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Bluspumpm - Tuesday the Bluesday in Linz (2013)

Autor: Michael Voit, Christian Hehs
Es gibt nicht viele österreichische Urgesteine, die immer noch im Geschäft sind. Dazu zählen auf jeden Fall die Bluesveteranen von Bluespumpm, die heuer ihr 38. Bühnenjahr in Angriff nehmen. Somit sind sie eine, wenn nicht DIE dienstälteste Blues-Rock-Gruppe in Österreich, quasi die österreichischen Rolling Stones. Die vielen Bühnenjahre sieht man ihnen zwar nicht allen unbedingt an - nicht so wie ihren Kollegen im Geiste - aber man kann sie in jedem Ton hören. Die Herren haben immer noch Feuer und eine unbändige Freude am Spielen, dass vermutlich noch weitere 38 Jahre auf uns warten. Bluespumpm sind Sänger, Gitarrist und Fotzhobel-Spieler "Zappa" Johann Cermak, an der Leadgitarre der unverwechselbare Fritz Glatzl, am Bass Wolfgang Frosch und das Schlagzeug bearbeitet Peter Baborik. Allesamt keine Unbekannten mehr, sind sie doch auch noch in zahlreiche Nebenprojekte involviert, wie Wild Irish Lasses, 4 Giant oder Harp Attack, um nur einige Namen zu nennen.
Die Truppe ist bei Konzerten für ihre ausufernden Jams berüchtigt, die auch schon mal die 20-Minuten-Grenze überschreiten. Die Älteren unter uns werden ein gewisses Grateful Dead-Feeling nicht verleugnen können, wenn Bluespumpm – z.B. bei Dale Hawkins "Suzie Q" oder dem spacigen "Driftin" – im Mittelteil ein 10-minütiges Jam einbauen. Weitere Highlights bei ihren Konzerten sind der rotzig dahingroovende "Chicken Blues", die Frühaufsteher-Hymne "In the Morning", der fröhliche "Wuffi Blues" oder Ray Charles' "Hallelujah, I love her so", die vermutlich auch heute nicht im Set fehlen werden. Auch vor Johnny Cash wird nicht halt gemacht und so erlebt der 1963er-Hit einen zweiten Frühling, indem ihn die Vier bis beinahe zur Unkenntlichkeit verbluesen. Das muss man gehört und gesehen haben. Wer mit Bluespumpm musikalisches Neuland betritt, dem lege ich folgende Alben als "Einstiegsdroge" ans Herz: "20 Years Party Album", "The Wolfpack Tapes" und "Dirty Thirty - Open Hearts", auf dem gleich noch der ehemalige Rolling Stones Gitarrist Mick Taylor ein Gastspiel gibt. Weitere Größen mit denen sie schon auf der Bühne standen sind Colloseums' Chris Farlow und –G ründungsmitglied und Ur-Sänger der britischen Metal-Pioniere Iron Maiden – Paul Di Anno (Er singt Klassiker wie "Running Free", "Wrathchild" oder "Murders in the Rue Morgue", Anm. d. R.).
Zu Beginn ihrer Karriere, das war so um 1975, lebten sie noch in einer Kommune auf einem Bauernhof im idyllischen Heidenreichstein (Niederösterreich). Lange Zeit war dies der Dreh- und Angelpunkt in Bluespumpms Universum. Warum sie das dann doch einmal aufgegeben haben, werde ich mir als Frage fürs anschließende Interview aufheben. Gründungsmitglieder waren damals Zappa, Wolfgang Frosch, Dieter Thoma an den Drums und "Bongo" Franz Frank an der Gitarre. Die beiden letzteren verließen zwar die Band wieder, aber tauchen dann doch - zu besonderen Anlässen - neben ihren alten Kumpanen wieder auf der Bühne auf. Das alles hat doch einen gewissen Hippie-Charme und vermutlich genau deswegen sind sie auch nicht mehr von Österreichs Musiklandschaft wegzudenken: Sie vermochten es, die Nation mit ihrem Charme und dem daraus resultierenden Einheits - wie auch Freiheitsgefühl anzustecken, was ihnen auch heute noch gelingt.
Da bin ich also in der Linzer AK – bereit den Blues(day) zu zelebrieren. Einmal im Monat findet hier - unter dem Motto "Tuesday the Bluesday" - ein Konzert statt, das nationale wie auch internationale Künstler dieses Genres anlockt. Zusätzlich sei erwähnt, dass ich gerne hier bin, denn neben der tollen Akustik ist das Personal sensationell freundlich und hilfsbereit. Vorbei am Merch-Stand, bei dem es allerhand Bluespumpm-Musik und dieses äußert coole Band-Shirt - mit dem zeitlos grandiosen Logo - zu kaufen gibt, schiebe ich mich in den beinahe ausverkauften Saal, wobei gesagt werden muss, diese Art von Veranstaltungen sind hier immer bestuhlt, was schon mal ein wenig dem vorhin erwähnten Freiheitsgefühl entgegenwirkt. Na gut, wenn es weiter nichts ist, um einen der mittlerweile selteneren Gigs der Truppe erleben zu können, stecke ich das weg. Außerdem darf heute im hinteren Teil des Saals dann doch gestanden und getanzt werden. Die Leute wetzen schon ein wenig unruhig umher, da schawenzeln die Vier - Punkt 20 Uhr - ganz entspannt auf die Bühne - Zappa wie immer in Socken, um vermutlich noch mehr geerdet zu sein. Nach ein paar einleitenden Worten des Veranstalters, eröffnen die "Pumpm" - wie sie liebevoll von ihren Fans genannt werden - den Bluesday, schnallen sich ihre Instrumente um und sind bereit, die nächsten dreieinhalb Stunden zu zeigen, dass der Blues keineswegs an Relevanz verloren hat.
Zu Beginn gibt's gleich das obligatorische Akustik-Set, was ja prinzipiell nicht so meins ist, aber Bluespumpm schaffen es, das alles so richtig rocken zu lassen und so finde auch ich durchaus meinen Gefallen daran. "Factory" ist der Konzert-Auftakt, gefolgt von Klassikern wie "Drink of Wine", dem grandiosen "Chicken Blues" sowie "Just a 4 Letter Word". Nicht zum letzten Mal ist festzustellen, dass der Fotzhobel - sprich die Mundharmonika - die Musik teilweise stark dominiert. Was einem als ständigem Konzertbesucher auch sofort auffällt, Wolfgang Frosch ist Linkshänder und hat daher seinen Bass andersrum am Körper. Was aber nur bei genauerer Betrachtung auffällt, ist, dass die Saiten aber nicht umgespannt wurden. Das heißt, er bringt das seltene Kunststück zustande, linkshändig einen Bass mit Rechtshänder-Bespannung zu spielen. Warum das so ist, erzählt er mir dann später im Interview. Doch der eigentliche Trumpf der Kombo ist die rauchig-erdige Röhre von Zappa, die ich mir, hätte ich eine Band, längst für einen deftigen Rock-Song ausgeborgt hätte. Dass da noch keiner drauf gekommen ist? Am besten kann man sich seine Stimme so vorstellen: Man nehme ein Glas Reißnägel und gurgle damit jeden Morgen etwa 20 Minuten und das für etwa 40 Jahre. Anders kann ich mir so eine geniale Stimme nicht erklären. Neben sich hat er einen ganzen Koffer voller Mundharmonikas, die er sich - wie Bob Dylan seinerzeit - gelegentlich auf den Kopf spannt, um auch noch Gitarre spielen zu können. Vorher wird sie - in alter Profi-Manier - in einem Glas Bier betriebsbereit gemacht. Fritz Glatzl bearbeitet seine Gitarre mit all der Leidenschaft, für die der Blues ja bekannt ist. Was nicht heißt, dass es ihm an Feuer fehlt, ganz im Gegenteil, bei der (aller)letzten Zugabe "Oh Baby" - seinem Lied - übernimmt er sogar noch den Gesang. Aber soweit sind wir noch lange nicht. Derweil zaubert er ein meisterliches Solo nach dem anderen aus seinem "Ruder", und selbst im Publikum lauschen alle gespannt.
Wolfgang Frosch stampft unentwegt im Takt mit, vermutlich um nicht zu entgleisen. Dabei fliegen seine Haare wie wild umher, dass es streckenweise einem Rock-Konzert sehr nahe kommt. Wobei so falsch ist das nicht, haben die Bluespumpm doch genug Spritzigkeit, um auch den Rock nicht zu kurz kommen zu lassen, sogar der Boogie wird kurz gestreift. "I see my Baby" ist die erste lange Nummer und auf der Bühne herrscht höchste Ausgelassenheit und Spielfreude, von der sich - nebenbei erwähnt - so manche Kollegen ein paar Scheiben abschneiden könnten. Und auch der Rock-Faktor wird mehr, gleich so, als ob der Blues die Jungs zum Leben erwecken würde. Das zuvor schon erwähnte "Ring of Fire" folgt, wenn auch nicht ganz so fröhlich wie das Original, dafür verleiht ihm diese Version um einiges mehr Tiefe. Für die Morgenmuffel unter uns kommt dann endlich "In the Morning", welches neben vielen anderen einen Höhepunkt des Abends darstellt. Auch ein Bass-Solo darf nicht fehlen und so zeigt Wolfgang Frosch, dass ein Bass nicht unbedingt nach einem klingen muss. Bei "It's a Real Good Feeling" zeigt Schlagzeuger Peter Baborik was in ihm steckt und trommelt sich manisch durch sein "Barborhythm". Danach verkündet Zappa, dass er Lust auf eine "Tschick" (österr. für Zigarette) hat und läutet eine Pause ein. Das mag ich so an den Pumpm: Sie sind niemals verstellt, gekünstelt oder unecht.
Nach ein paar Zügen in der eisigen Kälte, drängt das - großteils mit ihrer Band gealterte Publikum - wieder in den Saal und es kann weiter gehen. Das mit starkem Ohrwurmcharakter versehene "Flyin' Home" eröffnet das zweite Set, das um einiges jamlastiger werden wird, soviel sei schon mal verraten. Ein Highlight jagt ab jetzt das nächste: Beim enthusiastisch-fröhlichen "Wuffi Blues" tanzt Zappa energiegeladen über die Bühne, so einen Spaß macht es den Vieren. Wolfgang Froschs Komposition "Driftin'" kommt als nächstes, das im Intro heute verdächtig nach dem Dire Straits-Hit "Calling Elvis" klingt. Der erste richtig große Brocken des heutigen Abend ist angespielt, bei dem Wolfgang nach dem Bass-Solo an Fritz übergibt, der sich weiter und weiter in ungeahnte Höhen spielt, bis sie alle nach 15 Minuten wieder in den vertrauten Klängen des Intros ankommen. Unbeschreiblich gut, was diese Band heute Abend leistet. Und man merkt es auch am Publikum, denn als die Pumpm die allerletzten Töne des Songs ausklingen lassen, traut sich das Publikum - vor lauter Demut - zuerst gar nicht zu klatschen. Man muss allerdings sagen, der Schwerpunkt liegt heute tatsächlich eher beim Rock. Denn das tun sie, rocken wie Sau!
Weiterer unbestrittener Höhepunkt des Abends ist, als beim instrumentalen Fotzhobel-Rocker "Sunny Boy", Zappa über die Bühne springt, als gäbe es kein Morgen. Danach übergibt er das Kommando an Fritz Glatzl und geht erst mal eine rauchen! Wie cool ist das denn? 10 Minuten und ein paar akrobatische Soli später, kehrt er auf die Bühne zurück. Der Saitenhexer gibt musikalisch noch einen kurzen Kommentar zur "Heeresreform" ab und dann schwenken sie über in ein grandioses "Hey Joe", das mit seinen vertrauten Klängen richtig befreiend klingt. Selten hab ich soviel Leidenschaft gesehen, als wie wenn Zappa das Jimi-Cover so lässig wie perfekt hinraunzt. "Suzie Q" wird auch noch mit einem monumentalen Jam versehen. Mittlerweile ist mir sämtliches Zeitgefühl abhanden gekommen. So muss es den Leuten früher bei Konzerten der Grateful Dead oder Quicksilver Messenger Service gegangen sein. Ray Charles' "Halelujah, I love her so" groovt mehr als das Original und nach dem Rausschmeißer "Oh Baby" sind dann dreieinhalb Stunden ins Land gezogen, in denen nicht einmal Langeweile aufkam, außer vielleicht in der Pause.
Fazit: Bluespumpm verhelfen dem Blues definitiv zu einer Jungzellenkur. So knackig und rein gar nicht traurig kann er klingen, wenn er von den richtigen Musikern in die Hand genommen wird. Ein Highlight folgt dem nächsten und nicht einmal die unnötige Pause trübt den Gesamteindruck. Wo Bluespumpm drauf steht ist auch eine ordentliche Ladung "Blues" drinnen! Aber halt auch Rock, und das ist gut so. Ich kann nur jedem, der die Gelegenheit hat, eines der seltenen Konzerte der Truppe zu sehen, anraten, diese auch beim Schopfe zu packen. Denn jeder der das Privileg hatte, einem solchen Konzert beizuwohnen, dem verspreche ich, der wird den Blues mit anderen Augen sehen.
Autor: Michael Voit, Christian Hehs
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