau so gut wie bei Live-Auftritten.
Alex: Welche Möglichkeiten hat man als junge Band heute noch irgendwie aufzufallen, nachdem das musikalische Angebot und die damit verbundene Auswahl durch das Internet für jeden Nutzer extrem gestiegen ist?
Charly: Dass sich der Musikmarkt in den letzten Jahren verändert hat, ist ja nun nichts neues mehr. Jeder sucht sich aus dem Internet genau das heraus, was er hören möchte. Prinzipiell war es früher nicht anders. Es gibt Musik, die Menschen berührt und die gehört werden will, im kleinen, wie im großen Rahmen. Das hat sich nicht geändert. Also glaube ich nach wie vor daran, dass man einfach eine Band ist, sein Ding durchzieht und sich mit gewissen Handgriffen gut promoten kann, trotz oder auch gerade aufgrund der Internet-Welt.
Alex: Ozzy hat ja mit dem Abbeißen des Kopfes einer Fledermaus zur damaligen Zeit schockiert, wo heute kein Hahn mehr danach Krähen würde. Wie weit würdest Du sagen, ist es für Künstler ethisch vertretbar für den Ruhm bei solchen Aktionen zu gehen?
Charly: Naja, letztendlich muss das jeder für sich selbst entscheiden. Ich persönlich wäre einfach nicht sonderlich stolz auf mich, wenn ich durch solche Aktionen das Interesse an mir oder meiner Band bei anderen wecken würde. Es gibt sicherlich Bands, die auch sonst eine spezielle Weltanschauung, eine politische Message oder sonst was vermitteln möchten, und da machen krasse Aktionen eher Sinn. Einer Fledermaus den Kopf anzubeißen gehört da weniger zu, aber der Auftritt von Pussy Riot, der um die ganze Welt ging, hat ja definitiv eine gehörige Aufmerksamkeit bekommen. Auch wenn für einen hohen Preis...
Alex: Was war der Grund dafür, dass ihr euch „The Black Sheep“ als Bandnamen ausgewählt habt? Viele andere Bandprojekte tragen bereits den gleichen Namen …
Charly: Es stimmt, es gibt ein paar weitere Bands. Einen Rapper, eine norwegische Blasorchester-Truppe... Trotzdem fanden wir den Namen bei unserer Gründung vor 10 Jahren passend, und finden das immer noch. Schon als „kleine Mädchenband“ sind wir gegen den Strom geschwommen. Ja, das tun andere Bands und Künstler auch, aber wir durften uns in der Vergangenheit echt schon so einiges anhören. Weil wir sehr jung waren, weil wir weiblich sind, weil wir nicht brav nach der Schule studiert haben, und weil wir trotzdem immer weiter gemacht haben.
Alex: Ist es denn aus promotionstechnischen Gründen eher sinnvoll einen kurzen und knackigen Namen zu wählen, oder mit so verrückten Titeln, wie „We Butter The Bread With Butter“ oder „Vampires On Tomatoe Juice“ die Bühnen der Welt zu stürmen?
Charly: Haha, ja, mittlerweile gibt es viele solcher langen Nonsens-Namen, wie z.B. auch „Die Toten Crack Huren Im Kofferaum“. Das ist teils echt sehr amüsant, aber ich denke nicht, dass man dadurch automatisch den Bekanntheitsgrad steigert. Der Name muss einfach gut passen und ein stimmiges Bild mit Band und Musik vermitteln. Dann bleibt der Name auch hängen!
Alex: Viele Musiker da draußen sind verdammt talentiert, teilweise seit Dekaden in der Szene aktiv, doch trotzdem fast völlig unbekannt. Dafür machen andere um Längen weniger talentierte Playbackbands das große Geld. Woran könnte das liegen?
Charly: Das ist echt so ne Sache... Es gibt z.B. bestimmte Genres, die einfach nicht so viele Abnehmer finden. Das hat dann gar nichts mit der Qualität zu tun, sondern eher, dass sie recht speziell ist und nicht viele etwas damit anfangen können. Wenn man die breiten Massen ansprechen möchte, ist es natürlich einfacher sich der Nachfrage anzupassen. Auch wenn das platte Tanzmucke ist und Playback am besten funktioniert. Das muss jeder für sich entscheiden, wo er sich als Musiker sieht.
Ich glaube fast jeder träumt davon genau den Mittelweg gehen zu können: Die Musik, die einen persönlich berührt, machen zu können und genau damit andere Menschen anzustecken und Erfolg haben zu können! Wir versuchen das ja auch nicht erst seit gestern...
Alex: Welche Musik würdest Du persönlich als künstlerisch wertvoller betrachten: Die authentische von Musikern selbst komponierte und gespielte, oder die von irgendwelchen Casting Acts, die weniger Virtuos ist, aber dafür viel mehr Menschen erreicht?
Charly: Künstlerisch wertvoller, das ist eine interessante Frage. Natürlich es es vom künstlerischen Aspekt her wertvoller, wenn jemand etwas neues, eigenes erschafft und damit vielleicht sogar eine neue Epoche einleitet, oder eine musikalische Revolution anstößt. Ich muss aber auch sagen, dass ich vor Songwritern, Produzenten und deren Showpüppchen (aus einer Castingshow oder nicht), die einen Hit nach dem anderen aus dem Ärmel schütteln, trotzdem großen Respekt habe. Die beherrschen ihr Handwerk, nutzen ihren Vorteil in der Musik-“Industrie“ und letztendlich gibt es viele glückliche Käufer dieser Alben. Ich muss mir das ja nicht von morgens bis abends anhören ;-)
Alex: Was ist eigentlich die Funktion von Musik in unserer modernen Gesellschaft?
Charly: Musik bringt seit jeher Menschen zusammen. Man erlebt etwas Gemeinsames, ohne sich unterhalten zu müssen. Oder man hat schnell ein Thema, über das man sich unterhalten kann. Kurz: Musik macht das Leben reicher!
Alex: Würdest du sagen, dass Musik wirklich das Potential hat etwas zu verändern, oder zeigt sie nur auf, was in der Welt schief geht und wo wir handeln müssen?
Charly: Nicht jeder Song oder jede Band hat den Wunsch die Welt zu verändern. Einige möchten das gerne, werden aber nie gehört. Und wieder andere treffen zum richtigen Zeitpunkt exakt den Nagel auf den Kopf und Songs werden zu einer Art Hymne für einen Umbruch.
Ich selber möchte von Musik meistens nicht belehrt werden, das wäre mir viel zu anstrengend. Aber wenn dann „Smells like Teenspirit“ in meiner Playlist läuft, kommt schon ein bestimmtes Gefühl in mir auf. Irgendwie klingt der Song nach Freiheit. Und das, obwohl ich 1991 noch nicht mal selbstständig laufen konnte ;-)
Alex: Was wäre für Dich persönlich ein Punkt, bei dem Du dringenden Handlungsbedarf siehst?
Charly: In Bezug auf das Musikgeschäft finde ich es schade, wenn Musiker generell über die Musikbranche schimpfen, den „Kommerz“ verurteilen und somit den Geschmack der großen Masse in Frage stellen. Menschen, die sich nicht mit Musik auseinandersetzen, können nur das hören, was angeboten wird. Ihnen bleibt nicht immer viel Auswahl, wenn das Angebot der großen Radiostationen ziemlich eingeschränkt ist und, ich sag´s einfach mal, nur über „platte“, schon 1000mal-gehörte Popsongs verfügt. Es ist in dem Falle nicht Schuld der Zuhörer, sondern der Menschen, die oben sitzen und aufgrund der schlechten Musikmarkt-Situation nichts mehr wagen wollen. Wenn da etwas passieren würde, wäre bestimmt vielen jungen, aufstrebenden Künstlern geholfen.
Alex: Was steht sonst noch für die Zukunft der Band an?
Charly: Wir werden als nächsten Schritt erst mal unser zweites Album veröffentlichen und dann sehen, wie es nächstes Jahr weiterläuft. Auf jeden Fall werden wir viele Konzerte spielen, ein paar Videos veröffentlichen und einfach weitermachen. Irgendwelche besonderen Aktionen werden uns auch noch einfallen, z.B. ein Konzert mit komplettem Orchester oder eine Tour in China... Wir werden sehen! :-)
Alex: Hast Du vielleicht noch ein letztes Schlusswort an all die Fans da draußen?
Charly: Viele unser Fans warten nun schon ziemlich lange geduldig auf unser nächstes Album. Die Gründe dafür sind bekannt, man hat es momentan einfach nicht leicht! Wir sind sehr stolz auf die jahrelange Unterstützung bis hierhin und freuen uns jetzt endlich mit den neuen Songs und dem neuen Album etwas zurückgeben zu können! Wir sind gespannt, wie es ankommt und was als nächstes passiert! Vielen Dank!!!
Alex: Nochmals vielen Dank für Deine Zeit und Mühe! Alles Gute für die Zukunft!
Moderation: Alexander Kipke
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