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Eisenherz – Fluch der Zeit

Kritik von: Arne Luaith
Album-Cover von Eisenherzs „Fluch der Zeit“ (2013).
„Man werfe NDH, Gothic Rock und Extreme Metal in einen Topf. Heraus kommen: Eisenherz!“
Interpret: Eisenherz
Titel: Fluch der Zeit
Erschienen: 2013
Die Neue Deutsche Härte ist und bleibt ein Phänomen! Wie ein Urgestein in der Brandung der schnelllebigen Schwarzen Szene steht sie abseits und für sich; beobachtet seit Jahr und Tag das Aufkommen und den Abgesang zahlreicher mehr oder weniger innovativer Hybrid-Genres und nimmt dabei selbst nur selten fremde Einflüsse in sich auf. Gleichzeitig bleibt sie schwer zu umreißen. Viele deutschsprachige Hard’n’Heavy-Bands werden allzu schnell in ihrer Schublade abgelegt, während man die „echten“ Stilvertreter quasi seit den 80er Jahren an einer Hand abzählen kann. Megaherz. Eisbrecher. Und natürlich unsere Export-Stars und diesjährigen Wacken-Headliner von Rammstein.
Nun flatterte der zweite Longplayer der fränkischen Stahlkapelle „Eisenherz“ in unsere Redaktion. Auf den malerischen Titel „Fluch der Zeit“ hört das Album. Gemischt wurde es von Michael Mainx, welcher unter anderen für die Böhsen Onkelz und Stephan Weidner tätig war. Vielversprechender Spiritus für die Verbrennungsmotoren der metallischen Liebhaber dort draußen. Aber hält die recht junge Band, was das Booklet verspricht?
Eisenherz. Schon namentlich irgendwo zwischen Stahlmann und Eisbrecher angesiedelt, wartet die Gruppierung mit recht brachialen Riffs auf. Die Gitarren brettern in selbst für NDH-Verhältnissen ungewohnter Härte aus den Boxen. Gleichzeitig kommt der Sound aber zu keinem Zeitpunkt nackt daher. Die Produktion ist satt und insbesondere der ausgiebige Einsatz von Streichinstrumenten verleiht dem Longplayer einen sphärischen Soundteppich, ohne überladen zu wirken. Die Tracks wechseln sich spielerisch zwischen erfrischender Sperrigkeit und hochgradig eingängigen Melodiebögen ab, wodurch die Songs trotz ihrer geringen Eigenständigkeit nicht langweilig werden. Insgesamt mangelt es der Band ein wenig am trumpfenden Alleinstellungsmerkmal. Besonders der Sprechgesang von Sänger Heinz erinnert mit seinem plakativ gerollten R deutlich an Rammsteins Lindemann. Gleichzeitig würzt er seine Vocal Lines aber in bester Eisregen-Manier mit in den Kreischgesang hineinragenden Textpassagen. Auch Growls und Grunts erweitern sein stimmliches Spektrum. Zuletzt ergänzen die operesken Counter Vocals von Sängerin Yvonne die musikalische Bandbreite immens und drücken die Band in Richtung Gothic Metal, was leider durchaus etwas klischée-beladen anmutet. Ausgedehntes Call & Response zwischen den beiden Stimmträgern am Mikrofon bringt frischen Wind in die Musik, es fehlt aber das letzte Quäntchen funkensprühender Energie zwischen den Beiden. Nichtdestotrotz schafft es die Band, souverän Stilmittel anderer Größen zu verknüpfen. Die Anleihen sind deutlich, die Innovation beschaulich, die Ausführung absolut solide.
Thematisch bewegt sich das Sextett – wie für dieses Genre fast schon urtypisch – auf gehobenem Niveau. Neben obligaten Herzschmerz- und Rachemoritaten werden ethnosoziale Aspekte wie Vereinsamung, Oberflächlichkeit, kultureller Verfall und Paranoia bis hin zu psychedelischen Zufluchtswelten behandelt. Ein wenig geisteskrank, ein wenig verstört und gewissenhaft verstörend – aber niemals zu abgehoben, als dass der Hörer sich nicht mit den Inhalten identifizieren könnte. Lyrisch wissen Eisenherz dabei durchaus mit der deutschen Sprache umzugehen. Sie bedienen sich Großteils einfacher, eingängiger Reimschemata, dichten jedoch in natürlicher Umgangssprache, was insbesondere im starken Kontrast zu Rammsteins geschwollener Pseudopoesie gelungen nüchtern und „auf dem Teppich geblieben“ anmutet. Inhaltlich kratzen sie dabei aber eher an der Oberfläche. Wirkliche „WOW“-Momente erzeugen die Texte beim Hörer nicht. So bleiben sie eher seichte Berieselung als tiefgründige Psychoanalyse. Das muss keinesfalls als Makel ausgelegt werden. Dennoch würde etwas mehr lyrische Raffinesse das Album noch ein wenig heller erstrahlen lassen.
Zusammenfassend haben Eisenherz mit „Fluch der Zeit“ einen eingängigen, hochmelodischen und dabei eher untypischen NDH-Longplayer im Bombast-Gewand gebastelt. Stilistisch bedienen sie sich reichhaltig an Vertretern der Ur-NDH-Szene, des Gothic Rock und stimmlich auch des Extreme Metals. Heraus kommt eine interessante Mischung, die durchaus zu überzeugen weiß, der letzten Endes aber irgendwo das gewisse „Etwas“ fehlt, um als wirklich großartiges Album für sich alleine zu stehen. Zu deutlich sind die Querverweise auf andere Bands, zu gering der innovative Schaffungsgrad. Übrig bleibt ein solide ausproduziertes, sauber eingespieltes, thematisch eher düsteres und musikalisch insgesamt überzeugendes Machwerk. Für Freunde der weiter oben genannten Bands auf jeden Fall ein Anhören wert!
 
Score:
76% Gut.

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