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Interview: Jennifer Rostock

mit Christoph Deckert und Christopher Kohl vom 25. Januar 2013 in der Großen Freiheit 36, Hamburg
Titten, Tattoos und Alkohol. Das dürften für viele Leute die ersten Assoziationen mit dem Phänomen „Jennifer Rostock“ sein. Eine junge Band, die eigentlich niemand so richtig kannte, bis sie 2008 beim Bundesvision Song Contest für Mecklenburg-Vorpommern einen beachtlichen fünften Platz belegte. Seitdem ging es auf der Karriereleiter steil bergauf, wobei die Formation um ihre kreativen Masterminds Joe Walter und Jennifer Weist nicht mehr aus dem öffentlichen Interesse der Medien wegzudenken sind.

Geliebt und gehasst … authentisch oder „taktlos“?

Dabei ist sich die Formation auch nicht zu schade, am konservativen Ende des modernen Moralaposteltums anzuecken. So bekamen Mädels, die sich im Scheinwerferlicht „oben ohne“ zeigten, einen vollen Becher Whisky-Cola ausgegeben. Kurzhaarige weibliche Fans werden indes mal eben grundsätzlich als Lesben tituliert. Kennzeichen der Band: Gnadenlose Ehrlichkeit. Seien es bis an den Rand der Demütigung kreisende Beleidigungen ihrer Fans auf der Bühne oder auch ein jüngst auf Facebook entarteter Shitstorm – die Berliner Elektrorock-Brigade ist bekannt und umstritten dafür, ihre Meinung unverblümt und ins Schwarze hinaus zu posaunen. Ob sie dieses dann auch immer trifft, ließe sich wohl debattieren. So hatte sie auf ihrer Facebook-Seite pauschal angekündigt, in Zukunft Fans von ihren Konzerten ausschließen zu wollen, die mit T-Shirts der Böhsen Onkelz oder Frei.Wild erscheinen, da sie mit dem braunen Milieu nichts zu tun haben wollten. Es folgte eine deutschlandweite Entrüstungswelle von Fans, die sich alleine auf Grund ihrer musikalischen Interessen in die Nazi-Ecke gestellt sahen.
Für Aufmerksamkeit sorgte auch Keyboarder Joe, als er während des Berliner Konzerts am 26. Januar 2013 auf der Bühne seinem Lebensgefährten Holger einen Heiratsantrag machte. Mutig und provokant, dabei zumeist authentisch. Eines können Jennifer Rostock zweifelsohne: Polarisieren, auch fernab ihrer Musik. Und das scheint ein Erfolgsrezept in deutschen Landen zu sein, wie uns schon Sammy Amara von den Broilers jüngst auf dem Wacken 2012 aufschlüsselte:
„[…] das heißt, die Einen feiern es ganz hart ab, während die Anderen es richtig scheiße finden! Lauwarm wird nie funktionieren.“
Recht untypisch für ihr punkiges Auftreten und die elektronisch aspirierten Töne irgendwo zwischen Indie-Mucke mit keckem Wortgebeize und eingängigem Pop-Rock steht die Band bei Warner Music unter Vertrag und erfreut sich eines stetig wachsenden Besucherzustroms. Ohne neues Album, dafür aber mit „vielen alten Liedern – neu arrangiert“, tourte die Band auch in den ersten Monaten des Jahres 2013 wieder durch Deutschland und besuchte dabei gleich 2x die Hansestadt Hamburg. Ganz im Stile ihres ersten Live-Albums aus Berlin wurde auf der Bühne teilweise sehr stark von den Alben-Versionen der Lieder abgewichen. Natürlich nutzten wir die Chance und luden die Jungs und das Mädel zum Interview. Letztere hatte leider trotz nachdrücklicher Bitte keine Lust, sich mit uns vor die Kamera zu setzen. So verblieben wir mit dem sympathisch-extrovertierten Bassisten Chris Deckert und einem leidlich gelangweilten Drummer Chris Kohl auf einem improvisierten Sofa im Hamburger Kaiserkeller und sprachen über manch eine Kontroverse, welche die Band seit Jahr und Tag umgibt.

Kellergespräche

Wie lief die Deutschland-Tournée 2013? Wie kommt es, dass gerade die Konzerte in Hamburg meist binnen kürzester Zeit ausverkauft sind? Wie fühlt man sich, nach nur 2 Tagen Pause schon wieder in ein- und derselben Stadt zu spielen – alles Wiederholung oder bleibt man da frisch und gespannt auf das, was kommt? Wieviel Freiheit hat eine Band beim Neuarrangieren alter Lieder? Und: Läuft man damit nicht Gefahr, Fans zu verärgern, die auf der Bühne erwarten, was sie vom Album kennen? Wie schafft es eine Band, Gastmusiker aus den Gefilden des Extreme Metal der Marke Mathcore, Hip Hop und Indie auf eine einzige Bühne zu laden und damit beim sonst stilistisch eher zerstrittenen Publikum anzukommen?
Wie stellt sich so ein Konzertauftritt aus Sicht der Musiker da? Wieviel Entertainer muss in einem stecken, um für den Job geeignet zu sein und den Fans eine tolle Show bieten zu können? Legt man sich da vielleicht mit der Zeit gewisse Bewegungen und Sprüche zurecht und ruft diese dann on stage stückchenweise ab, wie ein Puzzle? Wie sieht bei Jennifer Rostock dieses „dramaturgische Konzept“, wie Chris es nennt, aus? Ist eine Improvisation auch schonmal so richtig in die Hose gegangen? Was denkt die Formation darüber, auf ihre Frontfrau reduziert zu werden? Bereut man dahingehend vielleicht nachträglich die recht irrleitende Wahl des Bandnahmens? Und wie geht Jennifer eigentlich damit um, umso mehr im Rampenlicht und Fegefeuer der Fans und des öffentlichen Bashings der Hater zu stehen?
Jüngst mussten die Konzerte in Desdren und Leipzig abgesagt werden, da Jennifer an einer schweren Erkältung litt. Wie erlebt man als Künstler solche spontanen Show-Absagen am Tag des Konzertes selbst? Ist es einem im Prinzip egal, weil man die Show halt einfach zu einem späteren Zeitpunkt nachholen kann, oder befürchtet man schon Ticketrückgaben und verärgerte Fans?
Zuletzt sprachen wir auch über die jüngste Veröffentlichung der Band: „Live in Berlin“. Die Scheibe wurde von vielen Fans sehr positiv aufgenommen, es wurde jedoch oft die starke Bearbeitung des Tons bemängelt. Manche Kritiker äußerten gar die Vermutung, der Gesang sei im Studio aufgenommen worden, da ein derart klarer Ton ohne jede Schwankungen kaum aufnehmbar sei, wenn die Sängerin auf der Bühne herumspringt, so wie Jennifer Weist es nunmal gerne tut. Wie steht die Band diesen Vorwürfen gegenüber? Wieviel Nachbearbeitung tut einer Live-Kompilation gut und ab wann produziert man sie zu Tode? Und wieviel Sinn haben Veröffentlichungen im Allgemeinen, auf denen „live“ steht, die aber im Prinzip ein Studioalbum mit eingesampleten Anmoderationen und Publikumsgeschrei sind?

Große News für die Fans der Band:

Ganz zum Schluss kündigten die Jungs noch an, dass es bereits dieses Jahr ein neues Studio-Album geben soll! Konkrete Infos gibt es zwar noch nicht. Dafür sei auch der Stand der Arbeiten am neuen Werk viel zu früh. Man darf aber gespannt sein!
Seht dieses und vieles mehr in unserem exklusiven Metal Trails-Interview.
Frisch aus der Großen Freiheit 36 in Hamburg. Viel Spaß!
P.s. Die Konzertfotos von der Show am 25. Januar 2013 in der Großen Freiheit 36 findet ihr hier!
Moderation: Arne Luaith; Fotografie: Arne Luaith; Kamera: Alexander Kipke
Wer in das aktuelle Album „Mit Haut und Haar“ von 2011
reinhören möchte, kann dies hier tun:
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