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Dealer – This Is Not California

Kritik von: Michael Voit
Album-Cover von Dealers „This Is Not California“ (2013).
„Dealer erweitern nochmal ihr Spektrum und stellen ihr Faible für Blues- und Southern-Rock sympathisch zur Schau.“
Interpret: Dealer
Titel: This Is Not California
Erschienen: 2013
Mit dem doch recht ungewöhnlichen Band-Namen, veröffentlicht das Linzer Fünfgestirn Dealer, endlich ihren lang erwarteten Nachfolger zu der Dampframme "Back Door Business", die in ihrer Konsequenz kaum zu übertreffen ist und den freakigen Speed-Rocker "Cocaine Woman" enthält. Nach einigen personellen, wie auch stilistischen Veränderungen, stehen die Jungs nun mit ihrem vierten Longplayer "This Is Not California", in den Startlöchern. Die Ur-Mitglieder Thomas Schmatz aka Winnetou, Maks Eastwood und Mike Fullsteam fanden in Drummer Mathias Paulischin und Tasten-Hexer Michael Hornek, die idealen Wegbegleiter und somit wirkt die Band kompletter als jemals zuvor. Der zeitweilige Sänger und Ex-Deadzibel-Shouter Phil Sicko, der bei "Back Door Business" am Raunzeisen stand, verschwand auf wundersame Weise, nachdem die EP "Never Too Late" - mit den prophetischen Zeilen "I got a Plan to get away, I think about it every day" - veröffentlicht wurde.
Sieht alles ein wenig konzipiert und nach Vorsatz aus, aber gerade das macht auch den Charme der Truppe aus. Es wurde nicht einfach der Sänger entfernt, sondern mit allerhand unterhaltsamen Details - und einer Portion Ungewissheit - verabschiedet. Bis heute weiß niemand wirklich was passierte, auch wenn aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen sein dürfte, dass dieser mittlerweile wieder aufgetaucht ist und als letztes Lebenszeichen das Debüt der Linzer Punk-Blueser The Boarderliners produzierte. Zum besseren Verständnis begeben wir uns auf einen kleinen Abstecher ins Universum von Dealer: 1999 gibt die Band als Geburtsstunde an, die zwei Jahre später schon ihr erstes, mittlerweile restlos ausverkauftes, Mini-Album "Death Before Disco" veröffentlichen. In Sammlerkreisen wird der Silberling längst als Rarität gehandelt. Wiederrum zwei Jahre später folgte dann das erste richtige Album "Rocks Off", das schon die Größe der Kombo erahnen ließ, aber noch sehr experimentellen Stoner-Rock beinhaltete. Dennoch befinden sich einige Glanzstücke unter den Nummern, wie das wütende "Sucker Punch", das hypnotische "Heavy Ride" oder das psychedelische "Cosmic Baby". Mein ganz besonderer Liebling - das brachiale "Cruisin'" - beförderte sogar meine Kopfhörer in die ewigen Jagdgründe. Drei Jahre später, also so um 2006 versuchte man dann den ersten Frontalangriff auf die Medien und heuerte Sänger Phil Sicko an, der Bassist Thomas Schmatz am Gesang ablöste.
Jetzt hatte die Band also ein Sprachrohr, und was für eines: Der aufgedrehte Frontmann Sicko fügte sich perfekt in die angedeutete Philosophie der Band ein, und machte eigentlich auch keinen Hehl daraus. "Back Door Business" erblickte kurze Zeit später das Licht der Welt und ließ erstmals einen roten Faden im Songwriting erkennen. Mittlerweile war man musikalisch beim Punk 'n' Roll angekommen, wie vorhin erwähntes "Cocaine Woman", "Rocky Monday", "Dr. Dealgood" oder "Comes A Man" recht eindrucksvoll belegen. "Candy Man" würde ich als Geheimtipp des Albums einstufen, da er mit einigen, sehr passenden und amüsanten Details, angereichert wurde. Mehr will ich an dieser Stelle gar nicht verraten, soll jeder selbst die Euphorie verspüren, die sich einstellte, als es mir zum ersten Mal auffiel. Die EP "Never too Late" zieht dann den Schlussstrich unter das Kapitel Sicko, die Band schrumpfte wieder auf ihre Kernbesetzung und war auf sich alleine gestellt. Paulischin wurde kurz darauf für den vakanten Platz des Drummers rekrutiert. Für die Keys fand man Oliver Kerschbaumer, der aber später von Hornek abgelöst wurde. Nach langem Brüten und Grübeln wurde man sich einig, den Stil nochmals in eine etwas entspanntere Variante des Southern Rock zu ändern. Der dann in Form der drei Titel "Dig A Hole", "Ain't Gettin' Better'" und "Desperately United", im Sommer 2010 - in kleiner Auflage mit dazugehöriger DVD - veröffentlicht wurde. Da ihnen zu der Zeit kein Album zur Verfügung stand, fanden sie ebenfalls den Weg auf "This Is Not California", fügen sich perfekt in die Tracklist ein und erweitern diese um drei wahre Hochkaräter, die gut platziert einen langanhaltenden Genuss des Albums garantieren.
Aber alles von vorne, bei 14(!) Titeln und über einer Stunde Spielzeit, kann da schnell Verwirrung aufkommen. Der Trip startet mit dem lässig groovenden "You Got The Key", das die Fünf mit einer Spielfreude hinrotzen, die geradezu ansteckend wirkt, und sie somit den perfekten Opener gefunden haben. Am liebsten möchte man selbst zum Ruder greifen. "Dig a Hole" wurde gegenüber dem Release von 2010 ein wenig gedrosselt und auf Album-Niveau gebracht. Mit Sicherheit ein kleiner Meilenstein der österreichischen Rockgeschichte. Vor allem, wer auch den Texten ein wenig Gehör schenkt, wird feststellen, dass die Songs nicht einfach nur - zwecks Vollständigkeit - mit banalen Texten versehen wurden, sondern hier wird richtig in der Poesiekiste gewühlt: "I dig a Hole in the Sand to bury my Sorrows, it's about Time and i know, I'm tired of thinking what will be tomorrow, I dig a Hole to save my Soul!" Gefolgt von "One Good Reason", das eigentlich auch "Honky Tonk Woman" heißen könnte, so nahe ziehen sie am Hit - ihrer Väter im Geiste - vorbei. Nebenbei, ein weiteres Glanzstück auf dem Album, so frech rockt sich der Titel ins Gehör. Aufgepasst, die Luftgitarren bereit halten! Von der Brillianz des Titelstücks konnte man sich ja live schon, da und dort, überzeugen und schürte so die Vorfreude auf's Album, umso mehr. Die schwelgerisch-verhaltene Ballade mit Gänsehaut-Garantie, wurde mit einem Hauch Bombast gewürzt und entfaltet so ihren subtilen Zauber. Für mich die logische erste Auskoppelung. "These Days" wartet mit ein paar überraschenden Kehrtwendungen auf, denn der dramatische Song verwandelt sich gegen Ende, in ein wahres Rock-Biest. "Coming 'Round Again" entführt uns in die Zeit der Beatles, Ära "Let it be". Da dürften ihnen wohl Lennon und McCartney bei den Aufnahmen über die Schulter gesehen haben, so suhlen sie sich im Pop der Siebziger. Dann wird aber wieder abgerockt, denn "Someone To Blame" schlägt einen härteren Ton an, und die Gitarren winseln, dass jedem Hobby-Gitarrero das Herz übergehen wird.
Video Link "Dig A Hole":
Sogar eine Hammond haben Dealer im Gepäck und die wird bei "Down The Line" sogleich ausgepackt. Begleitet von rhythmischem Georgel, ist das Stück ein bluesiger Stomper in guter alter Jayhawks-Manier. Und auch hier fällt wieder die bravouröse Gitarrenarbeit von Maks Eastwood und Mike Fullsteam besonders ins Gewicht. "Your Way" strahlt dann auf "This Is Not California" wie kaum ein zweites, denn hier wurde wieder etwas mit Effekten herumexperimentiert. Und das Intro hat's definitiv in sich - mehr will ich gar nicht verraten - und führt mit einem Ruck ins betörende Stück, dass stellenweise stark nach The Band klingt. Wäre also ein weiterer Einfluss gefunden und zu den restlichen Reminiszenzen gestopft. Die Halb-Ballade "For a Smile" ist mir dann doch zu sehr bemüht und wirkt irgendwie unecht, dennoch sind die Klavierpassagen von Michi Hornek ein wahrer Genuss und bringen so ein wenig Abwechslung ins Geschehen. "Desperately United" kennt man ja auch schon von 2010 und gefällt mir in dieser Version eigentlich sogar besser, da sie etwas mehr Biss hat und der Bass spürbarer ist, der ja den Titel gewissermaßen zusammenhält. Bei 14 Songs ist natürlich auch Platz für eine Cover-Version, die in Form des The Band-Klassikers "The Weight" auf den Longplayer fand und sich ziemlich nah ans Original heranwagt. Über Sinn und Sinnhaftigkeit lässt sich da bestimmt streiten, dennoch ist es, rein qualitativ gesehen, technisch einwandfrei umgesetzt und vorgetragen. Da gibt's nichts zu meckern.
Mit "Let It Grow" und "Ain't Gettin' Better" wurden zwei sehr zuversichtliche Stücke ans Ende von "This Is Not California" gepackt, das mit Sicherheit kein Zufall ist. Erster erblüht tatsächlich zu einem melodienschwangeren Juwel, das verhalten dahinrockt. Mit dem ebenfalls neu eingespielten "Ain't Gettin' Better" endet dann das Album so positiv, wie es begonnen hat und ermutigt gleich zu einer erneuten Runde. Auch das Cover-Artwork fällt diesmal etwas aus dem Rahmen, denn zum ersten Mal wurde kein einziges schwarzes Element verwendet, wie bei den vorherigen Releases sonst üblich. Hier wollten sie sich wohl bewusst von den Vorgängern distanzieren und die Veränderung im Sound andeuten. Ich finde zwar die Idee mit der rostigen Tonne im Hintergrund und der hervorgehobenen Palme als Symbol wirklich spannend, dennoch war der alte Schriftzug um einiges stimmiger, aber allem voran prägnanter. Positiv ist auch anzumerken, dass Dealer den ökologischen Ansatz wählen und sich anstatt für Plastik, für ein Digipack aus Karton entscheiden. In der heutigen Zeit eine nicht unwichtige Überlegung. Zu guter Letzt noch ein Wort zum Klang: Obwohl ich es auf mehreren Geräten angespielt habe, blieb das Ergebnis immer das Selbe und wirft einen nicht unwesentlichen Kritikpunkt auf: Der Sound ist leider nicht ganz rein, übersteuert leicht und bricht in den oberen Bereichen, was speziell bei größerer Lautstärke zum Tragen kommt.
Fazit: Dealer erweitern nochmal ihr Spektrum und stellen ihr Faible für Blues- und Southern-Rock sympathisch zur Schau. Und auch ohne benebelndes Räucherwerk, oder sonstigen illegalen Stimulanzien, wächst "This Is Not California" mit jedem Song und jedem weiteren Durchlauf, zusammen mit dem Hörer, zu ungeahnter Größe. Der Longplayer ist vielleicht nicht ihr konsequentestes Album - denn das ist zweifelsohne "Back Door Business" - dennoch ist es ihr facettenreichstes, eingängigstes und somit massentauglichstes. Mit dem ihnen sicherlich auch der längst überfällige Schritt in die weite Welt gelingen wird, um ihnen somit den gewünschten Fanzuwachs zu bescheren. "This is not California" ist Laidback-Blues-Rock der entspannten Sorte und würde am ehesten einem Vergleich mit den Rolling Stones, Allman Brothers, The Black Crowes oder The Band standhalten. Wo die Vorgänger-Alben noch mit Nachdruck den Schub verstärkten, musste auf dem aktuellen Output, das Punk-Geschrubbe, den fragilen Melodien und ungewohnt detaillierten Licks, weichen. Für alle Rock- und Southern-Fans, einen wahrer Leckerbissen, der vor Eigenständigkeit und zündenden Ideen nur so strotzt. Neben My Dynamite's selbstbetiteltem Debüt, ein weiterer Anwärter für das Album-Highlight des Jahres, in Sachen Classic-Rock. Außerdem würde sich das Teil auch verdammt gut als Vinyl machen. Wer sich von den Livequalitäten von Dealer überzeugen möchte, der hat am 20.4.2013 im Linzer Café Strom - im Zuge der CD-Präsentation - die Möglichkeit dazu.
Anspieltipps: You Got The Key, Dig A Hole, One Good Reason, This Is Not California, Someone To Blame, Desperately United, Ain't Gettin' Better
Hörtipp: Kopfhörer verstärken das Erlebnis auf "This Is Not California" ungemein.
Vergleichbares: The Allman Brothers Band, The Rolling Stones, The Black Crowes, The Band, The Jayhawks, The Beatles, My Dynamite

 
Score:
85% Hervorragend!

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