Stimmt es wirklich, dass es heute zahlenmäßig viel mehr Bands da draußen gibt, als es im Vergleich zu den Siebzigern oder Achtzigern noch der Fall war? Das kann gut hinkommen … obwohl damals durch die höhere Popularität der Rockmusik, es eigentlich für viele Jugendliche einfach zum Erwachsenwerden dazu gehörte, in einer Band zu spielen, bieten heute die damals noch nicht erfundenen Kommunikationsmittel ganz neue Tore für die nachkommende junge Generation an Musikern.
Wie viele Bands oder Künstler haben seitdem den Aufbau ihrer Karriere durch YouTube, Facebook oder Myspace beschleunigen können? Fast scheint es so zu sein, dass man heutzutage die Möglichkeit hat, seine ganze Karriere von zu Hause aus zu steuern und selbst on Tour keinen Schritt vor die Tür setzen zu müssen. Selbst Bands, deren Mitglieder quer verstreut über den Globus leben und sich im extremsten Fall niemals getroffen haben, konnten schon Reden von sich machen.
Klar, ohne Finanzen und Vitamin B lief damals wie auch heute nicht viel, doch vor allem seit der Jahrtausendwende macht sich die blauäugige "Generation Internet" durch ernstzunehmende Erfolge in der professionellen Musikindustrie bemerkbar. Damit sind natürlich nicht die Bands gemeint, die einfach nur eine Facebookseite oder so betreiben, sondern Musiker, die ihren großen Durchbruch erst den ganzen Socialmedia-Plattformen zu verdanken haben.
Beim Blick auf diese Entwicklung mit ihren vielen spannenden Aspekten, machen sich natürlich auch gewisse Klischees und Vorurteile bemerkbar, vor allem wenn Vertreter älterer Genres auf unsere jungen Hoffnungsträger blicken. Schnell wird dann die Legitimität dieser Musiker hinterfragt und eine neue Definition für Professionalität gefordert. Und wie sieht das alles aus der Perspektive der gerade aufblühenden Bands aus? Lest einfach selbst, was uns die Jungs von der Hardcore-Band The Green River Burial dazu erzählt haben!
Viel Spaß beim Lesen!
Das Interview:
Alex: Grüßt euch Leute! Könnt ihr euch bitte kurz unseren Lesern vorstellen? Was ist eure Aufgabe bei The Green River Burial?
Phil: Hi, ich bin Phil! Ich spiele Bass und bin der Bart in der Band.
Mo: Hi, ich bin Mo, ich spiele Gitarre und bin der Schwabe.
Tom: Hey, ich bin Tom, ich spiele Drums und bin das Standbein der Band.
Mert: Hi, ich bin Mert! Ich schreie und kann nichts.
Alex: Wie sehen die bisher wichtigsten Stationen in der Geschichte der Band aus?
The Green River Burial: Wir können wohl drei Meilensteine festhalten: DIY-Release unserer EP Anfang 2010 mit folgenden ersten regelmäßigen Showterminen, Sänger- und Drummerwechsel im Jahre 2011 mit somit anschließend völlig neuem Line-Up und das Label-Singing sowie Release unseres Debutalbums Ende 2012.
Alex: Gab es einen Schlüsselmoment, der zur Gründung der Band führte?
The Green River Burial: Phil hat durch Zufall über den Green River Killer, Gary Ridgway, gelesen und fand die Materie und Psyche dieses Mannes so interessant, dass er sie musikalisch aufgreifen und verarbeiten wollte.
Alex: Wie seid ihr persönlich zur Musik gekommen?
The Green River Burial: Vor allem Konzerte, der "das kann ich besser"-Effekt und auch der Wunsch irgendwann mal Frauen damit beeindrucken zu können (hat bisher nicht geklappt) haben uns zur Musik gebracht.
Alex: Zu eurem neuen Album "Separate & Coalesce" gab es einige recht negative Kritiken zu lesen. Wie geht ihr mit solchem Feedback persönlich um?
The Green River Burial: Genau wie in allen anderen Musikrichtungen gilt auch beim Hardcore: Musik ist Geschmackssache. Wenn Rezensenten uns mit der 2006er Metalcoreschiene optisch, wie musikalisch vergleichen und der Vorwurf fällt wir würden sämtliche Elemente derselben stumpf kopieren, dann bringt uns das zum schmunzeln, weil wir das nicht so sehen und den Begriff Metalcore vermutlich einfach anders definieren als der Autor des jeweiligen Texts. Speziell aus dem "True Metal"-Lager kam ein Großteil der negativen Rezensionen und wir hatten nie vor Fans von Manowar oder Cannibal Corpse zu begeistern. Von daher trifft es uns nicht so hart, dass die von unserer Musik nicht so viel halten.
Alex: Wie wichtig ist euch überhaupt die Meinung von Presse und Fans? Richtet ihr euch danach, wenn ihr sinnvolle Verbesserungsvorschläge bekommt?
The Green River Burial: Gute Reviews liest vermutlich jede Band gerne, schlechte Reviews sind uns weitestgehend egal, weil sie hauptsächlich von Autoren aus anderen Genres geschrieben werden, die einen anderen Fokus auf die Musik legen als wir. Dennoch ist man über jede Kritik dankbar, sei sie positiv oder negativ - Hauptsache eben konstruktiv. "Fanfeedback" in diesem Sinne haben wir soweit wir uns erinnern noch nicht bekommen, meist beschränkt es sich eher auf etwas einfach gut gemeintes wie "Fettes Album" oder "Geile Show".
Alex: Woran sich einige Rezensenten eurer neusten Scheibe den Kopf zerbrachen, sind folgende Zeilen:
"Der Hardcore hat uns reich gemacht, Hater haben Recht, wir sind so eingebildet, wie man sagt. Kein fester Stil, fick auf Genreregeln, wir machen was wir wollen, jemand was dagegen?"
Könnt ihr dazu Stellung beziehen?
The Green River Burial: Der gesamte Rap-Part, dem das Zitat entstammt, wurde extrem kontrovers diskutiert und genau das wollten wir damit erreichen. Der Part ist zum einen Teil extrem stumpf, prollig und so wie sich viele Bands eben geben, aber abseits der platten Tough-Guy-Attitüde eben auch szenekritisch und spricht die Sachen an, die uns persönlich auf Konzerten und generell nerven. Was davon jetzt ernst gemeint und was mit zynischem Unterton formuliert ist, muss jeder für sich deuten.
Alex: Auf der anderen Seite gab es einige begeisterte Rückmeldung, die vor allem „Wut, Hass, Aggression und Groove“ der Scheibe sehr lobten. Von 2/10 bis hin zu 80 von 100% findet man alle möglichen Wertungen. Woran glaubt ihr liegt es, dass ein so großes Spektrum abgedeckt wird?
The Green River Burial: Wie gesagt, nicht jedem gefällt jede Musik und wenn jemand von einem Album progressiven Power Metal erwartet, wird er von unserem Album gnadenlos enttäuscht werden, während jemand, der eine fette Hardcoreplatte hören möchte in den meisten Fällen sein Review mit einem Grinsen auf dem Gesicht tippen konnte.
Alex: Wie kann man heutzutage als junge Band aus der schier endlosen Masse an anderen Musikern herausstechen?
The Green River Burial: Wir haben auf jeden Fall gelernt dass echte Leidenschaft, harte und nervenaufreibende Arbeit über Jahre hinweg sowie die Bereitschaft, gewisse Opfer zu bringen zwingend dazu gehören.
Alex: Als 2008 gegründete Band, gehört ihr zu der von YouTube und Facebook geprägten Generation. Haben euch diese Portale irgendwie auf dem Weg nach oben geholfen? Wenn ja, wie?
The Green River Burial: Ein Nein wäre für uns und wohl 90 % der vergleichbaren Bands unserer Generation eine Lüge. Klar, Bandleben spielt sich auch (!) außerhalb vom Weg 2.0 ab, und am Ende bringt dir all die Internetpräsenz nichts wenn deine Shows langweilig und untight sind. Aber nichtsdestotrotz läuft extrem viel über Updates & Fotos auf Facebook, neuste Videos auf YouTube und online Merchstores ab, und diese Portale helfen nicht nur zum Einstieg. Sie sind eigentlich unverzichtbar.
Alex: Im letzten Jahr machte die GEMA viele negative Schlagzeilen beim Kampf gegen die illegalen Musikuploads vor allem auf YouTube. Wie steht ihr zu dieser Thematik? Sollte Musik auf solche Portalen für jeden verfügbar sein?
The Green River Burial: Man kann nicht einfach sagen, dass alle Musik für jeden verfügbar sein muss. Das sollte die Entscheidung des jeweiligen Künstlers bleiben. Schade wird es nur, wenn beispielsweise eine amerikanische Band gar nichts davon mitbekommt, dass eine öffentliche Verwertungsgesellschaft ihr Musikvideo für alle deutschen Nutzer sperrt und es in diesem Land eigentlich niemand anschauen kann. Da haben am Ende dann nämlich nur die "falschen" was von: Bands und Fans ärgern sich und Label und GEMA kassieren trotzdem. Es ist also weniger ein Problem der GEMA an sich sondern der intransparenten Verträge und dem veralteten und weltweit uneinheitlichem Urheberrecht.
Alex: Bis zu welchem Punkt, könnte man sagen, dass für eine gerade durchstartende Band die mitgefilmten Konzerte oder hochgeladene Musikvideos eher gratis Promo sind, als Schädigung?
The Green River Burial: Bis zu dem Punkt, wo die Videos ein schlechtes Licht auf die Band werfen. Dann liegt die Schädigung aber nicht in den Clips sondern in der Band selbst. Kurz gesagt: wir sehen in YouTube-Uploads eher Chancen als Risiken.
Alex: Aus welche Leuten besteht euer Publikum? Vor allem ganz junge Fans oder findet auch der eine oder andere ältere Hörer zu euch?
The Green River Burial: Auf unseren Konzerten treffen wir weitgehend Leute in unserem Alter oder jünger. Wenn nicht mal unsere eigenen Eltern unsere Musik hören muss man wohl sagen, dass wir als Teenie-Band gelten. Da haben wir aber kein Problem mit, mit den Leuten die wir durch unsere Musik kennenlernen kann man einen riesen Spaß haben.
Alex: Stört es euch, als Teil der Metalcore-Teeny-Fraktion abgestempelt zu werden?
The Green River Burial: Wie gesagt: wir sind ja selbst noch Kids wie alle anderen auf unseren Shows. Wir machen einfach was wir lieben, wenn uns dafür jemand abstempelt ist uns das ehrlich gesagt ziemlich egal.
Alex: Gibt es eine bestimmte Message, die ihr mit eurer Musik im Allgemeinen rüberbringen wollt? Oder ist es eher so, dass ihr mit jedem Song eine neue Message habt?
The Green River Burial: Wir alle haben Hardcore nicht nur aus dem Gefallen an der Musik für uns entdeckt. Das, was diese Szene von der heutigen Musikindustrie unterscheidet, ist die ausdrucksstarke Message in musikalischer und vor allem lyrischer Form. Es wäre also schade für eine Band in dem Genre, Hardcore nicht als Chance wahrzunehmen Emotionen wie Leidenschaft, Hoffnung oder Aggression, Frust oder Glaube in der Musik zu verarbeiten. Uns ist es wichtig, dass sich die Hörer in den Texten selbst wiederfinden, egal welche Persönlichkeit dahinter steckt. Deswegen sind die Texte, vor allem auf „Separate & Coalesce“, relativ offen geschrieben und lassen viel Raum für Interpretation. Gewisse Botschaften in Richtung Toleranz und Durchhaltevermögen (die uns persönlich sehr am Herzen liegen) sind dabei natürlich deutlicher formuliert als andere, im großen und ganzen lassen wir aber jedem die Chance The Green River Burial für sich persönlich zu interpretieren und so die Songs auf individuelle Erlebnisse zu beziehen.
Alex: Welchen Stellenwert hat die Musik in unserer heutigen Zeit? Große Musiker, wie Francis Rossi von Status Quo oder auch Stu Cook von Creedence sagten uns, dass die Musik früher einen viel höheren Stellenwert im alltäglichen Leben hatte, als heute ...
The Green River Burial: Wir glauben, dass die Musik immer einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft haben wird. Auch wenn die Leute es vielleicht nicht immer wissen - im Grunde braucht (fast) jeder Musik auf seine Art und Weise. Rückgehende CD-Verkäufe machen vielleicht den Anschein, als ob damit auch der Musikkonsum sinkt. Wir wissen aber alle nur zu gut, dass das eine mit dem anderen wenig zu tun hat. Sei es zur Hintergrundberieselung vom Radio, als Stimmungsbringer in Kinofilmen oder zum Abreagieren auf Hardcore-Shows: ohne Musik würde uns allen was fehlen.
Alex: Und worin seht ihr die Aufgabe von Musik in unserer Gesellschaft? Soll sie unsere Welt verändern oder zeigt Musik nur, wie der aktuelle Stand der Dinge ist?
The Green River Burial: Musik mit einer Aufgabe auszustatten klingt gefährlich. Sie sollte eigentlich aus freien Stücken entstehen und nicht an einen Zweck gebunden werden, das hat schon Beethoven erkannt. Was Musik also bezwecken soll ist jedem Künstler selbst überlassen, uns soll sie Spaß machen und persönlich erfüllen. Andere wollen vielleicht auch mal die Welt verändern. Verallgemeinerung fällt hier schwer.
Alex: Wie steht's um ein zweites Studioalbum? Ist da schon etwas in der Mache?
The Green River Burial: Da wir vor wenigen Monaten erst unser Debut rausgebracht haben und seither durchgehend ordentlich am Touren sind kann man den aktuellen Zustand wohl eher als "Ideen-Sammeln" bezeichnen. Aber klar, wir fangen schon langsam an wieder nach vorne zu blicken und neue Pläne zu schmieden.
Alex: Was steht sonst noch für die Zukunft der Band an?
The Green River Burial: Musik machen, rumfahren, Leute kennenlernen, die beste Zeit des Lebens genießen. Wir machen einfach genau so weiter wie bisher, hat sich bewährt.
Alex: Vielen Dank für die Zeit! Jetzt gehört euch das Schlusswort an all die lauschenden Fans da draußen!
The Green River Burial: Vielen Dank für's Zeit nehmen und bis hierhin durchlesen! Bis demnächst auf 'ner Show.
Moderation: Alexander Kipke
Wer in das aktuelle Album „Seperate & Coalesce“ von 2012
reinhören möchte, kann dies hier tun:
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