White Daze – Preflight

Kritik von: Michael Voit
Album-Cover von White Dazes „Preflight“ (2013).
„White Daze brillieren mit einem erwachsenen und ausgeklügelten Songwriting ...“
Interpret: White Daze
Titel: Preflight
Erschienen: 2013
Das deutsche Trio White Daze legt eines dieser Zeitreise-Alben vor, mit dem ein Besuch in der Vergangenheit - per Knopfdruck - möglich wird. Die Musik die wir auf ihrer Debüt-EP "Preflight" hören, klingt nach einer Zeit, in der die Jungs - mit ihren 18 bis 20 Jahren - noch nicht einmal in Planung waren, und selbst ihre Eltern noch in den Windeln lagen. In einer Zeit, in der die Allman Brothers zu stundenlangen Gigs luden, Deep Purple allerorts ihr Unwesen trieben und Rory Gallagher die Fans mit "Tattoo'd Lady" begeisterte.
Eine Zeit, in der musikalisch alles möglich schien und natürlich auch alles ausprobiert wurde. Und das bezieht sich jetzt ausnahmsweise mal nicht nur auf die Musik. 2008 haben die Brüder Marc und Nico Bauer dieses Projekt gestartet und mit Sebastian Neumeier gleich den perfekten Drummer, für ihr Vorhaben "White Daze", gefunden. Man beachte, da waren die Burschen gerade mal 14-15 Jahre alt. Drei Jahre später supporteten sie schon The Sweet. Und letztes Jahr dann auch noch Graveyard und Kylesa. Die Erfolgskurve geht für die Drei also steil nach oben. Und so überrascht es auch nicht weiter, dass "Preflight" eine überragende EP geworden ist, die mit Blues- und Hard-Rock, im Fahrwasser von Rainbow, der Allman Brothers, Thin Lizzy, aber allen voran, immer wieder Deep Purple und Rory Gallagher, segelt. Man hört dem Mini-Album zu keiner Zeit seine Herkunft an, und schon gar nicht das Alter der Drei. Ich war genauso perplex wie damals, als ich das erste Mal Johnny Lang oder Kenny Wayne Shepherds Alter erfahren habe, nachdem mich ihre Alben vollkommen aus den Socken hauten.
Die in 6 Tracks unterteilte EP lässt leider nicht genug Raum, um ihr gesamtes Können zu zeigen, aber dennoch ist "Preflight" ein äußerst interessanter Kickstarter geworden. Beim Opener ist der Name Programm: "Kick in" macht was er soll, und so geht's, mit einem völlig überraschenden Arschtritt, auf zum ersten Testflug - Schlaghosen inklusive. Marc Bauer spielt locker viele seiner Kollegen an die Wand, und die würden ihm sicher am liebsten die Finger dafür brechen. Denn wer mit 20 Jahren ein Ruder so zu spielen vermag, bei dem kann was nicht mit rechten Dingen zugehen. Er wird doch nicht (auch) einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben? Meinen könnte man es, denn der Junge kann spielen, dass selbst Ritchie Blackmore einen Hofknicks vor ihm machen würde, wäre er nicht damit beschäftigt, von Burg zu Burg zu ziehen. Und auch stimmlich kann man nicht meckern: Marc singt mit einer Whiskey getränkten Stimme, wie einst der Gallagher. Hab ich eigentlich schon den Magier an den Tasten erwähnt? Nico Bauer ist für die brodelnde Hammond verantwortlich, die jeden Song, von innen heraus, wärmt und diese EP so groß macht. Er orgelt sich in klassischer Manier durch die Songs und erinnert dabei immer wieder an eine Mischung aus dem großartigen Ray Manzarek und dem 2012 leider verstorbenen Jon Lord. Über das Klavier spaziert er mit einer ebensolchen Leichtigkeit, die auf "Out of Sight" gut nachzuhören ist. Auch "Troublemaker" hält sein Versprechen und mischt den Blues-Rock ordentlich auf. Das fragil dahingroovende "Watch a Hawk" ist ein weiteres Versatzstück für Marc Bauers grandioses Zusammenspiel mit seinen Band-Kollegen. Munter springt er zwischen den weichen Bassläufen umher und sorgt allerorts für Aufsehen. Nach "Nine Times out of Ten" möchte man dann am liebsten Weinen, weil das Ende so abrupt einsetzt, dass ich auf die Sekunde den ärgsten Entzugserscheinungen ausgesetzt bin. Das können sie doch nicht machen. Normal packt man doch einen Rausschmeißer aufs Album. Einen Track bei dem man nach gefesseltem Hören, dann direkt mal aufstehen kann, um den Whiskey nachzufüllen. Das Cover ist eine Erwähnung für sich wert, denn haben sie sich etwas Besonderes einfallen lassen und nicht einfach ein Bandbild vorne drauf gepackt. Es erinnert ein wenig an das Live-Album der Eagles von 1980 und zeigt eine Tourbox, mit den aufgesprühten Konterfeis der Jungs. Darüber prangt das wunderschöne Retro-Logo. Ich bin schlichtweg begeistert.
Fazit: White Daze brillieren mit einem erwachsenen und ausgeklügelten Songwriting, dass sich selbst die alten Hasen im Business, vor Scham in den Keller verziehen werden. "Preflight" wird jeden Fan des Seventies-Hard-Rock und Blues-Rock schlichtweg vom Hocker reißen. Das Trio vereint darauf alles Gute aus den besseren Tagen des Rock. Live werden die Songs angeblich noch etwas ausgedehnt, was heißen würde, dass sie sich in exzessiven Soli verlieren. Na wenn das kein Grund ist, um mit White Daze abzufeiern? Also auf zum nächsten Konzert.
Anspieltipps: Kick In, Troublemaker, Give and Take, Nine Times out of Ten

 
Score:
89% Hervorragend!

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