Die "Pinkies" sind zurück! Doch eigentlich waren sie gar nie wirklich weg, nur ist es in letzter Zeit wieder etwas ruhiger um die Karlsruher Rocker geworden, deren letztes Studio-Output "In10Sity" nun auch schon wieder sechs Jahre zurück liegt. 2009 wurde zwischenzeitlich das zweite, vortreffliche Live-Album "Live in Karlsruhe" eingeschoben und seither heißt es für alle Fans "Warten". Bassist Dennis Ward und Drummer Kosta Zafiriou stellten derweil ihr Können in die Dienste von Unisonic, die sich 2009 aus den Mitgliedern verschiedenster Rock- und Metal-Acts aus dem deutschsprachigen Raum gründeten, die da wären: Michael Kiske (Ex-Helloween), Kai Hansen (Ex-Helloween, Gamma Ray), Mandy Meyer (Ex-Gotthard) und eben Ward plus Zafiriou von Pink Cream 69. Leise höre ich aus der Ferne das Wort "Supergroup" ertönen, aber nachdem es meiner Meinung nach längst überstrapaziert ist und außerdem für viele das Unwort der letzten Jahre ist, schenken wir uns das. 2012 kam dann die Schreckensmeldung für die Fangemeinde der "Pinkies": Schlagzeuger Kosta Zafiriou verläßt die Band, um sich fortan auf die Arbeit bei seiner Agentur Bottom Row Promotion zu konzentrieren. Stand jetzt die Zukunft der Band auf der Kippe, nachdem Jahre zuvor Andi Deris - der 1994 Michael Kiske als Sänger bei Helloween ablöste - jetzt das zweite Gründungsmitglied die Truppe verließ.
Der Brite David Readman trat damals als Nachfolger in seine Fußstapfen, die viel größer schienen, doch, wider allen Erwartungen, machte er seinen Job hervorragend und holte die Band - mit ihrem neuen Sound - musikalisch ins nächste Jahrtausend. Nebenbei fielen auch Deris' Ausflüge in die höheren Stimmlagen weg und so wurde ihr Rock massentauglicher. Man kann also durchaus von einem Glücksgriff sprechen. Der grandiose Longplayer "Change" war das erste Ergebnis der äußerst fruchtbaren Zusammenarbeit. Perlen wie "Light of Day" oder der Titeltrack, die mit ihrem schrägen Riff, gespielt von Ausnahme Gitarrist Alfred Koffler, in jeder Hinsicht überzeugten. Auch das T-Rex-Cover "20th Century Boy" erstrahlte - im veränderten Pink Cream 69-Sound - in neuem Glanz. Der Nachfolger "Food for Thought" übertraf den Vorgänger sogar noch um einiges, da die Band jetzt perfekt eingespielt war und das Album eine enorme Kompaktheit und Hit-Dichte aufwies, das mit "Snap", "Big Shot", "Anger", "Digging through the Past" oder der Power Ballade "Better Days", fünf Granaten gleich zu Beginn des Albums hatte. Und sie hielten die Qualität bis zum Schluss, inklusive des Queen-Klassiker "We will rock you", der noch nie soviel Spaß gemacht hat, und es nach all den Jahren immer noch tut.
Auf dem ersten Live-Output von 1997 - das 2005 mit zwei Bonus-Tracks neu aufgelegt wurde - konnte man sich dann auch von Readman's Live-Qualitäten überzeugen, der die Andi Deris' Nummern - wie "Welcome the Night", "Talk to the Moon", "Way Down" oder die Anti-Hooligan-Hymne "Keep your Eye on the Twisted" - ohne größere Anstrengung, bravurös meisterte. Die Folge-Alben "Electrified", "Sonic Dynamite", "Endangered" und "Thunderdome" konnten zwar nicht mehr so eine musikalische Dichte aufweisen, waren aber dennoch astreine Pink Cream 69-Alben, die jedes seine Glanzstücke hervorbrachte. Auf dem 2007er-Album "In10Sity" war dann Uwe Reitenauer zum ersten Mal mit auf einem Studio-Album, der seit 2003 - den an Fokaler Dystonie (Muskelkrämpfe, Anm. d. R.) erkrankten Alfred Koffler - ein wenig entlastet. Im nachfolgenden Review werden wir dem aktuellen Longplayer der "Pinkies" mit dem Titel "Ceremonial" auf den Zahn fühlen und sehen, ob der neue Mann an den Drums, Chris Schmidt, Kosta das Wasser reichen kann. Viel Spaß beim Anhören oder alternativ Durchlesen des Live-Reviews!
Kritik von: Michael Voit
Es ist das mittlerweile elfte Album der Truppe, die nächstes Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum mit David Readman feiern, alle Live-Alben und die EP "Mixery" mitgerechnet. Die erste Frage die sich gleich mal stellt: Ist eine Cover-Version auf dem Album? Wie die Vergangenheit zeigt, haben die Jungs, seit Readmans Einstieg, das beinahe schon zur Tradition werden lassen und relativ oft Cover auf ihre Studio und Live-Alben gepackt, wie z.B.: Den The Knack-Hit "My Sherona", The Who's "Pinball Wizard", Mötley Crüe's "Looks that Kills", Bob Marleys "No Woman No Cry", Lenny Karvitz' "Are you gonna go my Way" und eben die beiden, vorhin schon erwähnten Titel. Aslo die Frage ist nicht unberechtigt, dennoch muss ich sie verneinen, keine Cover-Version. Der Opener "Land of Confusion" zeigt recht schön, dass der Sound, gegenüber seinem Vorgänger "In10Sity", wieder ein wenig wuchtiger geworden ist, aber auch klobiger. Hier klingt das Quintett streckenweise stark nach Mötley Crüe auf ihrem selbstbetitelten Album von 1994 (Das Einzige übrigens, das ohne Vince Neil eingespielt wurde und einen viel mächtigeren Sound hatte, als alle anderen. Unbedingter Hör-Tipp!, Anm. d. R.). Bei Track Nummer Zwei, "Wasted Years", ist er wieder da, der leichtfüßge Sound von Pink Cream 69. Und Alfred Koffler ist nach wie vor über alle Gitarreros erhaben. Uwe Reitenauer gibt ihm den Raum sich komplett zu entfalten, von einem Solo zum nächsten zu springen und sie in schwindelerregende Höhen zu befördern. Er klingt, als hätte er wochenlang nicht spielen dürfen, so rotzt er eine Riff, wie auch Solo nach dem anderen raus. Vielen Dank, Uwe! Auch die Mitsing-Refrains haben sich die "Pinkies" erhalten, die sich - nach dem spätestens zweiten Durchgang - im Gehör festkrallen, wie bei dem hundsgemeinen Pop-Rocker "Special". Das Alles macht sie zu einem Rock-Act, der von der deutschen Musiklandschaft nicht mehr wegzudenken ist. Chris Schmidt macht seine Sache vorbildlich, besonders gut zu hören auf "I came to Rock".
Einziger Kritikpunkt wäre hier der Sound. Kosta war immer mehr mitten im Geschehen, bei "Ceremonial" hat man das Gefühl, als würden die Drums ein wenig in den Hintergrund gerutscht sein. Lustigerweise klingt der Gitarrensound bei "Wasted Years", "I came to Rock", aber vor allem bei "Let the Thunder roll", extrem nach Eddie Van Halen auf "Ain't talking bout Love". Bedrückt mich aber nicht weiter, denn so habe ich doch noch meine Cover-Version bekommen. Die Songs klingen aber, im weiteren Verlauf, dann doch eindeutig nach Pink Cream 69. Und das ist gut so, denn die Karlsruher haben es im Laufe der Jahre geschafft, einen eigenen Sound zu etablieren, der sie für ihre Hörerschaft einzigartig uns sofort erkennbar macht. Bei genauerer Betrachtung reicht "Big Machine" sogar an die Klasse von "Welcome the Night" heran. In erster Linie weil er aus dem selben Holz geschnitzt ist. Sie können es also noch immer!
Fazit:"Ceremonial" reicht nicht ganz an die Spritzigkeit seines Vorgängers heran, dennoch rocken Pink Cream 69, dass die Schwarte kracht. Irgendwo hat man das alles schon mal gehört, großteils bleibt man aber im Unklaren, weil sie allem sofort ihren Stempel aufdrücken. Und genau das macht den Charme aus. Versehen mit gefälligen Hooks und Ohrwürmern - was ja schon immer ihre Stärke war - rockt das aktuelle Album beinahe in seiner vollen Länge. "Find Your Soul", "The Tide" und "King for one Day" rutschen ein wenig ins Power-Balladen-Gefilde ab. Das ist allerdings kein Grund zum Weinen, denn seit "Better Days" sind sie auch auf diesem Sektor ein Garant für Qualität mit Nachhaltigkeit. "Ceremonial" ist definitiv eines dieser besonderen Alben, an dem man - mit jedem neuerlichen Durchlauf - wachsen kann. Das, wie wir alle wissen, ein Qualitätskriterium darstellt. Als ich die Band am 24. Februar 1992, im Zuge ihrer "One Size Fits All"-Tour, im Vorprogramm von Europe, sah, war ich mir nicht bewusst, dass mich die Jungs noch Jahrzehnte lang begleiten werden. Schön, dass es heutzutage noch Konstanten gibt, auf die man sich verlassen kann, und eine davon ist Pink Cream 69.
Anspieltipps: Wasted Years, Special, Big Machine, Let the Thunder roll, I came to Rock
Score:
85% Hervorragend!
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