Interview: Manilla Road

mit Andreas Neuderth vom 8. April 2013 via Mail
Welcher Musikfan hat sich nicht schon mal vorgestellt mit seiner Lieblingsband on Stage zu stehen und die anwesenden Fans durch sein virtuoses Können am Instrument - sei es die Gitarre, als Sänger, Bassist, vielleicht als Drummer oder auch als Keyboarder - zu begeistern und zu bewegen? Diesen Moment zu erleben, in dem die Musik ihre volle Wirkung zu entfalten vermag und die Massen in jubelnder Euphorie ausbrechen lässt. Für die meisten Menschen bleibt das wohl Zeit ihres Lebens nur ein netter Traum, egal ob mit oder ohne persönliche Lieblingsband im Rücken.
Aber nicht für Andreas Neuderth! Er hat es geschafft, Schlagzeuger für die Band zu werden, deren Klängen er schon als Jugendlicher fasziniert lauschte: Mailla Road. Die 1977 gegründete Truppe um den Sänger und Gitarristen Mark Shelton zählt als einer der Begründer des Epic Metals und konnte mit Alben, wie Crystal Logic oder auch mit Open the Gates wahre Meilensteine des Genres hinterlassen. Der von 1984 bis 1990 für die Band trommelnde Randy Foxe gehört dabei zu Neudis frühen Idolen. Im Jahr 2011 stieß er selbst nach der Reformation der Jungs - zehn Jahre zuvor - und nach zwei vorherigen Line-Up-Wechseln am Drum-Hocker der Band zur Gruppe.
Und nun, mehr als drei Dekaden und 16 Alben seit der Gründung, rollt die Rock'n'Roll-Maschine immer noch wie ein fein geöltes Auto weiter durch die Metalszene. Doch welche Elemente haben sich über die Jahre als roter Faden durch die Stilistik der Band gezogen? Wie hat Neudi die alten Songs an sein eigenes Spiel angepasst? Für viele ungeschulte Ohren, ist vor allem das Schlagzeug ein Instrument, bei dem man nur schwer oder gar nicht zwischen verschiedenen Künstlern zu unterscheiden vermag. Wie kann man nun einen markanten und bleibenden Eindruck beim Hörer hinterlassen?
Außerdem berichtet uns Neudi in diesem Interview von den anstehenden internationalen Touraktivitäten, einer ganz speziellen Akustik-Show, seinem persönlichen Weg zur Band und natürlich von der Zukunft der Truppe, die jetzt gerade wieder so richtig in Fahrt kommt.
Viel Spaß beim Lesen!

Das Interview:

Alex Kipke: Hallo Neudi! Danke, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie geht es Dir?
Andreas Neuderth: Ich kann nicht klagen, vielen Dank der Nachfrage. Jeglicher Stress in meinem Leben fällt unter die Kategorie „positiv“ und falls es dennoch mal etwas viel wird, dann weiß ich, dass ich selbst daran schuld bin.
Alex: Jetzt scheint endlich der Frühling in Deutschland zu beginnen. Kommt da bei gutem Wetter die Laune zu rocken eher auf, als im tristen Winter?
Neudi: Natürlich ist es im Sommer - und damit auch auf den Open Air Festivals - angenehmer als frierend vor der Halle eine Zigarette zu rauchen oder das Equipment bei Minusgraden zum Venue zu schleppen, aber auch hier möchte ich mich nicht beschweren. An meiner Motivation ändert das nichts, lediglich die Partylaune steigt bei warmen Temperaturen ganz klar an. Dennoch habe ich Verständnis dass so viel düstere Musik wie der Black Metal aus Skandinavien kommt …
Alex: Euer neustes Album „Mysterium“ ist seit kurzem in den Musikregalen zu finden. Wie reagierten Fans und Presse bisher auf das Material?
Neudi: Das Interessante an Manilla Road ist, dass wir über viele Jahre - vor allem vor meiner Zeit in den Achtzigern - eine „love it or hate it band“ waren. Teilweise ist das noch immer so, was ich positiv sehe, aber in einem normalen Rahmen - wie bei den meisten Gruppen auch. Insofern war das positive Feedback absolut erstaunlich. Von Seiten der Fans fielen einige Superlative, wie „beste Scheibe seit „Courts of Chaos“ und Ähnliches. Man merkt, dass das Durchhaltevermögen seit 1977 immer mehr Früchte trägt. Manilla Road war auch innerhalb des Metalkosmos niemals trendbewusst, allerdings scheinen aktuelle Strömungen wie die Liebe zum traditionellen, ehrlichen und echtem Metal nun für uns zu arbeiten. Vielleicht kam der Trend gerade jetzt zu Manilla Road?
Alex: Wie wichtig ist für Dich als Künstler die Meinung von Fans und Presse im Allgemeinen?
Neudi: Ich bin und bleibe selbst Fan und das vermischt sich dann bei Manilla Road, wenn ich Reaktionen auf die neue CD oder zu vergangenen Gigs lese. Ich habe bis vor Kurzem noch dazu geneigt als Fan in Foren mitzuschreiben, wobei ich auch mal negative Stimmen mit Gegenargumenten bombardiert habe. Damit habe ich rigoros vor ca. zwei Monaten aufgehört und betrete diese Foren auch nicht mehr. Wie ein Raucher, der von heute auf morgen aufhört. Ich habe mich dabei ertappt wie ich mich als Musiker unprofessionell verhalte. Ich bin nicht empfindlich wenn es um den Geschmack der Menschen geht, gut – nicht so gut – schlecht, im Sinne von „gefällt mir/gefällt mir nicht“, aber ich reagiere recht barsch auf nicht nachvollziehbare Aussagen. Deshalb ist es besser, wenn ich mich auf das Lesen der Reviews beschränke. Dabei ist es gerade bei Manilla Road völlig egal, ob die Kritiken gut oder schlecht sind – die Fanbase ist groß und wird sich nicht dezimieren. Da haben es Newcomerbands schon schwerer, wenn sie mal schlecht bewertet werden. Da die Reviews aber durch die Bank positiv waren, auch von Leuten die bisher wenig oder nicht viel mit uns anfangen konnten, gab es wenig Anlass irgendwas an mich ranzulassen.
Alex: Gab es schon mal konstruktive Kritik, die Du glatt umgesetzt hast?
Neudi: Von Seiten der Presse eigentlich nicht. In ein paar Reviews wurde der Bassdrumsound kritisiert, aber den wollte ich genau so haben. Auch in der Vergangenheit fällt mir eigentlich nichts dazu ein. Wenn ich eine CD aufnehme, verlasse ich das Studio eigentlich erst dann, wenn ich auch zufrieden bin. Manilla Road als Band hat auf die Kritiken der Soundqualität der letzten Alben reagiert und Mysterium von Steve Falke in den Cornerstone Studios mischen lassen.
Alex: Welche stilistischen Elemente bilden bei Manilla Road einen roten Faden, der sich durch die Bandgeschichte zieht?
Neudi: Ganz klar der epische Faktor! Leider wird aktuell viel Tralala-Metal, vorrangig aus südeuropäischen Ländern mit dem Begriff „Epic“ umschrieben. Sobald ein Song eine lange Spieldauer hat wird sofort von „episch“ gesprochen, was auch nicht den Kern trifft. Episch heißt im Grunde „geschichtenerzählend“ und das ist ein roter Faden bei Manilla Road, klammert man ein paar Ausnahmen wie „Heavy Metal to the World“ oder „Feeling free again“ mal aus. Ansonsten hat Mark seinen ganz eigenen Gitarrensound, ganz egal, ob live, auf CD oder im Proberaum. Und seit „Open The Gates“ ist das Drumming nicht nur songdienlich, sondern auffällig und eher virtuos. Diese Antwort muss aber auch den Gesang enthalten, sowohl von Mark (natürlich), als auch von Bryan Patrick.
Alex: Ist es nicht gerade durch dieses große Spektrum an Vielfalt, wie ihr sie bietet, schwierig ein konkretes Zielpublikum aufzubauen?
Neudi: Ich sehe es als Fehler an, wenn eine Band versucht einer Zielgruppe zu gefallen. Zudem wird in den traditionellen Metal Doom, Thrash, Speed, Epic und sogar Death eingemeindet. Das geht schon seit vielen Jahren so und man erkannt das auch daran, dass z.B. beim Keep It True Festival dieses Jahr Warlord und Possessed spielen. Kaum zu glauben, dass beide Gruppen die gleichen Fans ansprechen, oder eben eine große Schnittmenge. Ich war doch sehr erstaunt wie viele Fans Manilla Road in Black Metal Kreisen haben. Selbst Musiker aus diesem Bereich nennen Manilla Road als Einfluss.
Alex: Welches der bisher veröffentlichten Alben ist Deiner Meinung nach stilistisch am gewagtesten?
Neudi: Für mich persönlich die thrashigen Songs auf „Out of The Abyss“ und die Verwendung eines Drumcomputers bei „Out of the Abyss“.
Alex: Als einer der Begründer des Epic Metals, wird Manilla Road in Deutschland häufig als True Metal-Band bezeichnet. Was hältst Du von dieser True-Metal-Bewegung?
Neudi: Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht was ich mit diesem Begriff anfangen soll. Ich benutze eher den Begriff „traditioneller Metal“. Das mit dem True Metal kam auf, als Hammerfall nach der Durststrecke in den Neunzigern (Grunge, Funk Metal, Crossover … mir wird heute noch schlecht, wenn ich daran denke!) mit „True Metal“ Erfolg hatten. Das war nach dem 90s-Desaster auch ein guter Begriff. Heute stelle ich fest, dass extrem viele Jugendliche und Teens wieder traditionellen Metal hören und sogar sammeln, erforschen und leben. Das ist kein Trend oder eine Welle, sondern ein Lebensinhalt. Dass die 80s als Pionierzeit glorifiziert werden finde ich dabei legitim. Autofans interessieren sich ja auch für Oldtimer und wie diese handwerklich noch stabil und ohne modernes Schnickschnack gebaut wurden. Und wenn jemand mit einem Oldtimer durch die Stadt fährt, dann schaut einfach jeder.
Alex: Was macht Deiner Meinung nach Musik „true“ oder „untrue“?
Neudi: Wenn ich lese, dass Manowar (Gott habe die ersten vier Platten selig!!!) „true“ seien, dann fällt mir das Mittagessen aus dem Gesicht. Sie haben sich über die Jahre zu einem Beispiel entwickelt, was nicht true und ehrlich ist. Programmiertes Schlagzeug, Fakes an allen Ecken und zielgruppenorientierte Abzocke. Generell sehe ich Rock und Metal als Musik an, die handgemacht ist – und das eben nicht nur live, sondern auch auf Tonträgern. Das ist in den letzten 15 Jahren auch im Metal häufig verloren gegangen. Die Studiotechnik hat sich schon seit den 60s weiterentwickelt, aber Ende der Achtziger kam ein Punkt an dem es für Rock und Metal schädlich wurde. Heute kann jede Kellercombo eine CD produzieren und muss noch nicht mal gut spielen können. Das lässt sich alles rücken und geradebiegen. Die Konsequenz ist der überflutete CD-Markt. Ich höre nur selten das Leben und Atmen einer Band auf einer CD, sondern nur ein Studio. Daher gefallen mir auch nur wenige aktuelle Produktionen. Die Energie und die Spielfreude, die man auf den Scheiben der 60s. 70s und 80s findet, fehlt oftmals völlig. Wenn eine Band früher nicht gut war, dann war auch die LP schlecht. Das hat den Markt und den Erfolg des Produktes geregelt, was heute oftmals fehlt.
Alex: Ab wann sollte man mit der musikalischen Sozialisierung junger Menschen beginnen?
Neudi: Das sehe ich ähnlich wie bei Deiner späteren Frage nach der Ausbildung. Ein Kind oder Jugendlicher muss selbst spüren was ihn packt. Man darf auch nicht vergessen, dass es viele Menschen gibt die zwar hier und da mal Musik hören, aber kein weiteres Interesse daran haben (Hefte kaufen etc.). Das sind meistens die Leute, die sagen „ich höre eigentlich Alles“. Wenn ich Kinder hätte, würde ich sie aus inhaltlichen Gründen vom HipHop fernhalten und wäre sicherlich auch nicht glücklich, wenn sie eine dieser Deutschrock Bands hören würden. Ich halte diese zwar nicht für bedenklich, allerdings deren Fans…teilweise!
Alex: Sind die dafür nötigen Angebote in Deutschland ausreichend, oder sollte die Politik da nachbessern?
Neudi: Das ist sehr schwer zu beantworten. Auf der einen Seite finde ich es toll wie es in Skandinavien abläuft. Da werden vom Staat Proberäume mit Instrumenten gestellt, man bekommt sogar Zuschüsse für Auslandstouren etc. Auf der anderen Seite wird der Markt immer mehr überschwemmt und im Grunde bräuchten wir eher weniger Bands als noch mehr. Von daher enthalte ich mich hier lieber.
Alex: Neben Deinem Leben als Rocker, hast Du auch einen alltäglichen Job, dem Du nachgehst. Wie schaffst Du es Beruf und Musikerleben, also quasi Beruf und Berufung unter einen Hut zu bekommen?
Neudi: Zunächst muss ich sagen, dass ich seit drei oder vier Jahren stundenreduziert arbeite, damit das Alles machbar ist. Allerdings arbeite ich in einem CD-Laden und das ist ebenso Leidenschaft und fühlt sich nicht wie ein Beruf an. Es macht mir Spaß und ich würde eher noch mehr Stunden herunterschrauben lassen als dort aufzuhören. Dieser Beruf gibt mir außerdem Einblick in diese Seite des Musikbusiness. Aktuell sehe ich die gesamte Branche als Musiker, Einzelhändler und Journalist (streetclip.tv, Break Out). Das sind drei Blickwinkel, die mich realistisch und vernünftig bleiben lassen. Gerade das Wissen, was wo und wie viel gekauft (und eingekauft) wird, fehlt vielen Musikern. Gerade den jungen, die mit einer überhöhten Erwartungshaltung ins Rennen gehen.
Alex: Ist man denn erst ein Profimusiker sobald man von der Musik leben kann, oder reicht es, dass man sein Instrument meisterhaft beherrscht?
Neudi: Die meisten Profimusiker geben nebenher Unterricht oder spielen sogar noch in Coverbands (Top 40, Rock Klassiker oder sowas). Da ich 24/7 mit Musik zu tun habe, bin ich also auch ein Profimusiker. Es gibt nur bei den ganz großen Bands Profis, die mit einer Gruppe viel oder ausreichend Geld verdienen. Alle anderen verdienen sich was dazu, was aber selten publik wird, da es als uncool gilt. Wer seinen Lebensunterhalt mit nur einer Band verdient ist außerdem gezwungen mit eben dieser Gruppe sein Geld zu verdienen. Die Folgen sind oftmals Kompromisse in der Musik an sich und Streit mit den Bandkollegen – wegen des lieben Geldes. Auf der anderen Seite ist man kein Profi, wenn man wegen dem Beruf Touren oder Auftritte nicht wahrnehmen kann. Dann ist es ganz klar ein Hobby und mehr nicht. Alle Mitglieder müssen flexibel sein.
Alex: Wie kommt man als Deutscher eigentlich in eine US-amerikanische Band, oder besser gesagt: Wie war Dein Weg zu Manilla Road?
Neudi: Mit dem Flugzeug! Aber im Ernst: Als ich in den 90s nichts mehr von Manilla Road gehört habe und das Internet noch was Neues war, habe ich eine Fan-Homepage online gestellt (die ist immer noch oben … truemetal.org/manillaroad) und die hat Mark Shelton irgendwann Ende der Neunziger entdeckt. Das Fanforum war voll und er war überrascht wie beliebt Manilla Road immer noch war. So kamen wir in Kontakt und haben uns beim ersten Gig in Europa, beim Bang Your Head 2000, auch persönlich kennengelernt.
Ich wurde bereits damals schon mal gefragt ob ich einsteigen wolle, aber nach Wichita/Kansas umziehen wollte ich nicht. Dennoch blieben wir stets in Kontakt. Er schickte mir neue CDs immer vorab und wollte meine Meinung dazu hören etc. 2011 wurde Manilla Road für das Hammer of Doom Festival bestätigt, doch der damalige Drummer Cory schlitterte in ein paar unschöne Sache hinein und durfte den Staat Kansas erst mal nicht verlassen. Also sprang ich für diese Show ein. Danach meinte Mark, er würde mich jetzt nicht mehr hergeben :-)
Alex: Wenn man nun mit den Idolen seiner Jugend spielen darf, hat man damit das höchstmögliche Ziel als Musiker erreicht, oder ist das noch etwas Luft nach oben?
Neudi: Es waren verrückte vier Jahre! Erst Savage Grace, dann Griffin und jetzt Manilla Road. Wobei die ersten genannten ja nur aus dem Originalsänger bestanden haben, aber dennoch: Es war fantastisch. Dann die vielen speziellen Show mit Roxxcalibur, bei denen Originalmusiker der NWoBHM mit uns zusammen spielten. Unter Anderem Dennis Stratton von Iron Maiden. Immerhin war Kiss/Iron Maiden mein erstes Metal Konzert als 10jähriger. Ich bin eigentlich bereits jetzt dankbar für Alles und ich fühle mich gerade in diesem Umfeld sehr wohl. Sicherlich könnte ich mich auch in größeren Bands bewerben und Vitamin B wäre auch vorhanden, aber daran habe ich wenig und jetzt gar kein Interesse mehr.
Alex: Sammy Amara von den Broilers sagte mal, dass wenn jemand versucht als Musiker mit Kalkül erfolgreich zu sein, dass diese Person ein Wichser sei. Würdest Du dem zustimmen?
Neudi: Oh Mist, diese Frage habe ich jetzt erst gesehen *lach*. Die habe ich bereits mehrfach beantwortet. Jawoll, der Mann hat Recht! Natürlich würde ich kein Schimpfwort für diese Musiker verwenden, aber rein kreativ stimme ich ihm zu.
Alex: Ist der Erfolg mit der eigenen Band überhaupt planbar, oder hängt am Ende alles vom Glücksfaktor ab?
Neudi: Wenn es planbar wäre, hätten alle Erfolg, oder? Man muss als Band überzeugt sein, Spielfreude auch auf die Menschen übertragen können und ehrlich mit dem sein, was man tut. Dann kann es trotzdem sein, dass es Jahre dauert, bis man damit zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Natürlich spielen auch Dinge wie Promotion eine Rolle. Manche guten Bands bekommt ja gar nicht mit, wenn ihr Label oder auch sie selbst nix machen …
Alex: Wie kann man heutzutage als junger Musiker mit seiner Band überhaupt noch auffallen? Fledermäusen oder Pudeln die Köpfe abzubeissen sorgt heute ja eher für negatives Feedback …
Neudi: Im Falle Manilla Road haben sich einige Magazine, die noch nie über uns berichtet haben, auf die Beständigkeit als Auffälligkeit hingewiesen. Fans und Presse brauchen neben der Musik irgendwas Greifbares. Die gute Band, die aber nur aus fünf Typen besteht die auf dem Foto an eine Mauer gelehnt stehen, wird wenig Chancen haben. Roadrunner haben meine Ex-Band in den frühen 90s mal abgelehnt, weil wir genau das nicht hatten. Da ich die Dame durch meine TV-Tätigkeit kannte, war sie ehrlich und erklärte mir, dass bei uns ein Exotenbonus fehlt. Das verstehe ich heute. Mit Slipknot kann man eben gut arbeiten, ein gefundenes Fressen für Promoter und Presse. Manilla Road fällt durch Eigenwilligkeit im Stil, Fannähe und den „Epikfaktor“ auf. Es gibt also genügend Stoff zum Anpacken.
Alex: Viele Musiker – vor allem ältere Ur-Gesteine der Szene – beschweren sich über die fundamentalen Probleme in der heutigen Musikindustrie. Sinkende CD- und Ticketverkäufe oder auch die Probleme mit den Verwertungsgesellschaften sind dabei häufig genannte Punkte. Wie siehst Du die aktuelle Lage? Ist das alles Panikmache?
Neudi: Ja und nein. Man muss bei den CD-Verkäufen ganz klar auf die Stilrichtung eingehen. Metal hat schon immer konstant verkauft, sonst wären viele Labels in den 90s untergegangen. Ein Jazz- oder Klassikfan hört nicht auf CDs zu kaufen. Die Einbrüche sind in der Popmusik zu finden, beim Techno und HipHop ganz besonders. Die Ü-30 Generation ist ebenso kauffreudig wie eh und je, egal auf welchem Weg. Langfristig wird sich zeigen, wie die Jugend weitermacht. Aktuell ist Gitarrenmusik im Allgemeinen recht angesagt. Das lässt Gutes hoffen. Alles andere liegt einfach nur an der Gesamtwirtschaft, da weniger Geld ausgegeben wird. Würden die Leute mehr verdienen (Mindestlohn per Gesetz wäre eine gute Sache….), dann würde auch wieder mehr für Tonträger ausgegeben werden. So beschränken sich viele darauf, was sie zum Leben brauchen.
Alex: Für viele Menschen ist das Schlagzeug ein Instrument, dass „nur“ Pumpa-Pumpa zu machen scheint. Dementsprechend ist es für viele ungeübte Ohren schwer, das Spiel unterschiedlicher Drummer zu unterscheiden. Wie kann man als Schlagzeuger den Songs seinen ganz eigenen Anstrich geben?
Neudi: Man erkennt einen Van Halen Song u.a. an der HiHat. Wer es noch nicht versucht hat, kann es mal testen. Einen Dave Lombardo hört man unter allen Drummern heraus – egal ob bei Slayer, Grip Inc. oder seinen bizarren Fusion Projekten. Und warum plädieren so viele für Black Sabbath mit Bill Ward? Das Alles sind Beispiele für Drummer, die ihre Duftmarke versprühen. Nicht jeder Musikhörer kann ausdrücken warum ihm eine Band gefällt. Da wird laienhaft „der Rhythmus ist so toll“ gesagt, weil natürlich die Möglichkeit zur Analyse fehlt, was auch völlig ok ist. Der Drummer von Crematory erfand irgendwann mal den Begriff „Neudi Break“. Das ist eine Figurenfolge, die ich immer wieder von mir selbst klaue und die sich zwei Mal in die neue Manilla Road eingeschlichen hat. Die meisten langjährigen Drummer haben mit der Zeit ein Repertoire an Beats und Breaks entwickelt, die sie – egal wo sie spielen – versuchen unterzubringen. Das ist ähnlich wie mit dem Wortschatz eines Menschen. Hinzu kommen Eigenheiten, wie eben die leicht geöffnete HiHat bei Van Halen. Kleine, aber feine Besonderheiten eben.
Alex: Hast Du die Songs, die vor Deiner Zeit bei Manilla Road entstanden sind, irgendwie an dein Spiel angepasst?
Neudi: Es gibt einige Stellen, die ich umbauen musste. Randy Foxe hatte eine besondere Technik, die von meiner abweicht und dadurch sind einige Breaks nicht 1:1 umsetzbar. Allerdings gehört Randy zu meinen frühen Idolen. Meine erste Manilla Road LP - „The Deluge“ - erhielt ich mit 15 und seit dem hat er mein Spiel beeinflusst. Von daher muss ich mich überhaupt nicht verbiegen, egal ob bei alten Songs auf der Bühne oder bei den neuen Stücken auf Mysterium. Ich spiele in meiner Lieblingsband in der jahrelang einer meiner Lieblingsdrummer gespielt hat. Ich habe vor Manilla Road in Bands gespielt, in deen man mich eher gebeten hat weniger zu spielen. Nun passt mein Stil wie die Faust auf´s Auge, was sehr befreiend ist.
Alex: Wie wichtig ist für einen Rock – oder Metalmusiker eine klassische musikalische Ausbildung?
Neudi: Ich halte von solchen Ausbildungen nicht viel, weder bei Musikern, noch bei Tontechnikern. Ich bin der Meinung, dass man das nicht lernen kann. Im Idealfall entdeckt man als Kind oder Jugendlicher sein Talent und dann kann eine Schule oder ein Lehrer unterstützend wirken, um das alles in geregelte Bahnen zu bringen. Doch dass man Talent hat und musikverrückt ist haben die meisten guten Musiker schon als Kind gespürt. Außerdem kommt es auf das Individuelle an und nicht nur auf das Können, Wissen oder Technik. Warum hat Angus Young einen eigenen Ton? Ich habe mich mit Tom Warrior darüber unterhalten und ihn gefragt, mit welchen Einstellungen am Amp oder mit welchen Effekten er diesen kranken Frost-Sound erzeugt. Er antwortete sinngemäß, dass das aus seinen Fingern kommt. Damit hat er es auf den Punkt gebracht. Ich höre auch einen Mark Shelton an der Gitarre heraus, wenn er Polka spielen würde, da er seinen eigenen Sound und Stil hat.
Zu dieser Erkenntnis bin ich vor einigen Jahren gekommen. Ich spielte ein paar Jahre nebenher in einer Deep Purple Tribute Band und wir hatten einen Gig, bei dem eine Prog-Metal Band vor uns spielte. Der Drummer war unfassbar, seine Technik nahezu perfekt. Mir war recht flau im Magen, als ich nach diesem Mann auf die Bühne sollte. Nach unserem Gig kamen nicht nur Leute aus dem Publikum zu mir, sondern eben auch dieser Drummer. Er meinte, ich wäre einer der Besten, die er je live gesehen hätte. Beim Keep It True musste ich nach Watchtower auf die Bühne und da fiel mir diese Sache wieder ein.
Alex: Wie man lesen kann, habt ihr am 1. Februar in Mannheim ein Akustik-Set gespielt. Was muss man beachten, wenn man einen Metalsong akustisch performen will?
Neudi: Das ist einfach: Wenn der Song gut ist, dann funktioniert er immer. Ob akustisch oder von einem Orchester gespielt. Ausnahmen sind selbstredend Thrash oder Death Metal Bands, wo das eher nicht klappen würde – trotz guter Songs in diesem Segment.
Alex: Was waren die Reaktionen auf die Show?
Neudi: Sehr gut, denn die Songs, die Mark ausgesucht hat, funktionieren einfach auch in dieser Form und der Gänsehautfaktor ist teilweise noch ausgeprägter. Ich bin auch froh, dass die Akustiknummer „The Fountain“ auf der neuen CD ihren Platz gefunden hat. Diese Seite hat mir in dieser Form seit „Centurian War Games“ vom Debütlabum nicht mehr auf Tonträger gehört. Und ganz klar: Ich kann in der Zeit eine Rauchen gehen – super Sache!
Alex: Was steht sonst noch für die Zukunft von Manilla Road und auch für Dich persönlich an?
Neudi: Dieses Jahr füllt sich der Terminkalender unaufhörlich, auch wenn wir keine Tour im eigentlichen Sinne spielen werden. Dafür werden wir in vielen Ländern, meistens auf Festivals, spielen. Die Highlights dürften wohl u.a. das Sweden Rock und das Hellfest sein. Ein regelrecht obskures Land wird die Tage noch hinzukommen, aber da es noch nicht bestätigt ist, verrate ich es noch nicht. Ich selbst bin ja nach wie vor noch bei Jameson Raid und Roxxcalibur involviert und in beiden Fällen zeichnen sich bald Veröffentlichungen ab. Zusätzlich haben wir nach dem Split von Savage Grace (Roxxcalibur waren im Grunde das Line-Up, zusammen mit Originalsänger und Bandchef Chris Logue) eine Follow Up Band namens Masters of Disguise gegründet, die natürlich melodiösen US-Speed Metal spielt. Die erste CD ist so gut wie fertig und wird auch noch dieses Jahr erscheinen. Ansonsten geht es auch mit meiner Moderatorentätigkeit bei streetclip.tv weiter und wir arbeiten zur Zeit an einem Dokumentarfilm über die NWoBHM namens „Rule Brittania“.
Alex: Ich danke Dir nochmals für Deine Zeit, Neudi! Ich wünsche alles gute für die Zukunft und jetzt gehört Dir das allseits beliebte Schlusswort an die lauschenden Fans!
Neudi: Up the hammers! May the lords of light be with you! Ist eigentlich Mark´s Job, aber ich wollte auch mal ein Interview genau so beenden: :-)
Moderation: Alexander Kipke
Wer in das aktuelle Album „Mysterium“ von 2013
reinhören möchte, kann dies hier tun:
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Kommentare von Besuchern

9. April 2013, 21:12
Hellbanger sagt:
der mann hat plan und sagt die wahrheit

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