Nachbericht: Iggy And The Stooges - Ready To Die Tour 2013
Autor: Michael Voit, Agnes Dinhobl
Iggy And The Stooges/ Mother's Cake - Open Air, Arena Wien, 9.8.2013
Die Krawallbrüder der Siebziger wollen es nochmal wissen: Iggy And The Stooges gastieren für einen der seltenen Gigs in der österreichischen Bundeshauptstadt, der neben dem Konzert drei Tage zuvor in Berlin, der einzige im deutschsprachigen Raum war. Somit fällt der Abend natürlich unter die Kategorie "Verdammt da muss ich um jeden Preis hin!". Auch wenn einem die Ticketpreise mit bis zu 87 Euro das Feuchte in die Augen treibt. Aber nach dem Titel des aktuellen Albums "Ready To Die" kann man nie wissen, ob man dem "Godfather of Punk" nochmal so nahe kommt - vor allem nachdem der Sensenmann sein Band-Umfeld langsam minimiert - also wird kurzerhand die Schwiegermama wieder ausgeladen, der Urlaub storniert und das Geld für ein Ticket zusammengekratzt. Austragungsort der Stooges-Werkschau ist die "Arena Wien", die wohl authentischste Location für eine Veranstaltung dieser Art.
Eröffnet wird der Abend von dem ausgelassenen Innsbrucker Progressiv-Rock-Trio Mother's Cake, die das Spektakel nicht hätten genialer eröffnen können. Hinsichtlich des Namens war ich etwas verwirrt, was vermutlich nicht ganz unbeabsichtigt ist, denn so steigt die Erwartung an die Truppe doch noch ein wenig. Und die haben sie locker übertroffen. Schon bei den ersten Takten macht sich eine Gänsehaut breit, die keinesfalls von dem aufziehenden Gewitter kommt. Obwohl die drei Bürschchen mit ihrem Instrumentarium, das lediglich aus Drums, Gitarre und Bass besteht, kaum ein Drittel der Bühne in Anspruch nehmen, ziehen sie dem Publikum gewaltig das Fell über die Ohren. Selbst die gestandensten Männer vor der Bühne, jene mit Biker-Bäuchen und Gesichtsbehaarung, verschlägt es die Sprache und sie bleiben mit offenen Mündern zurück.
Die Jungs vergewaltigen ihre Instrumente und bringen damit soviel Rock, Blues und auch Soul ins Publikum, dass bis in die hintersten Plätze kaum einer still stehen kann. Und selbst der Funk wird gelegentlich ein wenig aufgewühlt, der dem Dreigestirn mindestens genau so gut steht, wie die restlichen Genres, die sie noch streifen und beim ersten Hören gar nicht alle zu fassen sind. Da kann allerdings Abhilfe geschafft werden, und zwar in Form ihres Debüts mit dem passenden Titel "Creation's Finest". Nach einer Dreiviertel-Stunde ist der Zauber dann leider vorbei und zurück bleibt ein weiteres - nun mittlerweile nicht mehr so geheimes - Konzert-Highlight. Unbedingter Live-Tipp!
Nachdem der Großteil des Publikums wieder die Luft aus ihren Bierbechern gelassen hat, ist es dann endlich soweit: Unter einem etwas schrägen Jazz-Intro dackeln Bassist Mike Watt, der Aushilfs-Drummer für den erkrankten Scott Asheton, Saxophonist Andy McKay, Gitarrist James Williamson und Mr. Iggy Pop - wie immer mit freigelegtem Oberkörper - auf die Bühne und werden dabei von ihren Fans aller Altersstufen lautstark begrüßt und gefeiert, bevor überhaupt ein Ton angeschlagen wird. Gitarrist James Williamson, der das 2009 verstorbene Gründungsmitglied Ron Asheton ersetzt, kam auf Iggy's Wunsch wieder zurück in der Band, nachdem er auf dem 1973er Album "Raw Power" schon zum ersten Mal auftauchte und dann noch "Kill City" und "New Values" mit Iggy einspielte. Danach legte er für lange Zeit das Instrument zur Seite und arbeitet in der Entwicklungsabteilung für Sony. Daher musste er auch nach dem Angebot, nochmal bei den Stooges mitzumischen, erst mal Live-Erfahrung sammeln und probte ein halbes Jahr mit einer lokalen Band um die Musik wieder in Fleisch und Blut übergehen zu lassen. Die Feuertaufe bestritt er dann gleich in Brasilien vor nicht weniger als 40.000 Fans.
Ohne große Umwege setzt sich das Schlachtschiff Iggy And The Stooges in Bewegung und schon beim Auftakt ist das Anliegen der Truppe klar: Raw Power. Obwohl der energiegeladene Iggy mittlerweile aussieht wie seine eigene Großmutter, rockt sich der Mann die Seele aus dem Leib. Seine Haut gleicht einem alten Ledermantel, dennoch steht der 66-Jährigen kaum eine Sekunde still, interagiert fleißig mit den Massen und winkt gelegentlich ganz artig nach allen Seiten. Und sie spielen (fast) alle Hits: "Gimme Danger", "Search and Destroy", "1970" alias "I feel alright", "I wanna be your Dog" und sogar die Iggy-Solo-Nummer "The Passenger". Richtig beeindruckend wird's bei "Funhouse", wenn Iggy einen nicht unbeachtlichen Teil des Publikums auf die Bühne zitiert und getrennt von nur einem Security-Mann tanzend mit ihnen abfeiert. Eine mutige und sehr fannahe Aktion, Respekt! Die neuen Nummern funktionieren live mindestens genauso gut wie auf Platte und auch der Sound ist geradezu fantastisch. Da kann auch das einsetzende Gewitter samt Regen nichts daran ändern. Ein Killer-Riff nach dem anderen wird in Publikum gedroschen und die Fangemeinde erstrahlt glücklich und zufrieden, ihrem Helden noch einmal so nahe zu sein. Oder feiern - - ganz frenetisch mit.
Nach drei Titeln der Iggy Pop und James Williamson-Scheibe "Kill City" wird endlich "Ready to Die" auf die Menge losgelassen. Schon auf dem Studio-Album ein wahres Highlight, erstrahlt es live erst so richtig in vollem Glanz; ebenso wie "Sex & Money" oder "Burn". Natürlich dürfen auch Klassiker wie "No Fun", "Penetration" und "Your pretty Face is going to Hell" nicht fehlen. Angereichert mit den etwas rareren Stücken wie "Open up and Bleed", "Cock in my Pocket" oder "I Got a Right" bescheren uns die Stooges einen unvergesslichen Abend, auch ohne Scott Asheton's Anwesenheit. Wie schon in den Siebzigern, wird mit Richard Berry's "Louie Louie" dann ein absolut hochkarätiger Konzert-Tag beendet, der um Längen besser war, als ich ursprünglich annahm. "Hut ab!" Mr. Pop, Sie wissen immer noch wie man die Massen begeistert.
Und nachdem Iggy zuletzt in einem Interview verraten hat, dass er und James Williamson schon wieder 10 Nummern im Kasten haben, wird wohl das letzte Wort noch nicht gesprochen bzw. die letzte Note geschrieben sein, sodass wir die Jungs nicht vielleicht doch nochmal zu Gesicht bekommen.
Fazit: Eine Rentner-Band, die alles andere als altersschwach wirkt, rockt sich durch ein knackiges Set aus Altem, Neuem und Seltenem, das jeden Cent wert ist, denn es stimmt einfach alles: Die Location, die Bands, die Songs und auch das Publikum, das verschwitzt, erschöpft, betrunken, halbtaub aber glückselig nach Hause geht. Und als Draufgabe konnte man noch einen echten Geheimtipp - nämlich Mother's Cake - entdecken.
Autor: Michael Voit, Agnes Dinhobl
Kommentare von Besuchern
15. August 2013, 19:56 martin sagt:
schöner Bericht! Nur bei der Vorband muss ich widersprechen! Wie kann man so ein grausames prog gedudel den Stooges Fans zumuten? Ich hätte sie am liebsten von der Bühne geprügelt! schöne grüße, Martin
11. August 2013, 15:40 Jonathan Gabler sagt:
Hey,
Mother's Cake kommt aus Innsbruck, nicht aus Wien! Ansonsten ein sehr feiner Bericht!
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Kommentare von Besuchern
martin sagt:
Jonathan Gabler sagt: