Veröffentlicht am 22. Juni 2012.
Linkin Park – Living Things
„Das platte und uninspirierte Tröpfeln eines seichten Gewässers. Prost!“
Interpret: Linkin Park
Titel: Living Things
Erschienen: 2012
Linkin Park sind eine dieser wenigen Bands, die es schon in sehr jungen Jahren schafften, ihr ganz eigenes Ding zu machen. In einer unnachahmlichen Art verschmolzen sie relativ harte Metal-Musik mit einem Hauch von Industrial-Electronic mit Rap-Passagen und schufen so eine Brücke zwischen den bis dato erzverfeindeten Lagern des Hip Hop und der schwarzen Szene, die sich selbst heute meist mehr schlecht als recht verstehen. Von Hybrid Theory über das kongeniale Meteora über ein schon ziemlich weiches Minutes to Midnight verfeinerten sie ihren von hochmelodischen Arrangements, einer Prise Bombast und der einzigartigen Stimme von Vocalist Chester Bennington in Kombination mit Mike Shinodas Counter-Raps getragenen Stil.
Und dann? Dann kam „A Thousand Suns“ und schlug die Fangemeinde der Kalifornier in Stücke. Die melodischen Hooklines waren progressiv akzentuierten Melodiebrüchen gewichtern, Chester bekam Schreiverbot erteilt und zu allem Überfluss durchzogen belanglose Fillertracks unter dem Deckmantel des „Konzeptalbums“ die Tracklist. Man durfte gespannt sein, wie sich Linkin Park mit ihrem 5. Longplayer „Living Things“ nun weiterentwickeln würden. Sollte es ein Back To The Roots werden oder strebten die einstmaligen Genre-Schwergewichter im Geiste
Sonata Arcticas progressiven Spähren im Reigen der „Kunstmusik“ entgegen?
In das Album reinhören:
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Teils und Teils möchte man meinen, nachdem man „Living Things“ das erste Mal gehört hat. Gleich im Opener „Lost In The Echo“ ist all das wieder da, was man einst von den Jungs gewohnt war: Melodie satt, Shinoda darf nach Nahezu-Abwesenheit auf „A Thousand Suns“ endlich wieder ans Mikrofon und Bennington legt einen Chorus in urgewohnter Manier vor, der zwar trotz Hintergrund-Screams an alter Stärke leckt, insgesamt aber doch ein wenig die Hybrid Theory-Zeiten zurückbeschwört. Gleichzeitig fällt die starke Präsenz elektronischer Töne auf, die sich wie Gummi durch alle Tracks des Albums ziehen. Tatsächlich ist mit diesen wenigen Worten auch schon das Meiste zur neuen Platte gesagt. So traurig es auch klingt – Linkin Park liefern melodischen und durch den latenten Einsatz von in den Hintergrund gemischten Screams auf „altfankompatibel“ getrimmten Einheitsbrei. Hauptsächlich bewegt man sich im Midtempo-Bereich und schmalzt an der Grenze zum Balladesken ein harmloses, eingängiges und irgendwie profilloses Gedudel herunter, das man eher dem Grafen als den einstigen Nu Metal-Ikonen schlechthin zutrauen möchte.
Das ganze Album wirkt wie aus einem Guss – doch so sehr Linkin Park hier offensichtlich versucht haben, den auf „A Thousand Suns“ angeschlagenen Weg in Richtung alter Erfolge zurechtzubiegen, so platt und – ja, leider! – uninspiriert wirkt das Ergebnis. Keine Melodie ist wirklich schlecht, und gewiss braucht es keine Härte, um gute Musik zu kreieren. Dennoch schallt „Living Things“ erschreckend belanglos aus den Boxen. Zu sehr durchsetzt von Effekten, zu weichgespült in seiner Melodik, zu wenig altes Linkin Park und gleichzeitig zu viel, zu viel neues Linkin Park und gleichzeitig zu wenig. Der progressive Touch des Vorgängers hat sich verflüchtigt und zurückgeblieben ist eine Kondenspfütze voller Melodiebrocken ohne Highlights und Esprit. Alles klingt sehr gleich, ohne Struktur und Klimax. Die Platte spielt und spielt und spielt … und zu mehr als seichtem Ambient-Flair reicht es doch kaum.
Nein, das war wohl nichts. Es bleibt fraglich, welches Konzept Linkin Park mit „Living Things“ verfolgten. „Back To The Roots“ gewiss nicht! Dafür fehlt es dem Album bis ins Mark an treibender Kraft und Härte. Der neue Pfad von „A Thousand Suns“ wird dabei gleichermaßen mit Füßen getreten. „Linkin Park Light“, könnte man titeln. Was übrig bleibt ist ein elektronisch aspirierter Versuch, offensichtlich allen irgendwie geradeso gerecht zu werden. Dabei waren es ausgerechnet die Ecken und Kanten, die Linkin Park so vielseitig und unverbraucht erscheinen ließen. Der Mut zur Lücke! Ein nettes Album, aber bei Weitem nichts Besonderes. Nicht einmal etwas nennenswert Gutes – und ohne das Label „Linkin Park“ wohl kaum mehr als eine Randnotiz wert. Ein durch und durch durchschnittlicher Longplayer und neues Vorhängeschild im Reigen der Bands, die ihre kreative Hoch-Zeit offensichtlich hinter sich haben. Linkin Park klingen hier einfach irgendwie … ausgebrannt! Schade.
Fazit:
Letztlich wird auch „Living Things“ die Fangemeinde teilen. Hater und Fanboys werden sich zerfleischen und unterm Schnitt entscheiden wohl die Verkaufszahlen, ob dieses neue „Konzept“ – so es denn eines gibt – Erfolg haben wird oder nicht. Ich habe meine Zweifel. Dafür ist „Living Things“ einfach viel zu wenig von viel zu viel. Anspieltips wären „Castle Of Glass“ mit seinem ein wenig aus den übrigen Melodien herausragenden Chorus und „I’ll Be Gone“ – ein Track, der noch einen Rest alter Linkin Park-Energie aus Meteora-Zeiten mit sich bringt und sich tatsächlich traut, noch mal ein wenig dreckiger und lauter zu werden …
Zuletzt sei noch angemerkt, dass der jüngste „Long“player der Kalifornier abseits aller subjektiven Geschmäcker eines definitiv nicht ist – nämlich „Long“. Alle 12 Tracks zusammen verschaffen dem Album eine Gesamtspieldauer von knapp 37 Minuten. Zieht man die obligaten Filler-Tracks ab, die dann doch von A Thousand Suns übernommen werden mussten, sind es sogar nur 34. Nun waren LP-Alben ja noch nie die Längsten, aber eine halbe Stunde als vollwertiges Album? Das ist und bleibt dann doch ein wenig arm.
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Kommentare von Besuchern
tobias sagt:
Tut hier nix zur Sache sagt:
Tut hier nix zur Sache sagt: