Man hat nicht oft die Möglichkeit, bei der Geburtsstunde vielversprechender Rock-Acts anwesend zu sein. Letzten Freitag bot sich allen Fans des Achtziger-Jahre-Metal wieder die Chance, einem solchen Ereignis beizuwohnen. Die Linzer Sleaze-Rocker Püssy Tyrant gaben eines ihrer - zur Zeit noch - eher seltenen Konzerte, im Linzer Kuba. Zusammen mit ihren Kollegen Sister Jones und Wassermanns Fiebertraum nahmen sie die eigentlich recht beengende Location regelrecht auseinander. Eine recht illustre und vielversprechende Mischung aus Pop, Rock und Metal, wie ich finde. Den Anfang bestreitet die deutsch-österreichische Band Wassermanns Fiebertraum, die mit ihren teils schwelgerischen, teils wütenden Klangteppichen, streckenweise an Sigur Rós erinnern. Die Jungs verzichten komplett auf den Gesang und versuchen somit die Hörerschaft rein instrumental einzulullen. Untermalt von Filmeinspielungen, gibt es dem dann noch die nötige Authentizität. Überzeugen können sie aber leider nur teilweise, denn anfangs weiss das Publikum nicht recht, was es mit dem Quartett anfangen soll. Allerdings mit dem Alkoholspiegel, steigt auch die Euphorie bei den Zuhörern und gegen Ende des Sets feierten alle schon frenetisch mit. Das Problem bei Konzerten mit Instrumental-Mucke besteht darin, dass keine Hooks, keine Mitgröl-Refrains und ohrwurmhafte Textpassagen die Show auflockern und das Publikum zu fesseln vermögen. Es hat mehr einen meditativen Charakter. Bitte nicht falsch verstehen, das Kollektiv ist musikalisch 1A, dennoch breitet sich, immer wieder mal, Langeweile aus. Denn ihren Songs fehlen ohne Texte ein wenig die nötigen Ecken und Kanten, also der Widererkennungswert. Trotzdem, wenn eine illustre Truppe wie die Püssys spielen, sollte man zumindest eine Pyro-Show im Gepäck haben, um bestehen zu können. Auch wenn das etwas übertrieben klingen mag, die Jungs haben enormen Unterhaltungswert und das sollte man nicht unterschätzen.
Der Sandwich-Act des Abend, die Linzer Sister Jones, lehnen sich - laut Bandbeschreibung - gegen Fadesse und Beliebigkeit auf, und greifen auf Vorbilder wie Clutch, Led Zeppelin oder die Beatles zurück. Klingt alles sehr vielversprechend und würde einen Besuch auf jeden Fall rechtfertigen. Das Dargebotene unterscheidet sich dann aber doch ein wenig von der Vorankündigung: Die fünf Musiker, unter der Leitung von Gitarrist Jakob Köttl, faszinieren mit einem recht ungewöhnlichen Stilmix aus Rockabilly, Stoner-Rock und Lärm. Zusätzlich wirkt alles - auf die Dauer des Sets - ein wenig unfertig und läuft in zu viele Richtungen auseinander. Dennoch sind die Bläser-Einsätze ein ungewöhnliches Vergnügen und geben ihnen einen ganz besonderes Flair. Sister Jones haben ihre Momente, daran gibt es gar nichts zu rütteln, trotzdem enthält der Gig Langstrecken, geschürt von kleinen Unstimmigkeiten in der Ausführung. Die Welt, in die sie uns entführen, ist eine brachial-zerissene, durchaus mit Melodien versehen, die, wenn meistens auch schwer auszumachen, definitiv vorhanden sind.
Und dann kommt der Haupt-Act, die Glam-Rocker bzw. Retro-Metaller aus L.A. - also Linz-Austria - Püssy Tyrant. Nettes Wortspiel übrigens! Und genau diesen Humor übertragen die Fünf, bei aller Ernsthaftigkeit, auch auf die Bühne. Es wird gepost, dass es eine wahre Freude ist, und mit ihren partiell frei gelegten Oberkörpern bzw. Leggings und Legwarmern, versuchen sie die Damenwelt zu irritieren. Gelingt in dem Fall nur bedingt, denn die Truppe lässt echt kein Klischee aus. Ein Mitgrund für den hohen Fun-Faktor der Fünf. Überhaupt steht der Spaß an erster Stelle, wie man bei der sympathisch-freakigen Band auf der Bühne sieht. Alleine schon ihre Pseudonyme sind mehr als nur ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung der Achtziger. Optischer Blickfang sind definitiv Bassist Jacky Voltage und Gitarrist Tommy Vayle. Vor allem Voltage verzückt das Publikum immer wieder mit seinem Outfit, aber auch mit wahnwitzigen Einlagen, während Vayle stolz einen Teil seinen Brustpelzes präsentiert. Schlagzeuger Randy Rainbow - der auch bei Red Machete die Stöcke schwingt - führt die Truppe souverän durchs Set und entlädt lässig ein Drum-Feuerwerk der Extraklasse.
Seth Night fetzt, mit teils finsterer Miene, ein Riff nach dem anderen ins Publikum und duelliert sich mit Vayle halsbrecherisch um die Wette. Nebenbei treibt er übrigens auch noch bei den "Todesmetallern" Eschaton, sein Unwesen. Sänger Amy Streaker, mit Sonnenbrille und Lederjacke, unterstreicht auf coole Weise das energetische Set noch zusätzlich. Und auch sein Stimmumfang kann sich hören lassen, denn selbst das so genre-typische Gekreische darf nicht fehlen, bleibt aber grundsätzlich die Ausnahme. So sollte (im Idealfall) ein Rock-Konzert sein: Entertainment bis der Arzt kommt! Und genau das zelebriert das Quintett heute Abend in Linz. Leider gibt es von der Truppe noch kein Album. Warum das so ist, haben sie mir im Interview vor dem Gig erklärt, welches in wenigen Tagen folgt. Ich kann nur jedem, der Möglichkeit hat die Jungs live zu sehen anraten, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen. Ihr werdet es nicht bereuen. Def Leppard's 1987er Hit "Hysteria" beendet dann eine doch etwas zu lange Rock-Nacht. Drei so unterschiedliche Bands - samt Umbaupausen - sind für einen Freitag doch ein etwas steiles Vergnügen.
Fazit: Wassermanns Fiebertraum führen instrumental in den Abend, lassen den ein oder anderen Funken tatsächlich überspringen und das Publikum mit offenen Mündern zurück. Sister Jones folgen mit ihrem doch recht ungewöhnlichen Set aus Lärm und Rock mit Schräglage, und wärmen das Publikum recht gut für Püssy Tyrant auf. Das Retro-Kollektiv macht dann seinem Namen alle Ehre und verführt das weibliche Publikum unnachgiebig. Nebenbei wird gerockt, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. Die Jungs muss man mal gesehen haben, so viel ist sicher, denn wieder einmal zeigt sich, dass Entertainment auf der Bühne nicht unwichtig ist. Alles in allem, ein bunter Abend aus Newcomern, der abwechslungsreicher nicht sein konnte. Und vor allem wieder einmal bestätigt, dass sich grandiose Bands im Untergrund tummeln, von denen die meisten wohl nie die Möglichkeit haben werden, jemals von der breiten Masse gehört zu werden. Umso mehr ist es Püssy Tyrant anzuraten, endlich ihren Arsch hoch zu bekommen, ein Album einzuspielen und an der derzeit um sich greifenden Achtziger-Welle mitzunaschen.
Autor: Michael Voit
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