Jetzt ist es tatsächlich soweit, James Newell Osterberg Jr. will es noch einmal wissen, denn er ist "bereit für den Abgang". Doch wer genau verbirgt sich hinter dem etwas unhandlichen Namen, dem hier so viel Platz eingeräumt wird? Die Rede ist natürlich von einem der exzentrischsten Frontmänner unserer Zeit, besser bekannt als sein Bühnen-Alter-Ego Iggy Pop. Der Mann, dessen Gesicht immer mehr einem zusammen geknüllten Handtuch ähnelt. In Begleitung seiner drei Mitstreiter Dave Alexander und den Gebrüdern Asheton waren sie als The Stooges die Wegbereiter der heutigen Punk-Musik - auch Proto-Punk genannt. Hits wie "I wanna be your Dog", "1969", "Raw Power" oder "Search & Destroy" prägten den Stil der Vier nachhaltig. Hinzu kam Pop mit seinen exzessiven Bühnenshows, bei denen er sich auch schon mal die Brust mit einer zerbrochenen Bier-Flasche perforierte. In dieser Konstellation haben sie einige - wenn auch nicht wirklich viele - äußerst brauchbare Alben zu Stande gebracht.
Ich denke da zum Beispiel an das grandiose Debüt von 1969 oder dem 73-Longplayer "Raw Power", der zum ersten Mal als Iggy And The Stooges tituliert war. Und auch von ihrer Live-Power kann man sich auf Platte recht gut überzeugen: Mitschnitte wie das bootlegartige "Metallic K.O." oder dem brachialen "Live at the Whiskey A Go-Go" bestätigen das eindrucksvoll. Nun begibt sich die geriatrische Rabauken-Kombo nochmal auf Tournee und kommt sogar für einige Gigs nach Deutschland und Österreich. Mit im Gepäck haben sie ihr aktuelles Output "Ready To Die". Und der Name dürfte wie immer Programm sein. Na hoffentlich ist das nicht die letzte Tour!? Zwischenzeitlich legten sie eine kreative Pause ein, in der Pop Solo-Pfade beschritt und Titel wie "Nightclubbing", "Lust For Life", "The Passenger" oder "Real Wild Child" entstanden. Erst 2007 kehrten sie dann mit dem kompromisslosen "The Weirdness" zurück. Leider verstarb zwei Jahre später Original-Mitglied Ron Asheton und so wurde für das vorliegende "Ready To Die" prompt der Gitarrist James Williamson zurück ins Boot geholt, der schon bei "Raw Power" am Ruder stand. Den Bass-Part übernahm, wie schon beim Vorgänger, wieder Mike Watt. Auch Saxophonist Steve Mackay wurde fix ins Line-Up aufgenommen, der seit dem 70er-Album "Fun House" immer wieder mal bei den Vieren mitmischte. Außerdem noch mit von der Partie: Scott Thurston, Saiten- und Tasten-Hexer, sowie Vollzeit-Heartbreaker unter der Führung von Tom Petty, der seit Mitte der Siebziger gerne auch mal auf Stooges- bzw. Pop's-Solo-Platten auftaucht. So hat sich Iggy ein cooles Umfeld geschaffen und darin wird - wie eh und jäh - mit seiner Reibeisenstimme herum lamentiert. Allerdings mit einem kleinen Vorbehalt, aber nehmen wir die Platte mal genauer unter die Lupe:
Den Auftakt macht "Burn", und lässt gleich zu Beginn den rüden Charme der Anfänge wieder aufleben: "The goddess of beauty is beckoning to me. I got a lesson to learn because there is no god in this crowd". Dazu wütet die Band im Punk-Garten, der mittlerweile leider etwas getrimmt wurde und mit einer zu sauberen Produktion, ein wenig die Rohkraft von früher vermissen lässt. Der Folgetrack "Sex And Money" wirkt für das Stooges-Universum dann direkt lieblich und verwöhnt zeitweilig mit netten Harmonien und "Duh-Hu-HuHu"-Chören. Die Herren werden doch wohl nicht zahm geworden sein? Auch der Text wirkt in der Hinsicht eher gesetzt: "I'm looking for a reason to live, i've only got but two things to give" oder "Reality ain't written down, the toughest bulls owns the ground, the others can't come around." Nach wie vor werden Ungerechtigkeiten aufgezeigt und wütend dagegen angekämpft, wie in "Job", das viele vermutlich nachempfinden können: "I got a job, but i don't pay shit, i got a job, and i'm sick of it!". Die Arbeiterschicht hat somit eine neue Hymne bekommen, die wunderbar mit dem schmissigen "Gun" kombiniert werden kann, dem zusätzlich ein knackiges Solo implementiert wurde. Ob den Stooges wirklich eine Ballade zu Gesicht steht, wie das mäandernde "Unfriendly World", liegt wohl im Auge des Betrachters.
Kritik von: Michael Voit
Dennoch wirkt es aus meiner Warte ein wenig deplatziert, wenn die Truppe zu akustischen Gitarren und Lap-Steel-Einlagen herumjammert. Aber was mit dem weinerlichen Titel "The Weirdness" - vom Vorgänger begonnen wurde - findet hier seine Fortsetzung. Der Titeltrack setzt dem Gejammer dann endlich ein Ende, und es wird wieder munter drauf los gewettert. Denn der Depressions-Beschwörer springt, mit leichten Alterserscheinungen versehen, wieder voll in die Presche. "DD's" und "Dirty Deal" setzen die Odyssee, unter allerhand Saxophon-Einlagen von Mackay, fort und endet in dem Wüsten-Groover "Beat that Guy", so wie dem lässigen Rausschmeißer im Westerngewand, "The Departed". Mittlerweile hat man sich dann auch an die akustischen Stooges gewöhnt, und die Titel machen - trotz Wutarmut - jede Menge Spaß.
Fazit: Moderate Vehemenz trifft auf unbändige Hartnäckigkeit. The Stooges sind bereit für die nächste Runde: Auf "Ready To Die" wird die eigene Vergangenheit ordentlich durch den Fleischwolf gedreht, ein wenig Altersweisheit beigemengt und fertig ist das aktuelle Release der Punk-Pioniere. Allerdings klingt es eher nach einer relaxten Version ihrer selbst, bei der sie sich aus der Ferne betrachten, denn die Ballade, wie auch die etwas leiseren Stücke kratzen dann doch an der sonst eher kompromisslosen Attitüde des Punk-Gespanns. Wo "The Weirdness" von 2007 den Zorn kaum verstecken konnte, klingt "Ready To Die" direkt versöhnlich, ganz so, als ob die Truppe mit der Welt noch ins Reine kommen möchte. Die Band will zwar immer noch mit dem Kopf durch die Wand, auch wenn es sich mittlerweile nur mehr um eine Holzwand handelt.
Anspieltipps: Burn, Sex And Money, Gun, Ready To Die, Beat That Guy, The Departed
Score:
79% Gut.
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