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Destination Anywhere – Hier ist Godot

Kritik von: Janis Dinter
Album-Cover von Destination Anywheres „Hier ist Godot“ (2013).
„Fetziger Ska-Poprock mit Klasse“
Interpret: Destination Anywhere
Titel: Hier ist Godot
Erschienen: 2013
Als ich die Jungs von Destination Anywhere vor vier Jahren das erste Mal live erleben durfte, war das noch in einem sehr überschaubaren Rahmen: ein kleiner Jugendklub irgendwo in Südwestfalen mit einer Bühne, die mehr ein Plateau auf Stufenniveau war. Doch tat dies der Tatsache keinen Abbruch, dass sie eine Show abliefern sollten, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist. Denn die Ska-Poprock Band aus Siegen bewies schon damals jenes Können, dass sie in der Folge auf ihren ersten beiden Alben unterstrichen und sie letztes Jahr sogar zu Rock am Ring brachte: eine wilde Mischung aus Bläsern, Rockelementen und dem unverwechselbar flippigen Gesang von Sänger David Conrad. Nachdem alle bisherigen Stücke der Band auf Englisch erschienen sind, verblüfft der erste Blick auf die Songliste des neuen Albums Hier ist Godot, denn plötzlich versuchen sich die Jungs in ihrer eigenen Sprache. Wie gut ihnen das gelungen ist? Wir werden sehen!
Der erste Song mit dem kolossalen Titel Wenn du in Castrop-Rauxel nicht glücklich wirst, dann liegt das nicht unbedingt an Castrop-Rauxel präsentiert sich ganz im bewährten Stil, nämlich mit funkigen Drum- und Basspassagen gemixt mit erfrischenden „gute Laune Geblase“. Die Stimme des Sängers passt sehr gut zur Musik. Recht hoch und jugendlich anmutend gelingt es Conrad dennoch einen angenehm klaren Klang zu erzeugen. Besonders durch ihn klingt die Band häufig poppiger als man es von den meisten anderen Ska-Bands gewohnt ist, was auch sicherlich Grund dafür ist, dass manche mehr als andere mit ihrem Sound anfangen können. Der Song ist auf jeden Fall perfekt um bei gutem Wetter auch die entsprechend sonnige Stimmung verpasst zu bekommen. Auch der zweite Song (Sommerkleid) beginnt mit Bläsern und ist eine gelungene Fortsetzung der zuvor gehörten Klänge. Schnell entpuppt es sich als ein Liebeslied, das rein textlich auch eine traurige Ballade sein könnte, doch ganz im Gegenteil: Destination Anywhere gelingt es, auch aus Gefühlen wie Sehnsucht und Liebeskummer ein positives und schönes Lied zu machen. Ganz im Stile des Soloprojekts von Farin Urlaub beginnt anschließend Am Ende ist doch niemand gern allein und wieder geht es um die Liebe. Dieses Mal ist die Sehnsucht auch stärker im instrumentalen Teil zu erkennen. Der Song, der die Probleme zweier Liebenden behandelt, die einfach nicht zueinander finden können, ist sehr gelungen und entzieht wohl jedem ein verträumtes Lächeln. Doch genug der traurigen Töne – das dachte sich wohl auch die Band – und prompt kommt Molekularbiologie, das anders als man es vermuten könnte, nicht von DNA und Genetik handelt, sondern – wer errät es schon? – von Liebe. Hier hatte Conrad jedoch ganz offensichtlich kein Interesse daran, Trübsal zu blasen, denn laut und fetzig nimmt er die Probleme mit der Liebe auf den Arm und vergleicht sie mit dem Fall aus einer einstürzenden Achterbahn. Soweit erfüllt das neue Album die Erwartungen zu 100%, sowohl was das Musikalische als auch was das Textliche anbelangt. Doch wie sich leider feststellen lässt, sollte sich das in der Folge noch ändern.
Warum denn nicht wir sind doch jung beginnt mit psychodelischen Klängen und hallendem, langsamen Gesang, der plötzlich durch Partyrock á la Jennifer Rostock abgelöst wird. Zwar passt das zum Song, der davon handelt, dass man ruhig mal etwas Gas geben sollte, solang man noch jung ist, doch ist der Klang der Strophen viel zu kindlich. Der Refrain ist dann zwar wieder im altbewährten Stil, doch leider ändert das nichts an den schwachen Strophen. Da tut es doch gut, dass Alles wird wie früher sein sehr viel erwachsener daherkommt. Nicht nur das Thema Liebeskummer steht der Band besser zu Gesicht, sondern auch das ganze Drumherum, denn hier konzentrieren sich die sieben Jungs wieder auf die Musik, die aus ihren eigenen Instrumenten kommt. Spätestens jetzt zeigt sich, dass es kein Fehler war von Englisch auf Deutsch umzusteigen, da Conrads Stimme genauso gut rüberkommt und die Lieder, die schon immer sehr auf ihre Texte gebaut haben, jetzt auch für jedermann verständlich sind. Somit ist es auch möglich den folgenden Song namens Kegelklub authentischer zu präsentieren. Erfreulicherweise kommen hier auch wieder die Bläser zum Einsatz, die für meinen Geschmack das gewisse Etwas der Band ausmachen, aber besonders auf diesem Album stellenweise etwas zu kurz kommen. So entwickelt sich erneut ein Gute-Laune-Lied, das sich besonders gut für Männerabende oder feuchtfröhliche Wochenendtreffen eignet. Auch das anschließende Lied Kompaktseminar lässt die Bläser wieder einmal zum Zug kommen – und zwar im spanischen Stil. Allerdings bleiben das und die Feststellung, dass Destination Anywhere offensichtlich zu ausgefallenen Songtiteln neigt, die einzig wirklich nennenswerten Dinge an diesem Song.
Welches Thema der Song Alles was schön ist muss vorbei gehen behandelt, dürfte wohl mittlerweile allgemein zu erraten sein. Hier gönnt sich die Band einmal eine kleine Ruhepause, doch als echte Ballade kann man auch dieses Lied nicht bezeichnen. Das absolute Gegenteil stellt der Song Facebook dar, welches zwar nur eine Minute und neun Sekunden lang ist, doch so viel Text hat, als wäre es vier Mal so lang. Im Text lassen sich die Jungs darüber aus, wie unsinnig es doch ist, sein ganzes Leben auf soziale Netzwerke zu übertragen. Auch hiermit lassen sie ihre Nähe zur Jugendkultur erkennen, reden aber wohl auch so Manchem aus der Seele, der in Sachen Facebook ähnlicher Meinung ist. So langsam neigt sich das Album der Zielgeraden zu und da passt Abstellgleis hervorragend, denn mit funkigen Klängen lässt die Band die Hörer noch einmal „mitgrooven“ – nichts Herausragendes, doch leitet der Song gut zu Pirat über. Und damit hat die Truppe wieder voll ins Schwarze getroffen. Mit ihrer gekonnt lockeren Art kreieren sie dennoch eine Fernwehstimmung, die wohl niemanden unberührt lässt. Wie auch schon in anderen Liedern singt David Conrad, der auch alle Texte der Band schreibt, von dem Verlangen jung, frei und glücklich zu sein. Dass das bei ihm keine hohlen Phrasen sondern seine tatsächliche Einstellung ist, lässt sich definitiv heraushören und macht ihn umso sympathischer. Nichtsdestotrotz muss ein jedes Album mal vorbeigehen und das geschieht in diesem Fall mit dem Titelsong: Warten auf Godot. Und welche Frage drängt sich da wohl jedermann auf? Genau – Was soll bitteschön Godot sein? Hier die Antwort vorweg: Godot ist kein Was sondern ein Wer. Und zwar eine fiktive Figur aus dem französischen Theaterstück „Warten auf Godot“ aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Darin verbringen zwei ziellose Streuner ihre Zeit damit auf diese Person zu warten, doch wissen sie nicht, ob es sie überhaupt gibt und wenn ja, wer sie ist. Diese Idee überträgt Conrad auf eine andere Person, die jung ist mit Erfolg im Beruf und mit einer Ehefrau sowie einer Affäre. Doch sieht diese Person ein, dass sie niemals wirklich glücklich gewesen ist und ihr all die kleinen Freuden des Lebens verwehrt geblieben sind. Damit ist dieses Lied der unumstrittene Höhepunkt auf ihrem Album und lässt auch die tiefgründige Seite von David Conrad erkennen.
Insgesamt haben die sieben Musiker von Destination Anywhere eine gute Scheibe zustande gebracht, die sehr stark beginnt, im Mittelteil streckenweise ihre Schwächen hat, dann aber mit den letzten beiden Songs eine runde Sache daraus macht. Wer sich ein Bild vom Können der Truppe machen möchte, dem sei empfohlen sich das Video zu Warten auf Godot anzuschauen,um dann eventuell positiv gestimmt im nächsten Plattenladen nach der CD zu Fragen.
Score: 86% - Sehr gut.
 
Score:
86% Hervorragend!

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