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Interview: Herman Rarebell

vom 10. Februar 2013 via Phone
Ungefähr ab Ende 2010 schlich langsam und erst mal noch ziemlich unauffällig die Info durch die Szene, dass Michael Schenker an einem neuen Projekt arbeiten würde. Zuerst schien es nur eines dieser Phantome zu sein, die zwar etwas Großartiges zu verkünden scheinen, aber auch keine wirklich handfesten Informationen oder Details zu der im Kopfe des Musikers keimenden Idee bieten können. Doch schon bald kamen erste Ankündigungen zum Line-Up, dass der Klampfendrescher Michael um sich scharte.
Neben Schenker selbst an der Gitarre, holte er sich Michael Voss ans Mikro, Wayne Findlay ans Keyboard, Pete Way an den Bass und seinen Ex-Kollegen bei den Scorpions, Herman Rarebell, ans Schlagzeug. Zusätzlich dazu sollten dann noch Gastmusiker, wie Slash, William Shatner, Robin McAuley, Doogie White, sein Bruder Rudolf Schenker, Michael Amott, Leslie West, Don Airey, Paul Raymond, Neil Murray, Carmine Appice, Simon Phillips, Chris Slade oder Brian Tichy das anstehende Album zu einer Sammelsurium an bekannten Namen des Hard Rocks und Heavy Metals mutieren lassen. Gut, Slash hat es dann aus terminlichen Gründen leider nicht geschafft, doch wenn man als Journalist so eine Ankündigung liest, dann fängt's an in den Fingern zu kribbeln. Die erste Frage, die sich dann stellt ist: Wird das etwas werden? Oder ist das wieder so eine Traumblase, die über die zu ehrgeizige Idee nicht hinaus kommen wird?
Solche Soupergroups sind ja nicht gerade dafür bekannt, mit ihren Songs etwas besseres zu kreieren, als die Hauptbands der einzelnen Mitglieder es tun würden. Auch die Halbwertszeit ist nicht gerade sehr hoch, da der Erfolg der Hauptbands nicht erreicht wird, oder die Egos der einzelnen Musiker zum Kollaps der Band führen. All das hat es im Verlauf der Musikgeschichte mehr als zur Genüge gegeben. Deshalb genießt man solche Geschichten doch erst mal eher mit Vorsicht und wartet dann mit seinen Lobpreisungen, bis aber erste Output der Truppe hörbar wird.
Und siehe da! Michael Schenker hatte es tatsächlich geschafft! Das fertige Album bekam den treffenden "Temple of Rock". Die ganze Backgroundgeschichte dazu, könnt ihr in unserem 2012 in Hamburg gefilmten Interview mit Michael hier ansehen. Als Reaktion auf die Scheibe hagelte es nur so von gute Rezensionen. Eine ausgiebige sowie bis heute andauernde Tour stand auch ganz prompt an. Der Clou war nun, dass mit Michael und Herman zwei Ex-Scorpions in der Band waren und die beiden auf die Idee kamen Francis Buchholz, den ehemaligen Bassisten der Truppe in die Band zu holen. Mit drei Ur-Skorpionen wurde aus diesem Temple of Rock sogleich eine "Lovedrive-Reunion-Tour", mit Songs sowohl aus Michaels ehemaligen Bands – z.B. UFO, MSG u.a. - als auch mit den von Herman selbst oder co-komponierten Sorpionssongs.
Wie das nun alles im Detail ablief, was man vom zweiten Album der Band – „Bridge The Gap“ - erwarten kann und ob das Projekt nun mit dem festen Kern-Line-Up immer noch "nur" Michaels Soloband, oder ein eigenständiges Bandprojekt geworden ist, erfahrt ihr unserem ausführlichen Gespräch mit Herman. Auch berichtet er von seinem ersten Einsatz als Produzent, seiner Tätigkeit als Professor in China und über eine ganz besondere Akustik-Platte, die Ende des Jahres unter Beteiligung diverser Gastsänger erscheinen soll.
Viel Spaß beim Lesen!

Das Interview:

Alex: Moin Herman, wie geht's dir?
Herman: Hey, Alex! Du bist ja pünktlich wie ein Maurer! Mir geht's ganz gut. Hast mich gerade noch erwischt ... ich fliege heute nach Münster. Michael Voss kennst du ja, wir werden heute die Schlagzeugsachen für die neue Michael Schenker-Platte machen. Das werde ich diese ganze und die kommende Woche aufnehmen. Zwölf Songs hat er mir geschickt und bisher muss ich sagen, dass das supergeil ist! In den Principal Studios machen wir das, wo auch die Toten Hosen oder Unheilig ihre Songs aufnehmen. Das liegt in der Nähe von Münster auf so einer großen Farm, aber sehr ruhig. Und schön große Räume haben die auch, für das Schlagzeug damit wie geschaffen.
Da wird man sich sowohl als Heavy-Metal-, als auch als Hard-Rock-Mann sehr freuen, das neue Material zu hören.
Alex: Das glaube ich gerne! Die letzte Scheibe, also Temple of Rock, die war eines der Highlights im Jahr 2011.
Herman: Das glaube ich auch. Und bei dem Ding jetzt, würde ich sagen, dass es uns als Band noch besser ausdrückt. Mit Temple of Rock hat man schon eine gewisse Handschrift bekommen und die Leute haben dann gemerkt, wo die Reise hin geht. Ich glaube mit dieser neuen Platte, da werden sich die Fans ganz besonders freuen. Es geht also wieder, wie man so schön sagt, zur Sache!
Alex: Hast du auch irgendwelche Songs zur Platte beigetragen, oder sind die alle von Michael geschrieben?
Herman: Das ist zur Zeit, ich muss wirklich zur Zeit betonen, noch alles von Michael und Doogie geschrieben. Das ist das erste Angebot, dass dann so kommt. Und ich nehme mir dann meistens das Recht heraus und sage: "Hey da fehlt aber noch eine geile Ballade." Oder da fehlt halt noch ein Mid-Tempo-Song, doer so. Ich höre das dann beim ersten mal praktisch wie ein Außenstehender. Manchmal werden diese Vorschläge dann auch angenommen und manchmal nicht ... (lacht)
Aber ich denke mal, dass wir mit diesem Konzept gut gefahren sind, bei dem was wir machen. Live spielen wir ja auch noch unseren alten Songs aus der musikalischen Vergangenheit. Michael seine Sachen von UFO und MSG. Die kommen dann ja so mit den Scorpionsstücken zusammen, dass das bei den Leuten richtig gut ankommt.
Alex: Ich habe vorhin bei dir auf der Seite gelesen, dass das neue Album „Bridge The Gap“ heißen soll. Hat der Titel eine tiefergehende Bedeutung für euch?
Herman: Das musst du Michael über die Details ausfragen! Ich bin da ehrlich gesagt auch noch erklärungsbedürftig. Das wird sicher eine Bedeutung haben, aber Michael wird dir das alles am besten beantworten können …
Alex: Ja, wir hatten gerade erst vor kurzem mit ihm gesprochen, der Albumtitel war da leider noch nicht bekannt gegeben worden, aber er betonte, dass die Musik im Allgemeinen eine „self expression“ für ihn ist. Das was dann musikalisch entsteht, sei eine einzigartige Farbe, die ihn repräsentiert. Wie kannst du als Musiker auf diese Farbe eingehen oder ein Bestandteil von ihr werden?
Herman: Da kann ich sehr gut drauf eingehen. Du weißt ja, wir kennen uns schon ein paar Tage … dadurch, dass wir schon seit vierzig Jahren zusammen spielen, ergänzen wir uns sehr gut in der Denkweise. Und ich weiß auch immer, was er so ungefähr hören will. Das kriegt er dann auch von mir. Und die Vorlagen, die er mir gibt, die inspirieren mich auch in der Weise zu spielen, wie ich spiele. Wir kommen einfach vom selben Background und wir sind mit den selben damals groß geworden. Led Zeppelin, Jimmi Hendriy und die ganze damit verbundene Ära, die hat uns sehr geprägt. Damals kamen ja grandiose Musiker heraus.
Aber ich würde nicht sagen, dass es einfach nur Michaels eigene Farbe ist, die er mit der Musik malt, sondern er gibt die Grundfarbe an und wir pinseln da dann praktisch mit an dem Bild. Das ist doch klar! (lacht) Ich meine, ich bringe da ja auch durch meine Persönlichkeit und mein Spiel etwas ein. Das selbe gilt auch für Francis und Doogie, die ihren Stempel eindeutig auf das fertige Produkt aufdrücken. Da weiß man sofort, dass es Doogie oder Franics ist.
Alex: Jetzt bei dem zweiten Album, da stelle ich mir die Frage, ob ihr immer noch "nur" Michaels Solo-Band seid, oder ob dieser „Temple of Rock“ zu einer eigenen Band gewachsen ist?
Herman: Das ist die Frage, die wir uns gerade auch stellen! (lacht)
Aber er sieht uns als seine Band. Er ist natürlich nach wie vor der Boss, weil von ihm die gesamte Idee ausging. Ursprünglich haben er und ich uns mal getroffen in unserer Heimat in Brighton und er wohnt da nur 300 Meter von mir entfernt. Da war noch am Anfang ein ganz anderer Plan mit Pete Way, das hast du ja alles mitverfolgt. Und Irgendwann kam dann die Frage, ob wir nicht noch Francis dazu holen sollten. Dann könnten wir nämlich die Scorpionsstücke noch spielen. So hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass diese Ur-Besetzung, also mit den drei Scorpionen in der Band, auf jeden Fall bleiben wird. Ich denke auch, dass Doogie bleiben wird. Ich finde, was er als Sänger abliefert ist world class. Er ist auch ein super netter Typ, wenn man mit ihm Tourt. Ich denke mal, dass diese Band vorläufig die von Michael Schenker sein wird. Wir nennen uns dann ... also wir drei sind dann praktisch „Temple of Rock“ - Michaels „Tempel of Rock“. Das ist eine Frage, die du ihm vielleicht mal selber stellen solltest? (lacht)
Er ist auf jeden Fall guter Dinge. Ich kenne ihn ja seit über vierzig Jahren und wie er zur Zeit spielt, damit ist er gerade absolut in top Form. Du hast uns ja live in Hamburg gesehen! Weißt was abgeht? Der Junge ist total top!
Alex: Man hört gerade ganz oft, dass die Scorpions, die raus aus der Band sind, musikalisch interessantere Projekte am Laufen haben, als die verbliebene Scorpionsband!
Herman: Ja, das kriegen wir nur noch zu hören! Das kriegen wir in Emails bestätigt und die Leute sagen, so würden wir uns wünschen, dass die Scorpions spielen würden, wie ihr jetzt spielt. Aber vergiss eins nicht, wir haben noch die Frische und sind an einem Punkt angelangt, wo wir alle sagen: "Jetzt wollen wir es einfach noch mal wissen." Während die anderen an einem Punkt angelangt sind, dass sie so satt sind, dass ihnen alles kackegal ist. Das ist nicht gut.
Alex: Die haben ja jetzt am 18. Januar verkündet doch nicht abzutreten ...
Herman: Was soll ich dazu sagen? Ich hatte ja schon alles mitgeteilt zu diesem Thema. Erinnerst dich doch? Das war genau das, was ich vorhergesehen habe ... da fühlt man sich als Fan ziemlich betrogen. Wenn ich heute noch in der Band gewesen wäre, hätte es einen massiven Aufstand meinerseits dagegen gegeben. Wenn man etwas sagt, dann sollte man sich auch daran halten, da man sonst in den Augen der Fans unglaubwürdig wird. Die Leute nehmen dich dann auch nicht mehr Ernst bei dem, was du tust.
Wir werden auf jeden Fall, das kann ich dir versprechen, sobald die neue Scheibe draußen ist, sehr Ernst genommen werden, weil es da wieder richtig zur Sache geht. Und ich habe wirklich seit zwei Wochen nur da gesessen und geübt. Das hat mir so viel Freude und Spaß gemacht, sodass man auch merkt, dass man sich als Trommler weiterentwickelt. Das hat mir sehr gut getan. Michael Schenker fordert mich einfach sehr gut mit dem Zeug, dass er vorher komponiert und was er am Schlagzeug haben will. Das fordert mich und es freut mich. Da kommst du dann selbst auf neue Ideen: Spiel mal so und mach mal das. Das ist schon geil. und wenn wir zusammen spielen, hast du gehört, das geht ja ab wie ein Uhrwerk
Alex: Die Scheibe hatte sogar einen ziemlich progressiven Einschlag, wie man z.B. bei „Before The Devil Knows You're Dead“ hören konnte!
Herman: Das ist der neu Weg, den wir beschreiten wollen, denn mit dem neuen Album werden fast nur noch so'ne Dinger kommen! (lacht)
Das ist richtig schön heavy. Da wird man sich sowohl als als Hard Rock- als auch als Heavy-Fan richtig freuen ... ich habe die ganzen sachen jetzt soweit drauf und dann fangen wir morgen früh mit Vossy um zehn an und nehmen die ersten Schlagzeugsachen auf. Vielleicht machen wir einfach nur Drumsound und probieren ein wenig herum. Wir sind ja beide Drumfreaks und dann kannst du dir vorstellen, wie der Drumsound wird. Das ist eine ziemlich gewaltige Sache. Ich arbeite gerne mit Vossy, weil er extrem schnell ist. Und wenn ich ihm irgendeine Idee sage, dann kann er sie auch sofort umsetzen. Ich hasse es, wenn ich mit Soundleuten im Studio bin und ich habe ne Idee, aber bevor ich das umsetzen kann, bin ich eingeschlafen. Dann habe ich das auch schon wieder vergessen.
Alex: Ich habe gesehen, dass du Anfang Januar selbst etwas für eine andere band produziert hast. Was kannst du uns darüber erzählen?
Herman: Du meinst „Unbreakable“? Die Band gefällt mir sehr gut. Die sind jung und frisch ... haben sehr gutes Songmaterial! Da gibt es schon einige Snippets auf Facebook und so. Geht doch einfach mal auf ihre Website http://www.unbreakable-music.com, da gibt es alle Infos und auch erste Hörproben. Ich schicke dir das Teil dann demnächst zur Review.
Alex: Alles klar, freue mich schon drauf! Wir hatten letztens auch eine Rezension eurer neuen Temple of Rock-Live-Scheibe veröffentlicht. Die ist ein wirklich starker Output geworden!
Herman: Du wirst lachen, aber das ist die Reaktion, die ich von allen Freunden und Bekannten bekomme und die sind immer sehr ehrlich. „Das ist der Hammer, wie ihr da spielt und wie das rüberkommt.“ Ich finde auch, dass der Voss da einen supergeilen Sound gemacht hat. Und die Bilder kommen da auch supergeil rüber. Ich weiß zwar nicht deine Meinung, aber ich denke über dieses Produkt ganz ehrlich, dass es klasse ist.
Alex: Vor allem das Bonusmaterial vom Highvoltage Festival war großartig. Richtig energiegeladen, und die Special Guests haben auch super Laune gezeigt. Die Meister alle auf der Bühne zu sehen war eine echte Freude.
Herman: Hammer, nicht? Dieses Highvoltage Festival war hammermäßig. Und das meine ich ja ... ich denke mir mal, was du da auf der Bühne gesehen hast, das wird auch irgendwann in der nahen Zukunft, wenn da wirklich mal Schluss ist mit den anderen, dann wird dieses Bild auch so regelmäßig stattfinden. Also ich kann mir vorstellen, dass die Schenker Brüder dann irgendwann mal zusammen spielen werden. Dann würden sie mich wieder fragen, ob ich trommeln will, was meinst du wohl, was ich sage? Ich würde natürlich ja sagen! Ich könnte mir so etwas auf jeden Fall vorstellen. Was auch immer kommen mag, es wird kommen! Auch mit Unbreakable könnte ich mir vorstellen, dass das zum Beispiel eine Band ist, die gerade in China oder auf dem asiatischen Markt im Allgemeinen extrem gut ankommen wird. Erstens, weil sie alle gut aussehen, noch sehr jung sind - so 18 bis 24 - und sie spielen schönen kommerziellen Rock, der auch in die Birne geht und dort hängen bleibt. Sie haben gute Energie und einen supergeilen Sänger. Hört euch das alle einfach mal an!
Alex: Da fällt mir auch glatt ein, also die Live-DVD betreffend, dass der Kollege Michael Voit folgendes geschrieben hat: "Der Ur-Skorpion Herman ist ein Tier an den Drums, da darf man sich von dem vertrauenerweckenden Netter-Onkel-Blick nicht täuschen lassen."
Was hältst du davon?
Herman: Geil und richtig treffend geschrieben! (lacht)
Ja, pass auf ... wenn ich in meinem Element bin, das ist nun mal das Schlagzeug, dann mach ich die Augen zu und spiele. Damit bin ich dann auch völlig drin und fühle das. Dann werde ich auch zum Tier. wenn ein Song tierisch ist, dann fühlt man sich eben wie ein Tier. Das ist auch keine Schauspielerei, sondern ein ehrliches Gefühl. und Freude an der Musik. Das ist es ja, was mir so an der band gefällt. Ich fühle mich wie früher, als wir Kids waren. Die Leute merken das. Findste nicht? Man sollte meinen, dass wir ehrlich Freude haben.
Alex: Auf jeden Fall! Im Vergleich zu den Scorpions ... also diese Wackenshow von 2012 war ja ziemlich uninspiriert runtergedudelt ...
Herman: Das ging wie 'ne Jukebox runter! Leider hat uns auch keiner als Special Guests zum Abschied eingeladen. Das ist sehr traurig, aber ich laufe auch keinem hinterher. Das Angebot oder die Einladung muss von denen kommen. Da müssen sie sagen: "Hey, willst du vielleicht ein paar Songs mitspielen?" Das ist leider nicht passiert. Aber was nicht ist, kann ja noch vielleicht werden.
Alex: Wenn ich richtig gehört habe, dann warst du bei einer Show in Nancy der Scorpions als Special Guest für einige Songs on Stage. Was kannst du uns dazu erzählen?
Herman: Weißt du, ich kenne die Joel Kielhofer, die war auch früher unsere Promoterin und sie hat Michael und mich am 2. Juni 2012 da zu spielen eingeladen. Wir saßen dann da am Nachmittag mit ihr zusammen und da wurde mir dann gesagt: „Ne, heute ist gar nichts, du kannst mit Uli Roth spielen und Uli Roth ist Headliner“. Ich sagte: „Was, das kann doch wohl nicht wahr sein?!“ „Doch!“, haben sie geantwortet. „Das wollen sie nicht“. Ich fragte: „Warum denn das?“. Weil ich mit Francis spiele? Ist das Kinderkram, oder was soll das? Da musste ich wirklich lachen. Weißt du was ich dann gesagt habe? „Kein Problem, ich spiele mit Uli! Sag denen einen schönen Gruß!“ Dann kam Uli auch schon und fragte: „Was machen wir denn?“ Lass uns einen Song spielen, den wir schon 35 Jahre nicht mehr gespielt haben! The Sails of Charon, den machen wir heute live.“ Er sagte nur: „Alles klar! Weißt noch, wie es geht?“ „Ja, ich habe die Platte zur Hand.“ Und das haben wir dann abends da gespielt. Es ist tierisch angekommen und über zehntausend Leute sind geblieben. Und Uli hat einfach eine geniale Show geliefert. Ich war auch tierisch gut drauf an dem Abend. Aber ich habe eben nur einen Song mit ihm gespielt ... und ich sollte ursprünglich mit den anderen mehrere Songs spielen. So'ne Ansage ist mir dann aber auch zu kindisch. Dann sag ich auch nur: „Wenn ihr meint, alles klar!“ Das ist doch wie im Kindergarten ...
Alex: Was hältst du denn persönlich von Bands, die ihre Live-Outputs im Studio nochmal nachbearbeiten?
Herman: Da halte ich überhaupt nichts von und wenn du dir unsere Live-DVD anguckst, dann merkst du, dass gar nichts nachbearbeitet ist. Das Schlagzeug kannst du sowieso nicht nachbearbeiten, da du da den Raumsound und so hast. Das musst du so nehmen wie es ist und wenn du einen Fehler spielst, dann musst du den so stehen lassen. Bei den Gitarren ... ja, da könnte man technisch etwas ausbessern. Aber Michael ist einer, der mag das nicht. Der ist ein Typ, der live so spielt. Er hat nichts zu verbergen. Das hast du ja gesehen, wie er live spielt! Da braucht man gar nicht lange reden ... er spielt so, fertig, aus! (lacht)
Und Francis spielt auch so, wie man ihn live hört. Genau so ist es auch bei Doogies Gesang. Was soll man da groß ausbessern? Ich weiß nicht, wie es bei anderen Bands aussieht, aber wir sind live einfach so, wie die Fans es sehen und hören können.
Alex: Kennst du zufällig Shinedown? Wie ich gehört habe, haben die Jungs bei einer Live-Veröffentlichung einfach den CD-Sound drüber gelegt.
Herman: Naja, gut ... wenn sie so schlecht sind? Das ist ziemlich dreist! Ich meine, das haben wir doch gar nicht nötig. Meinst du Michael Schenker hat es nötig da seine Gitarre nochmal zu overdubben? Und ich kann's eh nicht ... man kann ja sehen, wie ich live arbeite. Da gibt's nichts zu reparieren und wenn ich mich da mal verspiele, dann muss ich es akzeptieren und so stehen lassen auf der Live-Aufnahme. Und in Holland, da habe ich mich an dem Abend verspielt bei „On And On“ Das habe ich dann auch einfach stehen lassen ... keiner hat etwas dazu gesagt und da meinte ich zu mir selbst, dass ich wahrscheinlich der einzige auf der Welt bin, der das überhaupt weiß. Das ist nur mir aufgefallen! (lacht)
Aber ist ja wurscht! Du siehst: nobody is perfect. Ich vermute mal, dass die Leute sich das auch denken und das auch so sehen können. Wenn da etwas mal kurz schräg klingt oder so, dann klingt es halt eben schräg. Das macht doch gerade den Charme der Live-Musik aus, oder? Das ist bei uns in dem Falle, wenn wir am spielen sind und wir haben so ungefähr eine Woche gespielt, dann sind wir eingespielt. Dann läuft das auch ab, wie ein Uhrwerk! Konntest dir ja in Hamburg ein Bild von uns machen. Da waren wir auch richtig gut eingespielt. Da wir uns auch alle schon sehr lange kennen, weiß man ungefähr, was der andere gleich macht. Das ist einfach so.
Alex: Wie war es denn eigentlich mit Francis nach so langer Zeit wieder zusammen zu arbeiten?
Herman: Du, das war mal wieder gut, sich auszukotzen oder auszusprechen. Mal Sachen, die im Raum gestanden haben, wo man jahrelang nur noch über die Anwälte gesprochen hat von Auge zu Auge zu klären und zu sagen: "Hey Alter, sag mal was los ist!"
Wir sind also alle wieder im Klaren, wobei jeder seinen eigenen Standpunkt hat. Und ich denke mal, dass ich respektiere, was er mir gesagt hat. Er respektiert das, was ich ihm gesagt habe. Wir waren ja zusammen Jahrzehnte lang das Rhythmusteam der Scorpions - Die ganze Rhythmusmaschine dahinter! Und wenn wir beide zusammen spielen, dann klingt das wie eins. Man hat da eben zwanzig Jahre lang zusammen gespielt ... das ist ja ganz klar! Da weiß ich dann ganz genau, was er machen wird und er weiß ganz genau, was ich an der Bass-Drum spiele. Dann doppelt er das ab und hast du nicht gesehen. Man kennt sich eben.
Alex: Also auch wieder eine freundschaftliche Beziehung?
Herman: Was heißt "freundschaftliche Beziehung"? Sagen wir es mal so: Es gab Momente in unserem Leben, wo die Freundschaft enger war. Das hat einen ziemlich Knacks gegeben mit dieser ganzen Geschichte von 1992, die ganzen Prozesse, die danach geführt wurden und in Vergleichen geendet haben. Das sind dann alles Dinge, wo du lang genug sagen kannst: "Bitte, was soll das?" Darüber haben wir auch gesprochen, dass wir uns heute nur noch auf die Musik konzentrieren wollen. So wie in alten Zeiten. Und dementsprechend wird das alles supergeil werden. Die Leute wollen das fertige Produkt ja auch kaufen. Die Band spielt besser denn je und ich denke mal, dass man noch viel von uns hören wird! Jetzt gehen wir in diese neue Platte rein und viele sagen, dass da einiges auf euch zukommt. Es wird heavy!
Alex: Wir waren ja jetzt auch bei Gamma Ray bei der Produktion ihrer neusten EP dabei und es schien alles - wenn man als Außenstehender dabei ist - auf den ersten Blick so wuselig und unkontrollierbar chaotisch zu sein. So als ob man als Band zwanzig Jahre lang zusammen verbracht haben muss, um den Überblick nicht zu verlieren ...
Herman: Ja, das ist so! Du wächst als Band zusammen. Und wenn da dann komplizierte Riffs sind und so, dann musst du auf der selben Ebene sein, wie die anderen Bandmitglieder. Und wenn das tatsächlich gemeinschaftlich erschaffen wurde in den letzten Jahrzehnten, dann wächst du auch genauso zusammen, wie ein Rad, wo immer an jedem Schräubchen ein bisschen mehr gefeilt wird, bis es perfekt passt.
Alex: Und endet dieser Prozess irgendwann? Dass man sozusagen perfekt aufeinander abgestimmt ist?
Herman: Ich persönlich hoffe nicht! Wir haben ja schon da drüber gesprochen, wo ich auch sagte, dass sich das Wissen, welches sich in den vielen Jahren angesammelt hat, an einem Tag von einem achtjährigen Jungen bereichert werden kann, der sich hinters Schlagzeug setzt und irgendwas spielt, was du noch nie gehört hast und wo du auch nie drauf gekommen wärst. Da sagst du: "Wow! Das ist aber geil!" Und solche Wunderkinder, die gibt es auf der ganzen Welt verstreut. Da brauchst du nur mal auf YouTube gehen und schon findest du eins neben dem anderen! Es ist einfach erstaunlich. Und das ist das schöne, dass du gerade in diesem Beruf als Musiker nie auslernst, weil immer etwas musikalisch Neues entsteht. Das betrifft den Rock in allen seinen Varianten. Du weißt, was ich meine? So ist es auch bei verschiedenen Musikrichtungen so. Für mich gibt es ja eh nur zwei Sachen: Gute und schlechte Musik. Ich bin davon überzeugt, dass es auch gute Blaskapellen gibt. Ich kenn' bloß keine ... (lacht)
Ich meine, wenn du da sitzt und du musst dir die Ohren zuhalten, weil alles schräg ist, dann ist es Zeit aufzustehen und zu gehen. Oder du stehst da shakest ein bisschen drauf und sagst: Boah, ist das geil! Und das ist das schöne an der Mucke, du brauchst nicht viel zu reden. Gerade so bei eingefleischten Fans und Leuten, die Ahnung haben. Und die wissen das alle! Sie schreiben es mir immer wieder. „Wir haben dich da gehört, das war ja so geil, wie ihr gespielt habt!“ Wenn ich mir da die Scorpions live angucke, dann ist das wie ein lahmer Opa-Haufen. Das denke ich mir aber ist manchmal, wenn man immer da selbe macht, dass man sich ganz schnell in einer Tretmühle befindet. Das ist natürlich nicht gut. Musik braucht Entwicklung! Change ...
Alex: Aber keinen Wind mehr ...
Herman: Naja gut ... wie gesagt, der Song war der kommerziellste Erfolg der Scorpions. Er hat aber auch viele Fans gekostet, weil die Hard Rock- und Heavyabteilung von diesem Tage an weg blieb. Und die andern, die sind nur ein mal gekommen ... die Hausfrauen, die das hören wollten. Ich will den Song nicht runterputzen, im Gegenteil! Es ist ein sehr tiefer Song, weil er eine bewusste politische Wende gebracht hat. Bei der Vereinigung zwischen Ost und West, da hat er glaube ich viel mitgewirkt. Ich denke mir mal, dass wenn man sich Bands anguckt, wie zum Beispiel Queen, die hatten ja mehre solcher ganz kommerziellen Hits. Auf der anderen Seite konnten sie, wenn sie wollten, ganz schön heavy spielen. Als ich sie mal gesehen hatte, da war mir der Mund offen, ne? Gerade bei Brian May und so. Das muss man dann auch respektieren, dass die da auch so können.
Alex: Sag mal, eine Frage, die ich häufig gestellt bekomme ist die, wie sich das Drumspiel beim Hard Rock und beim Heavy Metal unterscheiden. Gibt es da überhaupt für den Laien merkbar hörbare Unterschiede?
Herman: Naja, ich meine, wenn du jetzt zum Beispiel etwas heavy, so richtig heavy empfindest - wie zum Beispiel der Song „Kashmir“ von Led Zeppelin - eindeutig darstellt. Das ist für mich richtig heavy. Dödödött, Dödödött! Das Schlagzeug lebt und ist voll auf den Punkt gespielt, dass du manchmal denkst, du fällst nach hinten um. Das wäre mehr so die heavy-Art und dann gibt es Stücke, wo ich sage, dass das Hard Rock ist, wie zum Beispiel bei „The Boys Are Back in Town“. Früher gab es diese Begriffe ja überhaupt gar nicht. Das wurde erst später geprägt, diese Schublade. Aber als das passierte, da haben wir diese Musik schon acht oder neun Jahre gespielt. Da gab's dann die unendlichen Varianten von Thrash und wie sie alle hießen ... und die mit dem Haarspray in Hollywood in den Achtziger Jahren, also der ganze Hair und Glam Metal. Das hatte ich ja alles noch hautnah mitbekommen. Danach war dann sowieso nur noch eine unendliche Anzahl an Beschreibungen für die verschiedensten Rockrichtungen im Gebrauch. Erinnerst dich doch sicher noch an all die Bands von damals? Twisted Sister oder Poisoned zum Beispiel und wie die alle hießen ... dann auch noch der Punkrock, der Speed Metal, etc. Die Begriffe schienen unendlich.
Was ist denn zur Zeit so in? Dieser Gothic Rock, ne? Naja, wir spielen auf jeden Fall kein Gothic Rock ... (lacht) Das was wir auf dem neuen Album gemacht haben, da könnte ich mir vorstellen, dass zum Beispiel auch Fans von Metallica, aber auch Judas Priest und Iron Maiden darauf abfahren würden. Es geht also eher in die Heavy-Rock-Richtung, als in die Kommerzielle! Leute, die diese Bands mögen, werden gut bedient.
Alex: Ist denn dieses Schubladendenken, also das feine Unterscheiden von Genres, wirklich nur für die Presse nützlich, oder bietet es dir als Musiker auch etwas?
Herman: Ich selbst bin ganz vielseitig und habe da sowieso ganz vielseitige Sachen in meinem Leben schon gespielt, sodass ich da völlig flexibel bin. Mir muss einfach nur der Song Freude machen, wenn ich ihn spiele. Und das ist das schöne bei Michael, was er da anbietet als Grundlage. Das ist wie eine Herausforderung für die Kreativität. Das ist das Schöne und ich arbeite sehr gerne mit ihm zusammen. Und auch Doogie, der ja aus dieser Ecke kommt, Rainbow, Yngwie oder Deep Purple und Ronnie James Dio ... aus der Ecke kommt er ja und da ist er gerade für so ein Material wie geboren. Und mit Francis wieder zusammen zu spielen ... was soll ich dir sagen? Er ist mein rechter Fuß! Bei uns ist das wie telepathische Übertragung, sag ich immer. T2 5.23
Alex: Was steht denn sonst noch für deine Zukunft an?
Herman: Aktuell arbeite ich an einer Akustiplatte. Da bin ich zwischendurch immer wieder mit beschäftigt. Ende März geht es dann, wie du weißt auch wieder mit den Live-Shows los. Wir fliegen dann ja nach Russland am 30.März, wo auch die ersten vier Gigs stattfinden werden. Da sind vor kurzem erst wieder einige Dates, unter anderem in Schweden, dazu gekommen.
Alex: Soll diese Akustikplatte dann ein Herman Ze German-Projekt werden, oder eher ein Soloprojekt mit ganz anderen Musikern?
Herman: Der Gedanke dahinter ist, dass ich gerne mal eine Akustikplatte mit verschiedenen Sängern machen würde, die dann meine Songs, die ich im Laufe der Jahrzehnte geschrieben oder co-geschrieben habe, performen werden. Dazu gehören dann zum Beispiel „Passion Rules the Game“. Auch Sachenm, wie „Make It Real“ oder „Dynamite“ wollen wir ausprobieren. Und bisher klingt es hervorragend. Ich habe da schon eien supergeile Version mit Bobby Kimball gemacht, den du noch wahrscheinlich von seinen Tagen mit Toto kennst. Wir haben zusammen eine neue Version von „Rock You Like A Hurricane“ gemacht, aber eben auf akustischer Basis. Das ist echt der Hammer geworden und ich bin bisher hoch erfreut mit diesem Ergebnis, weil es mir wieder mal zeigt, dass wenn ein Song gut ist, dass man ihn auch wirklich in verschiedenen Varianten darstellen kann. Wenn ein Song nicht gut ist, dann fällt das sehr schwer. Ein guter song muss schon an für sich auf einer akustischen Gitarre gut klingen. Mit einer guten Melodie, die direkt in die Birne geht ...
Alex: Aber wenn du jetzt so einen Song wie Dynamite hast, also eine treibende, schnelle Nummer … wie verwandelst du den in einen Akustik-Song, ohne dass es zu einem Soundmatsch wird?
Herman: Das wird sofort klar, sobald man das gehört hat! Im Augenblick bin ich dabei, das Demo zu machen … und die sind so bisher noch nie erschienen, weil es meine Songs waren und dementsprechend habe ich auch ziemlich viel Material, das ich benutzten kann. Und am besten kannst du dir ein Bild davon machen, wenn ich es dir kurz vorspiele. Das ist ein ganz frisches Demo, um mal die Idee in ihren groben Zügen festzuhalten, habe ich das mit Vossy kurz gemacht, damit wir uns ein erstes Bild davon machen können, wie es überhaupt akustisch klingt. Als Basic reichen da auch schon die Drums und die akustische Gitarre – damit kann man arbeiten -, aber das Solo und so, die fehlen hier noch. Da könnte man mal Michael fragen, ob er Bock hätte, das zu spielen. Das haben wir dann aber natürlich nicht nru auf den schnellen Songs so umgesetzt, sondern zum Beispiel auch bei „Loving You Sundy Marning“, ein Song auch von Blackout, „You Give Me All I Need“, den Don Dokken singen wird.
Und so habe ich halt verschiedene Sänger aus meiner gesamten Laufbahn, die ich mal kennen gelernt habe, zusammen getrommelt. Tony Martin von Black Sabbath wird „Another Peace of Meat“ singen. Den Song „Is There Anybody There“ habe ich auch dazu genommen, aus den achtziger Jahren, weil ich den schon immer geliebt habe. Gary Barden wird auch ein Stück singen, den man ja noch aus der Schenker Zeit kennt. Damit haben wir dann auch eine ziemlich gute Mischung. Das Interessante ist ja, dass jeder Sänger einen anderen Charakter und eine andere Stimme hat.
(Alex lauscht den Klängen des neuen Songmaterials, während das Gespräch weitergeht.)
Alex: Der Song haut rein! Im Gegensatz zu dem, was die Scorps damals in ihrer akustischen Phase gemacht haben, hat's bei dir nicht an Power verloren und es driftet auch nicht als in endloses Geschnulze …
Aber lass uns vielleicht nochmal kurz über Unbreakable sprechen! Machst du jetzt eigentlich auch das Management für die Band?
Herman: Als, in diesme Fall würde ich es eigentlich sehr gerne machen, weil ich sie schon produziert habe. Dann hätte ich auch alles unter Kontrolle, also in dem Sinne, dass ich die Band mal als Vorband von uns mitnehmen könnte. Das wäre eine der vielen Möglichkeiten, um diese Jungs nach vorne zu bringen. Ich denke mir, dass die das mit ihrer Leistung einfach verdient haben. Die sind einfach jung und frisch.
Alex: ist es denn das erste Mal, dass du für eine andere Band den Managementjob übernimmst?
Herman: Ja, das wäre das erste Mal! Das war auch das erste Mal, dass ich eine andere Band selbst produzieren. Aber lass uns jetzt darüber nicht zu viele Worte verlieren. Hör es dir erst mal an und dann kann man darüber reden. Das siehst du ja an „Dynamite“ … das hört man dann und sagt sich: „Ah, so hat er das gemacht“. Musik ist etwas, was man hört und dann braucht man eigentlich gar nicht so viele Worte darüber verlieren. (lacht)
Alex: Könntest du dir eigentlich vorstellen, dass ihr mit dem Temple of Rock auch mal auf dem Wacken oder so spielt?
Herman: Du, das kommt drauf an, wie das Angebot so ist. Wenn uns Holger ein Angebot machen würde, dass wir nicht abschlagen können, dann machen wir das sehr gerne. Ich denke mir mal, man solte erst mal sehen, wie diese neue Platte ankommt bei den Leuten. Aber für das Publikum, das da nach Wacken geht, für die wird es die perfekte Platte. Dieses Jahr spielen auch Deep Purple dort und wir wären doch das perfekte Vorprogramm für die! Aber am Ende ist es eine Sache von Angebot und Nachfrage. Es würde sich auf jeden Fall bei uns im Sommer ganz gut machen ...
Alex: Kennst du zufällig die Band Axxis? Wir hatten vor kurzem ein Interview mit ihrem Sänger Bernhard Weiss und er sagte, dass bei der aktuellen finanziellen Lage der Szene, es vielleicht zu der Entwicklung kommt, dass bei einer Tour, die Bands nicht mehr live präsent sein werden, sondern über Monitore gleichzeitig live in mehreren Venues über eine Kameraübertragung auftreten werden. Da würde man auf jeden Fall einiges an Kosten sparen. Dann kann man alle direkt aus dem Probenraum bedienen.
Herman: Ich habe von denen schon mal gehört ... ist auf jeden Fall eine super geile Idee! Aber was dann fehlt ist halt eben der direkte Kontakt, den man in der Konzerthalle hat. Dieses einmalige Erlebnis, dass du da hast, das hast du dann mit so einer Leinwand natürlich nicht. Trotzdem finde ich es klasse, weil es die Bands einen Haufen Geld sparen lässt im Bezug auf Tourkosten. Dann könnte man so ein Konzert auch einmal machen und es um den ganzen Erdball senden. Dann könnte man auch sehr viele Leute erreichen, wenn sie da drauf aufspringen.
Also, ich könnte mir vorstellen, dass es bei „Acoustic Feaver“, als Weihnachtsgeschenk eine schöne Sache werden könnte! Wo dann jeder seine Hits so noch mal runterspielt ...Man müsste dann einen Partner finden,der dafür sorgt, dass es bei den richtigen Leuten ankommt. So etwas Neues muss gut beworben werden. Presse, ist klar? Man bräuchte eine extra Promotion-Firma, die so etwas Spezielles gut steuern kann. So was könnte man sogar praktisch über seine eigene Website machen streamen lassen. Aber da gehört natürlich die richtige technische Umsetzung dazu und man müsste es den Leuten als Geschenk darbieten, wenn es übers Internet laufen soll. Aber bei einer solchen Gelegenheit könnte man den Leuten gleich sagen: „Schaut mal, wir gehen dann und dann on Tour und freuen uns in den und den und den Städten live zu sehen.“ Letztendlich würde ich persönlich schon gerne eine Tour machen, wo ich jeden Abend in einer anderen Halle spiele. Mit meinem Background ist es mir persönlich lieber, als ein mal im Probenraum stehen. Ich brauche den Kontakt zu den Leuten. Aber für junge Bands wäre das zum Durchstarten eine gute Idee.
Alex: Francis Rossi von Status Quo sagte uns mal in einem Interview, dass die Musik für die Menschen unserer heutigen Gesellschaft keinen so hohen Stellenwert mehr hat, wie es vielleicht in den Siebzigern oder Achtzigern der Fall war, Würdest du dem zustimmen?
Herman: Das ist schwer zu sagen … das ist wirklich schwer zu sagen, weil die Leute heute ja ganz anders hören. Sie werden zum Beispiel durch diese Castingshows ganz anders beeinflusst. Da wird ein junger Mensch für einen Song hergenommen und dann ist die Karriere auch schon wieder vorbei. In der Zeit davor, da waren die Menschen im Allgemeinen viel mehr vertieft in die ganze Sache. Heute ist es wie Fast-Food-Musik oder Wegwerfmusik: Einmal reinbeißen. Der Hamburger schmeckt nicht? Next!
Alex: Für Undergroundmusik und alles, was halt nicht im Radio gesendet wird, ist es damit ganz schwer zu überleben.
Herman: Genau, ganz schwer! Die müssen ja irgendwie an die Öffentlichkeit kommen. Und diese Art von Medien, die jetzt da sind, die werden es den Bands sehr schwer machen, denn keine Radiostation spielt es ja. Bei Unbreakable könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, dass die in Amerika gespielt werden – also bei den Classic Rock Stations, oder bei Rock Stations überhaupt. Aber hier in Deutschland, wer soll sie schon spielen? Höchstens zwei Sender könnten vielleicht die Balladen aufgreifen. Das wär's dann aber auch schon.
Etwas anderes ist so ein Song, wie „Knock out“. Sowas wirst du an keiner Radiostation hören. Oder? Wir sind damals 1975 zu Thomas Gottschalk gekommen, als er bei Bayern3 war. Wir sind da rein gelaufen und er sagte er uns, dass er uns vor 23 Uhr nicht spielen könne. Das war die Zeit, als wir Lovedrvie promotet haben. Das war unmöglich … erst mit „Still Loving You“ fing es an, dass die Radiostationen begannen es zu spielen, also die kommerzielle Ballade. In Deutschland wirst du keine große Station finden, die Heavy Rock spielt.
Alex: Wenn man die Kulturlandschaft in Deutschland betrachtet, dann wird die meiste Musik über's Radio an den Mann gebracht. Dabei werden die richtig talentierten Musiker, die mit mehr als drei Akkorden arbeiten und eine Entwicklung in die Szene bringen wollen nicht berücksichtigt. Was sagt das dann über die Kultur im Allgemeinen aus? Ist das etwas, was über allem drüber steht, oder doch nur ein Produkt der eigenen Zeit?
Herman: Da es etwas von den Menschen fabriziertes ist, muss es auch ein Produkt der eigenen Zeit sein. Sobald wenige, also zum Beispiel die Radiostationen, etwas aussenden, was von vielen Empfangen wird, werden die Massen direkt in ihrem Geschmack beeinflusst. Wenn das Radio ansagt, was gehört wird und sich dabei nur auf einen Ausschnitt aus dem gesamten Musikspektrum beschränkt, dann hat der normale Hörer eigentlich gar keine Chance, sich zu entwickeln. Das Radio prägt die Kultur und die Hörer.
In meiner Jugend wurde ich zum Beispiel durch Led Zeppelin, die Beatles oder die Rolling Stones geprägt. Das findet heute nicht mehr statt. Das ist jetzt eine ganz andere Generation, was auch gut ist. Aber viele gute junge Bands werden damit leider auch nicht gehört, weil die Medien, die das unter Kontrolle haben, sie nicht senden. Das hast du richtig erkannt, denn ein richtig geiler Gitarist oder andere Musiker, der es richtig drauf hat, wird nie gehört und hat kaum eine Chance, weil das Radio ihn nicht spielt.
Alex: Wie soll denn die Kulturlandschaft in Deutschland aussehen, wenn die großen Medien das Musikspektrum bei ihren Ausstrahlungen zum großen Teil so ungleichmäßig berücksichtigen?
Herman: Na ich hoffe, dass es besser aussehen wird als heute und die Leute mehr Rockmusik spielen und hören werden. Rockmusik ist ein großer Bestandteil der amerikanischen und englischen Kulturen, schon seit vielen Jahren, und das sollte es auch in Deutschland werden. Alleine schon, dass die meisten Hits im deutschen Radio auf englischer Sprache dargeboten werden, sagt usn doch, wo es lang geht. Man sollte mehr Rock spielen, denn es gibt einen Haufen junger Bands da draußen, die keiner hören kann.
Auf der anderen Seite, sind die Menschen für Musik bestehend aus drei Akkorden viel empfänglicher. Da du vorhin schon Status Quo angesprochen hast: Die haben mit drei Akkorden sehr viel erreicht. Das muss dir erst mal einer nachmachen, mit drei Akkorden zwanzig Hits hintereinander zu schreiben. (lacht)
Mach das mal nach, ich kann das nicht! Mit diesen drei Griffen und noch einem zusätzlichen Shufflebeat zwanzig Hits zu basteln ist eine enorme Leistung. Und die Band hat heute noch bei ihren Konzerten volle Häuser. Die konnten sich ihre Fanbase über viele, viele Jahre erhalten. Ich glaube der Drummer, das hat mir vorhin ein Freund erzählt, der hat eine Coverband, in der er Status Quo-Songs covert. Das ist doch der Wahnsinn!
Alex: Die Jungs sind auch schon seit nun 50 Jahren im Geschäft!
Herman: Da erinnere ich mich noch aus frühster Jugend dran. So lange kenn' ich schon die Band ...
Alex: Ich glaube da liegt auch ein Problem der Szene, dass die Stars aus deiner jungend heutzutage immer noch die ganzen Magazincover zieren und die Titelstories einheimsen. Die machen gar keinen Platz für die neuen Generationen.
Herman: Das ist schade, nich? Die Welt besteht ja auch aus vielen jungen, frischen Bands. Ich hätte kein Problem damit, wenn für diese Musiker der Platz frei gemacht würde. Ganz im Gegenteil, du kennst ja meine Einstellung, Die sollten gefördert werden. Dass ich das auch jetzt in China vorhabe, mein Wissen direkt weiterzugeben. Ich finde es ganz toll, dass wenn man sich etwas angesammelt hat, dass man es auch teilt. So bin ich groß geworden und ich kenne das auch nicht anders.
Alex: Hast du denn bezüglich deiner Professorentätigkeit in China schon etwas gemacht?
Herman: Ich bin mit ihnen jetzt soweit, dass sie webmäßig anfangen werden für mich zu arbeiten. Und ich habe ihnen jetzt auch Unbreakable vorgestellt, einfach mit dem Gedanken, den jungen Menschen dort zu sagen: „Hier guckt, es kann sicher auch bei euch in China eine geile Rockband geben, die das drauf hat, was diese jungen Deutschen drauf haben. Und ich bin hier, ich kann das produzieren, ich kann in der Akademie, wo wir über Rock sprechen, da können wir auch über die Production und über das Songwriting sprechen.“
Ich denke mal, dass das interessante Aspekte für sie sind, weil die Jungs ja eh sehr gut sind im Kopieren. Man muss ihnen dann sozusagen nur noch den Feinschliff verpassen. Und ich denke, da wird noch viel passieren. Die waren sehr begeistert von Unbreakable. Weißt du, was für Songs denen am meisten gefallen haben? Natürlich balladenmäßig den letzten Song der Platte „We're Dreamers“. Dann hab ich gesagt: „Okay, dann nehmt den mal als Promotion.“ und dann sieht man ja, was damit passiert. Aber ich habe auf jeden Fall ein gutes Gefühl dabei, weil ich mir denke, dass das genau die richtige Mucke für die Leute in China ist. Die amerikanische Rockszene ist gerade eh finanziell am Ende. Die meisten Bands kriegen da nur noch ziemlich kleine oder gar keine Gagen mehr. Bei der Entwicklung wird es sich für uns bald kaum noch lohnen dort zu touren.
China wird ein riesengroßer neuer Markt werden, Europa wird als Markt wachsen und auch das nahegelegen Russland wird ein neuer Markt werden. Diese Märkte werden sich immer weiter öffnen, wodurch die alten Märkte, wie Amerika langsam aber sicher untergehen werden, weil die dort einfach kein Geld mehr haben.
Alex: Die Chinesen haben Europa sowieso schon fast ganz aufgekauft .. (lacht)
Herman: Ja, dann geh mal nach Amerika! Ganz Kalifornien ist da schon in chinesischer Hand. Da habe ich letztens ein Interview von Larry King gesehen, der die chinesische Bürgermeisterin von San Francisco interviewt hatte. Und da war eine Frage von Larry King, ob sie sich in der heutigen Zeit einen Krieg zwischen den USA und China vorstellen könne. Da meinte sie: „Krieg? Warum Krieg? Wir kaufen einfach Amerika! Gucken Sie mal, wir haben schon alle großen Geschäfte in Kalifornien und wir haben gerade damit begonnen Nevada, Arizona und Texas aufzukaufen.“ So machen sie das. Und dadurch, dass sie Bürgermeisterin ist, bestimmt sie ja, was in der Stadt dort abgeht.
Und ansonsten hoffe ich bei Unbreakable, dass eine größere Firma Interesse an ihnen hat und wenn eine der größeren Bands dieser Firma dann on Tour geht, dass sie dann in ihrem Vorprogramm landen. Die würden ja perfekt zu einer dieser Rocklegenden als Vorband passen. Genau das ist es, was mir so sehr bei denen gefallen hat. Die schreiben interessante Songs, die man im Kopf behalten und bei denen man auch mal mitsingen kann. Das ist auch für mich persönlich als Songwriter maßgeblich, dass wenn ich etwas Neues schreibe, man ihn dann auch mal mitsingen oder mitpfeifen kann.
Doch trotz guter Songs müssen sich viele Bands heute als Support bei den Touren den Slot im Vorprogramm erkaufen. Das läuft dann so ab, dass sich die Bands an den Kosten des Hauptacts beteiligen, der dann ja Licht und Technik stellt. Die sagen sich dann: „Okay, wir wollen dreißig Minuten bei euch spielen“, und dann zahlen das die Plattenfirmen, wenn man einen Vertrag hat dafür auch, um ihre Bands einem Publikum vorzustellen. Das ist ein uraltes Rock'n'Roll-Gesetz, dass es schon seit Elvis Presley gibt.
Der Hauptact kann ja sagen: „Schaut mal, wir spielen jeden Abend vor 10.000 – 15.000 Leuten, denen ihr euch präsentieren könnt. Das sollte euch die 500 Euro am Tag wert sein.“ Und das ist es auch den meisten Bands, weil es eine bessere Promotion eigentlich nicht mehr gibt. Wenn du heute mit als junger Mensch mit deiner Musik jemanden erreichen willst, dann funktioniert das nicht mehr wie früher. Aber ich merke hier bei mir zu Hause in Brighton, dass der Rock'n'Roll noch ziemlich lebendig ist. Wenn du hier irgendwo hin gehst, dann hörst du überall frische, junge Bands. England ist nun mal das Ursprungsland des Rocks. Led Zeppelin, Queen, Uriah Heep, die waren alle hier.
Alex: Kann man denn damit rechnen, dass du mit Herman Ze German in nächster Zeit wieder etwas herausbringst?
Herman: Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, denn ich denke mal, dass ich jetzt mit Michael gut beschäftigt bin. Danach werde ich weiter gucken, wie es mit Unbreakable weiter geht und die würden mich ja auch vom Management her reizen. Das wäre also auf jeden Fall eine Alternative für die Zukunft. Und dann werde ich mich auf die Acoustic Feaver Tour vorbereiten, die wir ja vorhaben im November oder Dezember zu machen. Bis dahin will ich auch die Platte fertig haben. Mit all dem werde ich bis zum Endes des Jahres wohl gut beschäftigt sein.
Meine Musiker von Herman Ze German, also sprich mein Bassist und mein Gitarrist, die werden uns dann sowieso begleiten. Wir haben auch einige Songs der Gastsänger noch mal neu aufgenommen. Zum Beispiel mit Bobby Kimball habe ich ja „Rock You Like A Hurricane“ aufgenommen und dafür werde ich mit ihm live „Hold The Line“ spielen. Meine Musiker würden das dann von der Besetzung abdecken können. So'ne Kiste könnte man live draus machen.
Das Gute an der Geschichte ist auch, dass man bei all diesen Songs die originalen Sänger dabei hätte. Wahrscheinlich immer so drei von vier oder so, je nachdem, wer gerade kann. Und dann stellt man das in der Weihnachtszeit live dar. Das ist eh die Zeit, wo alle mehr auf Akustik stehen und so eine Stadthalle kriegt man dann mit so einem Paket sicher voll.
Das kommt dann nach der Michael Schenker Tour. Jetzt bin ich ja bereits dabei, die einzelnen Sänger für die Platte aufzunehmen. Bisher läuft das alles wunderbar an.
Alex: Alles klar! Dann bedanke ich mich bei dir für das ausführliche Interview, es hat wie immer Spaß gemacht, mit dir zu sprechen!
Herman: Überhaupt kein Thema! Ich freue mich immer mit dir zu sprechen. Du stellst mir immer interessante Fragen. (lacht)
Moderation: Alexander Kipke
Wer in das aktuelle Album „Temple of Rock - Live in Europe“ von 2012
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